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Musiktheater
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Genoveva

Oper in vier Akten
Robert Schumann und Robert Reinick nach Friedrich Hebel und Ludwig Tieck
Musik von Robert Schumann


In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere am 29. April 2017 am Nationaltheater Mannheim



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Nationaltheater Mannheim
(Homepage)
Grauen mit Hirschkuh

Von Joachim Lange / Fotos von Hans Jörg Michel


Robert Schumanns (1810-1856) einzige Oper Genoveva hat es schwer auf den Opernbühnen. Die Uraufführung 1850 war ein veritabler Misserfolg. Zu sehr liedert sich der Komponist romantisch an der Intrige entlang. Aber man kann dieser Musik verfallen. Die ist nämlich ziemlich verführerisch. Reiht einen Hit an den anderen.

Für die Bühne braucht dieses Stiefkind des Repertoirebetriebes jedoch Regisseure, die sich dem romantischen Pathos stellen, das Potenzial erkennen und dafür eine ästhetische Form finden. So wie vor Jahren Jochen Biganzoli in Zwickau oder Martin Kusej in Zürich. Achim Freyers Leipziger Variante zählt da nicht ganz mit, weil er, wie immer, einfach seinen eigenen Kosmos über die Geschichte stülpte. Zwar kann niemand deren musik-dramaturgische Schwächen überbrücken, aber wenn ein Dirigent es versteht, die Musik im Graben zum Leuchten zu bringen und obendrein die richtigen Sänger beisammen sind, dann kann auch diese Oper als Ganzes durchaus ihren Reiz entfalten und das eher auf Spätromantik getrimmte Publikum packen. Genau das ist jetzt dem Dirigenten Alexander Soddy mit dem Orchester des Nationaltheaters und Regisseurin Yona Kim in Mannheim gelungen.

Foto kommt später Das Unheil lauert hinter der Fassade.Siegfried zieht ins Feld.

Die Handlung ist ein Intrigenplot der simplen und besonders fiesen Art. Bei dem, wie meistens, die Frau - in dem Falle die Titelheldin - die Zeche bezahlt. Zu Beginn macht sich ihr Ehemann, Pfalzgraf Siegfried, als Kreuzritter auf den Weg in die Schlacht für seinen Herrgott. Er beauftragt Golo mit dem Schutz seiner jungen, abgöttisch geliebten Ehefrau Genoveva. ("Du bist ein deutsches Weib, so klage nicht!" ) Damit macht er unbewusst den Bock zum Gärtner. Denn der nicht so ganz zur Sippe gehörende Ziehsohn, den die Amme Margaretha aufgezogen (und verdorben) hat, ist schon lange selbst scharf auf Genoveva. Er nutzt die erste Gelegenheit, die sich bietet, als die vom Abschiedsschmerz Überwältigte zusammenbricht, um ihr einen Kuss zur rauben, ohne dass sie es mitbekommt. Margaretha, die mit der ganzen Gesellschaft eh noch eine Rechnung offen hat, stachelt ihn an, auf diesem Weg weiterzugehen. Sie weckt und nähert in ihm die Hoffnung, den Platz des Grafen ganz einnehmen zu können. Vom gemeinsam des Nachts gesungenen Lied "Wenn ich ein Vöglein wär" enthemmt, wird Golo zudringlich, so dass sich Genoveva in ihrer Verzweiflung auch mit dem Schmähwort "Bastard" zur Wehr setzt. Was Golo im Mark trifft. Von nun an ist er auf Rache aus. Er bezichtigt Genoveva genau des Ehebruchs, an dem er so gerne beteiligt gewesen wäre. Für Genoveva beginnt ein exemplarischer Leidensweg, den die Doppelmoral der patriarchalischen Männerwelt allemal für Frauen bereithält.

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Genoveva bleibt vereinsamt zurück.

