Nach 50 Jahren: Karajan darf's nochmal versuchen

Die Osterfestspiele in Salzburg feiern den 50. Jahrestag ihrer Gründung mit einer Re-Kreation von herbert von Karajans "Walküre".
| Robert Braunmüller
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Peter Seiffert als Siegmund und Michaela Kaune als Sieglinde.
Leo Neumayr / dpa Peter Seiffert als Siegmund und Michaela Kaune als Sieglinde.

Die Osterfestspiele in Salzburg feiern den 50. Jahrestag ihrer Gründung mit einer Re-Kreation von herbert von Karajans "Walküre".

Dass es nicht darum gehen würde, die Inszenierung von vor 50 Jahren nachzustellen, war nach ein paar Takten klar. Christian Thielemann ließ mit der Staatskapelle Dresden den Sturm losbrausen. Ein Mann mit Parka und Rucksack rettete sich ins Große Festspielhaus und warf sich auf die Pappwurzeln der bombastischen Esche im historischen Bühnenbild von Günther Schneider-Siemssen. Heutige Kostüme, die es im Theater anno 1967 schon gab, hätte Herbert von Karajan niemals auf der Bühne seines Luxusfestivals geduldet, das er als Dirigent, Regisseur und Primadonna assoluta bis zu seinem Tod im Juli 1989 allein regierte. Zum 50. Geburtstag der Osterfestspiele in Salzburg setzte sich das Regietheater heutiger Prägung zu ihm aufs Sofa, um einvernehmlich über Gott, die Welt und Richard Wagner zu plaudern.

Sieglinde lässt sich die dreckigen Stiefel putzen

Die Regisseurin Vera Nemirova brachte eine "Re-Kreation" in einem Nachbau des alten Bühnenbilds auf die Bühne. Sie inszenierte vor allem den ersten Aufzug küchen-realistisch: Der finstere Hunding (Georg Zeppenfeld) trinkt aus dem Flachmann, lässt sich von Sieglinde die dreckigen Stiefel putzen und greift ihr zwischen die Beine.

Im zweiten Aufzug bringt Wotan seiner Lieblingstochter ein Steckenpferd mit. Brünnhilde setzt sich zur Todverkündigung den klassischen Flügelhelm auf. Die beim Walkürenritt tot herumliegenden Helden formieren sich beim Feuerzauber zu einem Fackelzug.

Halbherzig wie eine so genannte Provinztheater-"Walküre"

Das alles bleibt so halbherzig wie jede Stadttheater-"Walküre". Bei Karajan trugen die Sänger stilisierte Kostüme und Perücken aus Schaumgummi. Der Kreis war als Symbol der Bühne allgegenwärtig - in den Ästen der Esche, den Podien des zweiten Aufzugs und dem aus runden Segmenten bestehenden Walkürenfelsen. Als Symbol für den "Ring des Nibelungen" war das auch schon 1967 reichlich platt. Schneider-Siemssens stilisierte Bühne erstrahlte damals (angeblich) im kosmischen Licht von Projektionen, an denen der Beleuchtungsfanatiker Karajan akribisch gearbeitet hatte.

Vera Nemirova und ihr Ausstatter Jens Kilian haben das weggelassen. Sie lieben es kahl. Aber sie haben immerhin im zweiten Aufzug für den Kreis eine sinnvolle Verwendung: Wenn Wotan und Fricka (Christa Mayer) über die Vergangenheit streiten, werden die Namen des "Ring"-Personals aufgemalt. Und das schadet nicht: Wenn nur der zweite Abend des Opernvierteilers gespielt wird, kann der unvorbereitete Festspielgenießer leicht durcheinanderkommen.

Wegen Karajan muss man nicht nach Salzburg

Schon vor 50 Jahren fuhr niemand wegen Karajans Regie nach Salzburg. Man wollte die Berliner Philharmoniker unter ihrem Chef mit Oper hören. Seit 2013 spielt die Staatskapelle Dresden zu Ostern in Salzburg. Sie ist ein wunderbares Wagner-Orchester. Wenn nicht gerade die Kontrabass-Tuba lärmt, begeistern wunderbare Bläser und ein warmer Streicherklang. Die Musiker verbinden das alte Ideal eines Mischklangs mit einer unglaublichen Transparenz - eine moderne "Re-Kreation" dessen, was Karajan vor einem halben Jahrhundert wollte. Thielemann muss als Wagner-Dirigent und Steigerungskünstler nicht eigens gelobt werden. Er hat bei aller Liebe zu den Feinheiten keine Angst vor dem großen Pathos. Manches, wie die Todverkündigung, nahm er arg detailverliebt. Bei "Der Augen leuchtendes Paar" brachen Vitalij Kowaljow die Töne weg. Der Dirigent, den alle Sänger als einfühlsamen Begleiter loben, wurde da noch langsamer und leiser. So macht man es noch schlimmer.

Kowaljow ist ein Bass, der an der Bayerischen Staatsoper in Verdi-Rollen wie dem Fiesco ("Simon Boccanegra") zu hören war. Seine Stimme wäre für die Rolle perfekt, aber sie ist zu klein für die Zorn-Szene im dritten Aufzug. Und die große Erzählung im zweiten müsste gestaltet werden.

Für Anja Harteros bleibt die Rolle ein Grenzfall

Auch vor 50 Jahren war die Sieglinde sehr lyrisch besetzt. Für Anja Harteros wird die Rolle ein Grenzfall bleiben wie damals für Gundula Janowitz. Peter Seiffert prunkte als Siegmund mit lang gehaltenen "Wälse"-Rufen und wohl erhaltenem Tenor-Metall. Christa Meyer sang die Fricka recht manieriert.

Aber neben manch halbem Herz auf der Bühne gab es ein Ereignis: Anja Kampe als Brünnhilde. Sie hat sich dem hochdramatischen Fach mit Bedacht genähert. Ihre Stimme ist reif für ein jugendlich-kraftvolles "Hojotoho". Und die viel schwieriger zu gestaltende Verzweiflung im letzten Akt rührt einen. Das schafft kaum eine Sängerin. Vor 50 Jahren wird das auch nicht besser gewesen sein.


Noch am 17. April, 17 Uhr im Großen Festspielhaus, ausverkauft. 3sat sendet am Karsamstag, 20.15 Uhr eine Aufzeichnung

Lesen Sie auch: Osterfestspiele Salzburg - Peter Ruczicka über die Re-Kreation von Karajans "Walküre"

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