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Musiktheater
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Don Pasquale

Dramma buffo in drei Akten
Libretto von Giovanni Domenico Ruffini und vom Komponisten
nach dem Libretto von Angelo Anelli zu dem Dramma giocoso Ser Marcantonio (Paris 1808) von Stefano Pavesi
Musik von Gaetano Donizetti

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln 

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Koproduktion mit der Volksoper Wien

Premiere im Opernhaus Düsseldorf am 29. April 2017


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Rheinoper
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Mona Lisa meets Pop Art

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu

Rolando Villazón gehört nicht nur als Startenor seit vielen Jahren zu den Publikumslieblingen der internationalen Opernszene, sondern hat auch als Talkmaster, Cartoonist und Romanautor seine Vielseitigkeit unter Beweis gestellt. Erst vor wenigen Tagen ist sein zweiter Roman unter dem Titel Lebenskünstler auf Deutsch erschienen. Ähnlich wie sein Tenorkollege José Cura agiert Villazón nicht nur als Sänger, sondern ist seit 2011 auch als Regisseur tätig. Nach Inszenierungen in Lyon, Baden-Baden, Berlin und Wien stellt er nun an der Deutschen Oper Rhein seine sechste Regie-Arbeit vor und hat dafür eine brillante Komödie des 19. Jahrhunderts ausgewählt: Gaetano Donizettis Don Pasquale. Diese letzte komische Oper des "Vielschreibers" aus Bergamo greift mit dem aus der Commedia dell'arte bekannten Personal zwar einerseits die Form der Opera buffa wieder auf, verleiht aber andererseits in der musikalischen Gestaltung den Figuren mehr Tiefgang, als dies in den Typenkomödien des ausgehenden 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts der Fall ist. Anders als Donizettis dramatische Werke, die im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich von den Bühnen verschwanden und ihre Renaissance erst durch Künstlerpersönlichkeiten wie Maria Callas und Edita Gruberova erlebten, konnte sich Don Pasquale dauerhaft seit der Uraufführung im Repertoire halten.

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Don Pasquale (Lucio Gallo, rechts) will seinen Neffen Ernesto (Ioan Hotea, Mitte) enterben.

Die Handlung fußt auf einem Dramma giocoso von Stefano Pavesi, das unter dem Titel Ser Marcantonio nahezu 30 Jahre zu den erfolgreichsten komischen italienischen Opern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zählte und sich sogar gegen Rossini behaupten konnte (Rossini in Wildbad präsentierte dieses Werk 2011, siehe auch unsere Rezension). Don Pasquale möchte trotz seines fortgeschrittenen Alters noch einmal heiraten. Daher ist für seinen Neffe Ernesto, der sich als Schmarotzer bei dem wohlhabenden Onkel eingenistet hat, kein Platz mehr im Haus. Pasquales Arzt und "Freund", Dr. Malatesta, schmiedet einen Plan, um den alten Mann von seinen Heiratsabsichten abzubringen. Er überredet die junge Norina, die in Ernesto verliebt, aber genauso mittellos ist wie er, Pasquale eine sanftmütige und bescheidene Klosterschülerin vorzuspielen, die dieser vom Fleck weg heiraten will. Nachdem ein fingierter Ehevertrag aufgesetzt worden ist, macht sie Pasquale das Leben mit ihrer Verschwendungssucht zur Hölle, bis dieser schließlich bereit ist, alles zu tun, um sie wieder loszuwerden. So gibt er schließlich auch die Zustimmung, die junge Frau mit seinem Neffen zu verheiraten und offeriert beiden eine großzügige Rente.

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Fingierte Hochzeit: Doktor Malatesta (hier: Dmitry Vargin, rechts) präsentiert Don Pasquale (Lucio Gallo, links) Norina (Elena Sancho Pereg) als seine schüchterne Schwester Sofronia.

