Salzburg – Michael Sturminger übernimmt die Inszenierung in der kurzfristig anberaumten Neuversion des Jedermann der Salzburger Festspiele. Diese Überraschung sollte allerdings nicht die Aufmerksamkeit mindern, die der aktuellen Regiearbeit Sturmingers gebührt: Die Osterfestspiele wollen künftig jedes Jahr auch eine Kammeroper präsentieren. Und sie haben heuer mit Salvatore Sciarrinos Lohengrin begonnen, den also Sturminger inszenierte. Renate Martin und Andreas Donhauser haben einen Cinemascope-Guckkasten auf die Bühne der Großen Aula der Universität Salzburg gestellt und mit einem ehemals wohl luxuriösen Schlafzimmer – sogar mit Meerblick – ausgestattet. In dieses Setting zwischen Abbruchbude und Göttersitz – "Diese Hochzeitsvilla stinkt nach Massenmord", heißt es da – hat Sturminger die "Azione invisibile per solista, strumenti e voci" eingeschrieben.

Sciarrinos Lohengrin ist ein Dramolett für eine Sängerdarstellerin, für Elsa, deren Ehe gescheitert ist. Tat sie das letztlich an einem idiotischen Gelübde? Tat sie es vielleicht an unüberbrückbaren Differenzen? Die Grenzen zwischen Realität und Wahn verschwimmen in dem psychologischen Meisterstück.

Vom edlen, rätselhaften und herbeigesehnten Schwanenritter ist jedenfalls hier rein gar nichts geblieben, nicht mehr jedenfalls, als die Daunenfedern aus dem zerfetzten Kopfpolster. Es hat ja nicht gut begonnen: "Wir trauten uns, gefangen in Verlegenheit und Schweigen." Der Gemahl habe ihre "mageren Hüften" verabscheut und außer einigen Komplimenten, "die meinem Schwanenhals galten", nichts für sie übrig gehabt. Von Elsas strahlender Hoffnung ("Ich werde vergessen zu altern") ist nichts geblieben.

Komponist Salvatore Sciarrino scheint mit seinem Lohengrin viel weniger eine konkrete "Musik mit Gesang" komponiert zu haben. Er hat eher eine klingende Palette menschlicher Emotion geschaffen. Das Bühnenbild und die Szene, so subtil sie ausgefallen sind, wären eigentlich nicht nötig.

Das Girren der Tauben, die sich in die verfallende Villa verirrt haben, tropfendes Wasser, hallende Leere – all das stellen die Instrumentalisten und die Sängerin eigentlich anschaulichst vor Augen und Ohren.

Es ist also eine filigrane Musik, die man hört, Luft- und Atemgeräusche geben die Grundlautstärke des ganzen vor. Ein konkreter Flötenton wirkt da regelrecht schon wie eine Explosion, wobei die Stimmung tatsächlich explosiv ist. Sarah Maria Sun, stimmlich virtuos, bewegt zutiefst als eine verlassene Elsa, die im Wahn der Verzweiflung in den Dialog mit dem auf seinem Schwan abgedampften Geliebten tritt.

Das "österreichische ensemble für neue musik" brilliert mit Präzision und Feinsinn unter der Leitung von Peter Tilling. (Heidemarie Klabacher, 10.4.2017)