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Siegfried

Zweiter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 5' (zwei Pausen)

Premiere in der Oper Kiel am 11. März 2017




Theater Kiel
(Homepage)
Überzeugende Fortsetzung der Tetralogie im hohen Norden

Von Thomas Molke / Fotos von Olaf Struck

12 Jahre ließ Richard Wagner seine Siegfried-Partitur nach Vollendung des zweiten Aufzuges liegen, um sich "leichter" zu realisierenden Werken wie Tristan und Isolde und Die Meistersinger von Nürnberg zu widmen, bevor er auf Bitten seines größten Förderers, des bayerischen Königs Ludwig II., die Arbeit an der Tetralogie wieder aufnahm und schließlich 1869 mit der Kompositionsskizze des dritten Aufzuges begann. Auch in Kiel dauert es ein ganzes Jahr, bis die in der letzten Spielzeit begonnene Tetralogie in der Inszenierung des Intendanten Daniel Karasek fortgesetzt wird. Doch damit wird man wohl kaum auf den Verlauf der Geschichte - immerhin sind zwischen dem Ende der Walküre und dem Beginn des Siegfried knapp zwei Jahrzehnte vergangen - oder die Entstehungszeit anspielen, da man auf den letzten Teil ebenfalls ein ganzes Jahr warten muss. Nachdem Karasek die Ring-Tetralogie im hohen Norden mit dem Rheingold relativ klassisch begonnen hatte, war man sich nach der Walküre nicht mehr so sicher, welchen Weg er für die Fortsetzung der Geschichte wählen würde. Doch nach einigen experimentellen Ansätzen in der Walküre, für die Karasek nicht nur Zustimmung geerntet hat, kehrt er im Siegfried wieder zu einer klassischeren Interpretation zurück, was vielleicht auch der Geschichte geschuldet wird, die Cosima Wagner aufgrund des scherzohaften Tons in der Musik und dem märchenhaften Charakter in ihren Tagebüchern einmal als "eine Art Intermezzo" bezeichnete. Vom Regie-Team hat Karasek lediglich den Bühnenbildner und Lichtgestalter ausgetauscht. So zeichnen nun die Künstlerin Chiaru Shiota, auf die Karasek bei einer Ausstellung ihrer Kunstinstallationen aufmerksam geworden ist, für das Bühnenbild und George Tellos für das Licht-Design verantwortlich. Wie bereits im Rheingold ist der Riese Fafner als Großfigur mit mehreren Figurenspielern in einer Choreographie von Marc Schnittger auf der Bühne zu sehen.

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Siegfried (Bradley Daley) und der Drache

Ein fester Bestandteil der Inszenierung sind auch die Videoeinspielungen von Konrad Kästner, die während der drei Aufzüge eine eigene Geschichte erzählen, die zumindest im Siegfried mit der Handlung der Oper nichts zu tun hat. So sieht man zum düster beginnenden Vorspiel eine Art dunkles Knäuel, das sich zu Beginn mit etwas Phantasie noch als Augen eines Drachen deuten lässt, die einen aus einer dunklen Höhle heraus anstarren. Doch allmählich löst sich das Knäuel und macht einem Lichtermeer Platz, das den Blick in ein weites Universum freigibt, bis man plötzlich auf einen kugelförmigen Planeten (die Erde?) trifft. Vor dem zweiten Aufzug wird dieser blaue Planet von einer schwarzen zähflüssigen Masse überzogen, die in ihrer Konsistenz an Öl erinnert. Dabei entsteht eine recht unebene Oberfläche, die das Blau (Wasser?) des Planeten völlig verschwinden lässt. Vor dem dritten Aufzug brechen dann feuerrote Strahlen durch diesen dunkel überzogenen Planeten und scheinen, die Kruste aufbrechen zu wollen. Eine Art Feuerschweif bewegt sich von der Kugel ins Universum und trifft in der Ferne auf einen weiteren blauen Planeten. Was Kästner uns mit diesen Projektionen erzählen will, bleibt zwar unklar, beeindruckt allerdings in der Abstraktion, zumal die Szene vom Philharmonischen Orchester Kiel unter der Leitung von GMD Georg Fritzsch mit großem Verve und finsterem Klang untermalt wird.

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Zuneigung sieht anders aus: Siegfried (Bradley Daley, rechts) und sein Ziehvater Mime (José Montero).