Die Moral der Geschichte, die Don Pasquale am Ende der Oper selbst mit den Worten zusammenfasst, dass alte Männer nicht um junge Frauen freien sollen, da dies nur Ärger bringe, ist in der heutigen Zeit eigentlich nur noch schwer zu vermitteln, da in unserer modernen Gesellschaft die Verbindung eines gereiften Mannes mit einer um viele Jahre jüngeren Frau längst nichts Ungewöhnliches mehr ist. Von daher geht es Villazón nicht darum, die Titelfigur als lächerlichen alten Gecken auf die Bühne zu stellen, sondern in seinem Ansinnen durchaus ernst zu nehmen. Wenn aber die Liebe in der heutigen Zeit Altersunterschiede nicht mehr als Hindernis betrachtet, muss es etwas anderes geben, was einen unüberwindbaren Konflikt darstellt. Villazón hat sich für das Verständnis von Kunst entschieden. Während Don Pasquale die Antike und die Klassik verehrt und sein ganzes Haus mit berühmten Werken wie der "Mona Lisa" ausstaffiert, stehen sein Neffe Ernesto und Norina eher für die moderne Kunst. So sieht sich Ernesto als Graffiti-Künstler, während sich Norina mit Größen der Pop-Art-Bewegung umgibt. Don Pasquales Problem besteht nach der fingierten Ehe folglich nicht nur darin, dass sie sein Vermögen für neue Kunstgegenstände verprasst, sondern dass diese Werke auch überhaupt nicht seinem Kunstverständnis entsprechen.

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Norina (Elena Sancho Pereg) macht Don Pasquale (Lucio Gallo) das Eheleben zur Hölle.

Diesen Ansatz umrahmt er mit einer Art Slapstick-Komödie, in der ein Dieb (Susanne Preissler) versucht, eine Venus von Milo, die Don Pasquale zu Beginn des Stückes für seine Kunstsammlung erwirbt, zu stehlen. Schon während der Ouvertüre schleicht sich der Dieb als schwarz vermummte Gestalt in den Lagerraum vor der Bühne, wohin die Venus geliefert worden ist, schafft es aber nicht, die Statue zu stehlen, obwohl die Verwalterin der Kunstgegenstände den eigens abgestellten Wachposten immer wieder mit ihren weiblichen Reizen von seiner Arbeit ablenkt. Auch als die Statue schließlich in Don Pasquales Atelier landet, hält der Dieb auf die kuriosesten Weisen an seinem Vorhaben fest. Da steigt der Dieb mal durchs Fenster ein, dann lässt er sich an einer Schnur aus dem Schnürboden herab oder hängt akrobatisch an einem weißen Tuch. Der Ablauf ist hierbei herrlich komödiantisch choreographiert. Wenn der Dieb dann am Ende der Oper gefasst wird, stellt sich heraus, dass es sich um eine wunderschöne Blondine handelt, die Don Pasquales Herz direkt wieder höher schlagen lässt und ja scheinbar das gleiche Kunstverständnis wie Don Pasquale selbst hat. Somit geht er am Ende auch nicht leer aus.

Neben dieser großartigen Inszenierung, die vom Publikum mit stehenden Ovationen gefeiert wird, entfachen auch die Solisten ein musikalisches Feuerwerk. Dabei mögen die Nerven des Teams zwei Tage vor der Premiere noch absolut blank gelegen haben, als am Abend klar wurde, dass Ensemble-Mitglied Dmitry Vargin aufgrund einer Erkrankung für die Premiere ausfiel. Ein neuer Doktor Malatesta musste her. Aber wie es der Zufall wollte, machte Mario Cassi gerade am Düsseldorfer Flughafen einen Zwischenstopp zwischen Berlin und Florenz und konnte überzeugt werden, den Aufenthalt in Düsseldorf um einige Tage zu verlängern. Innerhalb eines Tages wurde er von Villazón in die Inszenierung eingearbeitet und meisterte die Partie auch szenisch mit Bravour. Stimmlich ist er als Bariton unter anderem auf komische Buffo-Partien spezialisiert und begeistert das Publikum mit einem beweglichen und dabei kräftigen Parlando-Ton. Zu einem musikalischen Höhepunkt avanciert das große Duett im dritten Akt mit Lucio Gallo in der Titelpartie, "Cheti, cheti immantinente", in dem die beiden planen, Norina / Sofronia der Treulosigkeit zu überführen. Mit welcher Präzision die beiden die rasenden Tempi in den Parlando-Stellen beherrschen und mit dem Orchester absolut im Einklang sind, ist erstklassig und löst beim Publikum einen Orkan der Begeisterung aus. Doch Villazón lässt sich auch szenisch für dieses Duett noch etwas einfallen. Der mittlerweile schon etwas frustrierte Dieb verkleidet sich als Nana und hüpft im Takt der Musik mit der Venus-Statue, die mittlerweile in zwei Teile zerbrochen ist, von der Bühne.

