Premiere in der Bonner Oper Bonn feiert José Cura

Bonn · Emotionale Urgewalt: Der argentinische Startenor inszeniert Benjamin Brittens "Peter Grimes" in der Bonner Oper und singt auch die Titelpartie.

 Erscheinung: Der argentinische Sänger José Cura in einer Szene aus seiner Bonner Inszenierung des „Peter Grimes“.

Erscheinung: Der argentinische Sänger José Cura in einer Szene aus seiner Bonner Inszenierung des „Peter Grimes“.

Foto: Beu

Der Komponist Benjamin Britten war ein Mensch, der seiner Heimat ein Leben lang treu blieb. Geboren in Lowestoft in der englischen Grafschaft Suffolk bezog er als Erwachsener zusammen mit seinem Lebensgefährten Peter Pears ein Heim in dem kaum fünfzig Kilometer entfernten Küstenstädtchen Aldeburgh. 1948 gründeten sie dort die bis heute bestehenden Festspiele.

Für Reisende, die schon einmal dort waren, und die nun unter den Bonner Premierenbesuchern von José Curas packender Inszenierung des „Peter Grimes“ saßen, muss die Begegnung mit der Bühne ein Déja-vu-Erlebnis gewesen sein. Denn den kleinen Wachturm, der auf Aldeburghs steinigem Strand steht, hat Cura, der neben Regie und Bühne auch die Titelpartie verantwortet, für seine Bonner Produktion nachbilden lassen und auf die Bühne gestellt. Auch weitere Details hat er liebevoll entworfen, wie etwa Grimes' Fischerboot, dessen Original ebenfalls sein Vorbild in der englischen Küstenwirklichkeit findet.

Brittens „Peter Grimes“ ist ja tatsächlich vielfach mit Aldeburgh verknüpft. Hier stammt nicht zuletzt auch der Dichter George Crabbe her, aus dessen Verserzählung „The Borough“ Britten und sein Librettist Montagu Slater die Oper „Peter Grimes“ formten. Authentischer, als in Curas Bühnebild lässt sich das Milieu kaum schildern, wo die Geschichte des Fischers Kurs auf ihr tragisches Ende nimmt.

Dass die Fronten zwischen Grimes und seinen Mitbürgern klar sind, macht der Prolog deutlich. Vor der Bühne steht Peter Grimes, zu seinen Füßen liegt der Leichnam seines Lehrjungen. Dreimal wird Grimes Name von Bürgermeister Swallow gerufen, der mit anderen Bürger hinter dem Angeklagten als Schattenspiel auf einer transparenten Leinwand zu sehen ist. Der Fischer wird beschuldigt, den Tod des Lehrjungen verursacht zu haben. Am Ende der Anhörung ist ihm klar, dass sein Freispruch nichts am Urteil der Menschen ändern wird. Als er kurz darauf wieder einen Lehrjungen aufnimmt, wird das von den Mitbürgern misstrauisch beäugt. Man könnte den Tod des zweiten Lehrjungen später als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung sehen.

Nach dem vom Beethoven Orchester unter Leitung von Opernchefdirigent Jacques Lacombe mit Sinn fürs klangliche Raffinement und unter die Haut gehender emotionaler Intensität gespielten ersten Sea Interlude wird der Blick frei auf den Wachturm, der im Verlauf der Geschichte mit Hilfe der Drehbühne und wegklappbarer Wände multifunktional umgedeutet werden kann – als Aunties Kneipe, als Kirche oder Peters Hütte. Die düstere Atmosphäre der Oper trifft Cura sehr genau. Selbst wenn manches ein bisschen klischeehaft wirken mag, wie die vielen angeklebten Seemannsbärte etwa oder die Sherlock-Holmes-Verkleidung der „Hobby-Detektivin“ Mrs. Sedley. Darüber lässt sich jedoch locker hinwegsehen, weil Cura psychologisch genau arbeitet – bis hin zu den drei weiß gekleideten Knaben, die Grimes im Wahnsinn erscheinen und ihm Trost spenden.

Gut gelingen Cura auch die Massenszenen wie beim Fest in der Moot Hall, zu dem ein paar kostümierte Orchestermusiker auf der Bühne schwungvoll aufspielen, während der Bürgermeister sich an Aunties Nichten heranmacht. Mit der Moral der Moralisten ist es eben auch nicht sehr weit her.

Dass die Partie des Peter Grimes für Cura schon lange ein Traum gewesen ist, kann man nach diesem Abend verstehen. Er wirkt hier wie eine Urgewalt, bei dem Gesang und Darstellung eine packende Einheit bilden. Sowohl in den lyrischsten Momenten der Arie „Now the Great Bear and Pleiades“ wie auch in der Wahnsinnsszene im dritten Akt, in der er die ganze Seelenpein des Peter Grimes mit seiner Otello-gestählten Stimme hör- und spürbar macht. Grandios!

Die treu zu ihm haltende Ellen findet in Yannick-Muriel Noah eine berührende Interpretin, mit warmer, die melancholischen Nuancen der Partie auslotender Sopranstimme. Den alten Seebären Balstrode mimt Mark Morouse mit kräftigem Bariton (sein Sohn Jaydon ist in der stummen Rolle als zweiter Lehrjunge John mit von der Partie). Überhaupt hinterlässt das Ensemble an diesem Abend einen blendenden Eindruck, darunter Leonard Bernad (Swallow), Fabio Lesuisse (Ned Keene), Christian Georg (Bob Boles), Anjara I. Bartz (Mrs. Sedley), Cerie Williams (Auntie), Marie Heeschen und Rosemarie Weissgerber (Nichten), David Fischer (Pastor Adams) und viele mehr. Großes Lob gebührt dem Chor und dem Extrachor der Oper, die von Marco Medved großartig auf ihre anspruchsvollen Auftritte vorbereitet wurden. Das Premierenpublikum feierte alle Beteiligten mit großer Begeisterung und Standing Ovations.

Weitere Aufführungen: 10., 13., 26. Mai, 11., 22., 30 Juni, 8. und 15 Juli. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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