Mimes Höhle im ersten Aufzug ist dann schon weniger abstrakt gestaltet. Im Hintergrund sieht man eine riesige Maschinerie mit zahlreichen Rädern. Hier wird später das Schwert Nothung geschmiedet. Ein riesiger Amboss in der Bühnenmitte dominiert das Bild, den Siegfried dann auch nach Fertigstellung des Schwertes mit ungebremster Kraft zertrümmern darf. Wieso im Hintergrund Trümmer eines eingestürzten Gebäudes auf die Rückwand projiziert werden, erschließt sich nicht, da hier ja eigentlich der Wald liegt. Soll damit bereits der Untergang der Götter und Walhalls angedeutet werden? Ebenso unklar bleibt, wieso Mime, wenn sich der Vorhang öffnet, eine kleine Hütte auf die Bühne schiebt, in die er sich bisweilen zurückzieht und in der seine Pläne für das Erlangen des Nibelungenschatzes an der Rückwand hängen. Diese Hütte steht häufig im Weg und versperrt einem Teil der Zuschauer den Blick auf die Maschine im Hintergrund. Sieht man von diesen kleinen Mankos ab, lässt sich der erste Aufzug allerdings genießen. Der australische Tenor Bradley Daley gibt in Kiel sein Debüt als Siegfried und überzeugt mit kräftigem Heldentenor, auch wenn sein Spiel vom häufigen Suchen des Blickkontaktes zum Dirigenten ein wenig beeinträchtigt wird. An einigen Stellen forciert er beim Schmieden des Schwertes ein bisschen zu scharf, verfügt jedoch über genügend stimmliche Reserven, um den Schmiedevorgang zu einem fulminanten Abschluss zu bringen. José Montero entspricht zwar optisch nicht ganz dem Zwerg Mime, begeistert aber durch wunderbar hinterlistiges Spiel und saubere Diktion. Auch den näselnden Tonfall des Zwergs weiß Montero geschickt einzusetzen. Musikalischer Höhepunkt des ersten Aufzugs ist seine Szene mit dem Wanderer. Thomas Hall, der auch in den ersten beiden Ring-Teilen mit markant strömendem Bariton als Wotan begeistert hat, setzt hier mit fulminanten Tiefen erneut Akzente.

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Zwei Widersacher treffen aufeinander: Wotan als der Wanderer (Thomas Hall, links) und Alberich (Ks. Jörg Sabrowski, rechts).

Der zweite Aufzug ist relativ märchenhaft gestaltet. Aus dem Schnürboden hängen dunkle Netze herab, die dem Wald eine unheimliche Atmosphäre geben. Die geschickte Lichtregie von George Tellos setzt dabei mit diversen Blau- und Rottönen in diesem Ambiente besondere Akzente. Hier treffen zunächst Alberich und der Wanderer aufeinander. Ks. Jörg Sabrowski liefert sich als Alberich mit Hall als seinem ewigen Widersacher stimmlich einen Schlagabtausch der Extraklasse. Auch darstellerisch setzen die beiden die Szene überzeugend um. Timo Riihonen ist als Drache Fafner nur aus dem Off zu hören. Im Hintergrund sieht man im Schattenspiel die Konturen der später auftretenden Großfigur. Riihonens Bass wird über die Lautsprecher ein dumpfer und bedrohlicher Klang gegeben. Den Waldvogel lässt Karasek bereits auftreten, wenn sein Motiv erstmals in der Musik erklingt. Hierbei verfolgt Karasek den Ansatz, dass Wotan den Waldvogel zu Siegfried führt und somit im Hintergrund doch noch die Strippen zieht. Wenn Siegfried dann auf den Drachen trifft, wird letzterer von insgesamt acht Figurenspielern dargestellt. Wie schon im Rheingold ist ein Großteil der Figur nur durch ein weißes Gerüst angedeutet, das im Falle des Drachen fast an ein Skelett erinnert. Das mag ein Anhänger des modernen Regietheaters als kitschig bezeichnen. Freunden eines klassischen Ansatzes dürfte es jedoch gefallen. Musikalisch halten Montero und Daley das hohe Niveau des ersten Aufzuges. Mercedes Arcuri überzeugt als Waldvogel mit glockenklarem Sopran und sauberer Diktion.