Wobei der Spiegel, den die Romantik hier dem Mittelalter vorhält, auch heute noch brisante, eher verschleierte Bilder produziert. So wie der Zauberspiegel Margarethas, in dem sie Siegfried vorführt, was seine Frau während seiner Abwesenheit widerfahren ist, eine kühne technische Zukunftsahnung ist. Dass die so schwer Verleumdete und Gequälte nur mit knapper Not dem Tod entgeht, hat sie mehr der romantischen Vorliebe für den Sieg des Guten zu verdanken als der Logik der Handlung. Es liegt auf der Hand, das Happyend mit all seinen "Heil Siegfried" und "Heil Genoveva" Rufen als Wunschdenken zu entlarven. Das gelingt Yona Kim höchst eindrucksvoll. Die Welt ist eh' aus den Fugen und die gerade noch vor ihren Mördern gerettete Genoveva schwer traumatisiert. Sie hat Mühe allein zu gehen, bricht immer wieder zusammen, wo Siegfried in seinem mäßig besorgten Habitus schon wieder ganz auf ein Schwammdrüber und Es-ist-ja-noch-mal-gut-gegangen aus ist. Nichts ist gut gegangen. Golo sitzt in der Zwangsjacke am Klavier und ist ebenso der Welt abhanden gekommen wie Margaretha - auch sie ein personeller Kollateralschaden auf dem Weg zum allgemeinen Gotteslob.

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Genoveva in den Händen von zwei Mordbuben.

In der Mannheimer Inszenierung versucht Ausstatter Herbert Murauer den Brückenschlag zwischen der ungefähren Gegenwart und dem Bild der Romantik von der mittelalterlichen Geschichte. Die Bühne variiert in der Größe ihres Ausschnitts - sie kann gleichsam aufs Liedermaß für ein Klavier zusammen zoomen. Und zwischen hellem Raum und der dunklen Tiefe dahinter, aus der sich vornehmlich der Chor nähert, dessen Opportunismus im Nachplappern von Verleumdungen mit Wagners Lohengrin wetteifern kann. Schon durch das auf der Bühne postierte Klavier schwebt die Geschichte, für Assoziationen offen, zwischen dem selbst gefährdeten Komponisten und dem tiefen Fall, den eine missgünstige, von Fanatismus verblendete und von Obsessionen beherrschte Mitwelt dem Einzelnen antun kann.

Aus dem Protagonisten-Ensemble ragt die sehr eindringlich spielende und bestechend klar singende Astrid Kessler als Genoveva deutlich heraus. Evez Abdulla vermag dem Siegfried auch vokal jene stimmliche Entschiedenheit zu verpassen, die er mit seinem Machthabitus auch verkörpert. Leider lässt der Golo von Andreas Hermann den einschmeichelnden lyrischen Schmelz (gerade beim Lied-Duett mit Genoveva) vermissen, steigert sich aber im Laufe des Abends zunehmend. Auch die Margaretha von Maria Markina hätte man sich, bei aller aufgebotenen Entschiedenheit, manchmal noch energischer vorstellen können.

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Am Ende ist alles wieder gut, zumindest tut man so.

Wobei man zugeben muss, dass gerade bei Opern, die auf der Bühne so rar sind, die exzellenten Aufnahmen (etwa die unter Kurt Masur mit Dietrich Fischer-Dieskau, Peter Schreier, Edda Moser und Gisela Schröter) es den heutigen Sängern schwer machen, zu bestehen. Doch sei's drum - das Ensemble, das mit Bartosz Urbanowicz profundem Hidulfus, Thomas Beraus unter die Intrigenräder kommenden Drago und Valentin Anikin und Philipp Alexander Mehr als den beiden mörderischen Spießgesellen Balthasar und Caspar spielfreudig und angemessen komplettiert ist, überzeugt in einer geschlossenen Leistung. Zumal sich Alexander Soddy mit Geschmeidigkeit so auf den romantischen Schumannsound einlässt, dass es durchweg eine Freude ist.


FAZIT

Dem Nationaltheater Mannheim ist mit Schumanns Genoveva eine rundum sehens- und hörenswerte Ausgrabung gelungen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alexander Soddy

Inszenierung
Yona Kim

Bühne und Kostüme
Herbert Murauer

Licht
Reinhard Traub

Chor
Dani Juris

Dramaturgie
Albrecht Puhlmann
Cordula Demattio



Chor des
Nationaltheaters Mannheim

Orchester des
Nationaltheaters Mannheim


Solisten

Hidulfus
Bartosz Urbanowicz

Siegfried
Evez Abdulla

Genoveva
Astrid Kessler

Golo
Andreas Hermann

Margaretha
Maria Markina

Drago
Thomas Berau

Balthasar
Valentin Anikin

Caspar
Philipp Alexander Mehr



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Nationaltheater Mannheim
(Homepage)



Da capo al Fine

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