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Happy End: Don Pasquale (Lucio Gallo, Mitte) gibt Norina (Elena Sancho Pereg) für seinen Neffen Ernesto (Ioan Hotea, rechts) frei (im Hintergrund: Chor als Mona Lisa und Andy Warhol).

Lucio Gallo ist stimmlich und darstellerisch ebenfalls eine Idealbesetzung für die Titelpartie. Mit großartiger Komik spielt er die kleinen Zipperlein des alternden Mannes aus und macht dabei absolut glaubhaft, dass eine schöne junge Frau wie zu Beginn Norina und am Ende die reizende Diebin sein Herz immer noch in Wallung bringen. Sein Bariton besitzt in den Tiefen markantes Volumen und absolute Beweglichkeit in den schnellen Läufen. Mit Elena Sancho Pereg hat man in Düsseldorf eine Norina am Haus, die nicht nur bezaubernd aussieht und es grandios versteht, mit kokettem Spiel die Männer um den Finger zu wickeln, sondern auch über einen strahlend leuchtenden Sopran verfügt. Bereits in ihrer Auftrittsarie "Quel guardo il cavaliere..." lässt sie die Koloraturen nur so sprudeln. Mit großer Komik vollzieht sie dann darstellerisch einen Wechsel von der scheinbar schüchternen Frau zur wilden Furie, die Don Pasquale das Leben zur Hölle macht. Eindringlich gelingt ihr dann die Szene im dritten Akt, nachdem sie selbst das Gefühl hat, mit ihrem Verhalten Don Pasquale gegenüber ein bisschen zu weit gegangen zu sein. Ioan Hotea stattet Ernesto mit jugendlichem Tenor und leuchtenden Höhen aus, die eine enorme Strahlkraft besitzen, ohne dass Hotea dabei forcieren muss. Der von Gerhard Michalski einstudierte Chor weiß ebenfalls musikalisch und darstellerisch zu überzeugen. Witzig ist das Schlussbild, wenn die Chordamen als Mona Lisa an der Seite der Chorherren als Andy Warhol die Brücke zwischen Klassik und Moderne schlagen.

Nicholas Carter arbeitet mit den Düsseldorfer Symphonikern die sprühende Komik der Musik differenziert heraus und rundet den Abend mit einem frischen und leichtfüßig wirkenden Klang formvollendet ab, so dass es am Ende für alle Beteiligten frenetischen Jubel gibt.

FAZIT

Rolando Villazón beweist, dass er nicht nur singen kann, sondern auch als Regisseur in der Lage ist, Komödie auf den Punkt genau mit witzigen Einfällen umzusetzen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Nicholas Carter

Inszenierung
Rolando Villazón

Bühne
Johannes Leiacker

Kostüme
Thibault Vancraenenbroeck

Licht
Davy Cunningham

Chorleitung
Gerhard Michalski

Dramaturgie
Hella Bartnig

 

Chor der Deutschen Oper am Rhein

Statisterie der Deutschen Oper am Rhein

Düsseldorfer Symphoniker


Solisten

*Premierenbesetzung

Don Pasquale
*Lucio Gallo /
Thorsten Grümbel 

Doktor Malatesta
Dmitry Vargin /
*Mario Cassi

Ernesto
Ioan Hotea

Norina
Elena Sancho Pereg

Notar
Daniel Djambazian

Akrobat
Susanne Preissler

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper am Rhein
(Homepage)



Da capo al Fine

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