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Der Wanderer (Thomas Hall) und Erda (Tatia Jibladze)

Im dritten Aufzug dominieren große weiße Stellwände die Bühne, auf die zunächst ein Wald projiziert wird, den der Wanderer auf der Suche nach Erda durchstreift. Wenn er die Urwala aufweckt, wird aus dem Schnürboden ein aus mehreren Rahmen bestehendes Gestell aus dem Schnürboden herabgelassen, was der Erda-Szene einen sehr abstrakten Charakter gibt. Erda kriecht aus dem Bühnenboden hervor und ist vom Schlaf noch so benommen, dass sie zunächst kaum stehen kann. Ihr weißes Gewand hat Risse bekommen, so wie ihr Wissen auch nicht mehr vollkommen ist. Tatia Jibladze begeistert als Erda mit dunklem Mezzo und eindringlichem Spiel. Wenn der Wanderer dann schließlich auf Siegfried trifft, wird der Wald erneut auf die Wände projiziert. Die Szene zwischen Daley und Hall entwickelt sich musikalisch und szenisch zu einem weiteren Höhepunkt des Abends. In einer ausgefeilten Personenregie kommt es zur Auseinandersetzung von Enkel und Großvater, aus der sich der Gott schließlich mit gebrochenem Speer geschlagen zurückzieht, während Siegfried sich voller Tatendrang auf den Walkürenfelsen begibt. Hier wird mit roten Netzen, die nun aus dem Schnürboden herabhängen das Feuer angedeutet, das den Felsen umgibt. Daleys Tenor verfügt auch in der Erweckungsszene noch über ausreichende Kraftreserven, so dass er mit der stimmlich noch frischen Brünnhilde gut mithalten kann.

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Siegfried (Bradley Daley) ist bei Brünnhilde (Kirsi Tiihonen) angekommen.

Kirsi Tiihonen wird als zunächst noch schlafende Brünnhilde auf einem Podest auf die Bühne gefahren. An den Wänden werden in einer Projektion noch einmal die Leichenkammern sichtbar, die bereits in der Walküre im letzten Akt verwendet wurden. Ansonsten hat sich in den knapp zwei Jahrzehnten, in denen Brünnhilde hier vom Feuer eingeschlossen geschlafen hat, doch einiges verändert. Dunkelrote Taue umgürten die Schlafende, die Siegfried mit seinem Schwert szenisch etwas linkisch lösen muss, bevor er die Maid wachküssen kann. Fritzsch lässt mit dem Philharmonischen Orchester den leuchtenden Moment des Erweckens zu einem musikalischen Höhepunkt avancieren. Tiihonen hat zwar gerade beim "Heil dir Sonne" noch etwas viel Vibrato in der Stimme, setzt ihren dramatischen Sopran aber ansonsten sehr diszipliniert ein und gestaltet die Partie absolut textverständlich. Was die Personenregie betrifft, merkt man lange Zeit nichts von der unbändigen Liebe der beiden zueinander. Karasek lässt Daley und Tiihonen selbst noch beim jubelnden "Leuchtende Liebe, lachender Tod" in großem Abstand zueinander stehen, bevor sie sich schließlich nach dem letzten Ton glücklich in die Arme fallen dürfen und verliebt zu Boden sinken. Aber das alles kann die Begeisterung des Publikums nicht beeinträchtigen. Mit großem Jubel werden die Solisten, das Orchester und auch das Regie-Team gefeiert, dem man wohl dankbar ist, dass sich das Konzept nach dem "ersten Tag" hier wieder dem "Vorabend" angenähert hat.

FAZIT

Intendant Daniel Karasek wählt im Siegfried wieder einen klassischeren Ansatz als in der Walküre und stößt damit beim Publikum auf große Begeisterung. Musikalisch beeindruckt die Aufführung durch hochkarätige Solisten und ein fulminantes Spiel des Philharmonischen Orchesters Kiel unter der Leitung des GMD Georg Fritzsch.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Georg Fritzsch

Regie
Daniel Karasek

Bühne
Chiaru Shiota

Kostüme
Claudia Spielmann

Lichtgestaltung
George Tellos

Video
Konrad Kästner

Großfiguren und
Choreographie Figurenspieler
Marc Schnittger

Dramaturgie
Cordula Engelbert

 

Philharmonisches
Orchester Kiel


Solisten

*Premierenbesetzung

Siegfried
Bradley Daley

Mime
*José Montero /
Michael Müller

Der Wanderer
Thomas Hall

Alberich
Ks. Jörg Sabrowski

Fafner
Timo Riihonen

Erda
Tatia Jibladze

Brünnhilde
Kirsi Tiihonen

Stimme des Waldvogels

*Mercedes Arcuri
Karola Sophia Schmid


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Kiel
(Homepage)




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