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Kritik - "Jesus Christ Superstar" in München Testosteron statt Flower Power

Die rockige Bibelstunde aus der Hippie-Zeit: Am 18. Mai hatte Andrew Lloyd Webbers Musical "Jesus Christ Superstar" in der Münchner Reithalle Premiere. Gärtnerplatz-Intendant Josef E. Köpplinger war für die Inszenierung verantwortlich. Laut ging es auf der Bühne zu, hart, schnell und aggressiv. Mit diesen Aposteln möchte man sich nicht anlegen.

Szenenbild aus "Jesus Christ Superstar" am Gärtnerplatztheater | Bildquelle: © Christian POGO Zach

Bildquelle: © Christian POGO Zach

"Jesus Christ Superstar" - Kritik zum Anhören

Von wegen Glaube, Liebe, Hoffnung! Diese Apostel sind eher Wutbürger, auf jeden Fall jung und rebellisch. Lieblingsfarbe: Schwarz. Der "Autonome Block" von Jerusalem sozusagen, die Streetfighter gegen Schlipsträger und Bereitschaftspolizei. Beim Letzten Abendmahl gibt es deshalb auch Dosen-Cola, Pappbecher, Fladenbrot und harte Drogen. Jedenfalls kippen die Apostel um. Eine sehr konsequente Inszenierung hat Regisseur und Intendant Josef Köpplinger da abgeliefert, ganz ohne Flower Power, ohne Blumen im Haar, ohne Sandalen, Nachthemd und Walle-Mähne, ohne Herzschmerz und ohne Gefühlsduseligkeit. Ganz schön kalt also, dieser gut zweistündige Abend, und ziemlich hart, schnell und laut.

Tattoos, Muckis und Fetischklamotten

"Jesus Christ Superstar" als aggressive Jugendrevolte, nicht als rockiges Passionsspiel oder karges Wüstendrama, wie im gleichnamigen Film, sondern als rasante Männerkiste in ziemlich queerer Optik. Mit anderen Worten: Diese Apostel lassen sexuell mit Sicherheit nichts aus, zeigen ihre Tattoos, ihre Muckis, ihre Fetischklamotten und ihre Leidenschaften. Und Herodes schwelgt dazu ausgelassen in Strass und Pailletten. Eine Riesen-Revolutions-Party, an der Judas allerdings irre wird. Ihm ist das Ganze zu viel Show und zu wenig Inhalt, wohl auch zu viel oberflächliche Erotik und zu wenig echte Liebe. Nicht auszuhalten auf jeden Fall.

Ohne Streicheleinheiten

Szenenbild aus "Jesus Christ Superstar" am Gärtnerplatztheater | Bildquelle: © Christian POGO Zach "Jesus Christ Superstar" - Szenenfoto | Bildquelle: © Christian POGO Zach

Josef E. Köpplinger hat das ganz frühe Andrew-Lloyd-Webber-Musical schon vor Jahren in Klagenfurt inszeniert, hat 2014 für eine konzertante Aufführung in München gesorgt und somit einige Erfahrung mit dem Stück. Souverän, unterhaltsam und temporeich wie immer wuchtete er die absolut zeitgemäße Bibelstunde in die Reithalle, einer etwas unwirtlichen Location im hässlichen, aber urbanen Teil von München-Schwabing. Choreographin Ricarda Regina Ludigkeit ließ die bösen Jungs und Mädels recht martialisch und kraftstrotzend auftreten, wie es sich für Rebellen gehört - von Streicheleinheiten und kostenlosen Kuschel-Momenten keine Spur. Ausstatter Rainer Sinell hatte eine weite Spielfläche entworfen, viel Platz also zum Testosteron ablassen, und davon haben diese Apostel eine ganze Menge - ihre Gegner allerdings auch, allen voran Herodes und Pontius Pilatus. Die Hohen Priester begaffen das Ganze aus erhöhter Position und wenden sich angewidert ab: Zu viel Wut, zu wenig Macht!

Sehen Sie hier mehr Bilder der Produktion.

Lärmiges und schepperndes Orchester

Das Regiekonzept geht also voll auf, das Dirigat von Jeff Frohner weniger. Womöglich lag es auch an der Lautsprecher-Anlage, jedenfalls war das Orchester durchgehend viel zu lärmig und scheppernd. Das machte sowohl Armin Kahl als Jesus, als auch David Jakobs in der Rolle des Judas schwer zu schaffen. Bettina Mönch als Maria Magdalena hatte mit ihren ruhigen Songs weniger Probleme. Schade, dass das Klangbild so blechern war. "Jesus Christ Superstar" war dennoch völlig zurecht schwer umjubelt, und das Beste: Am Mainfrankentheater in Würzburg läuft derzeit parallel eine ganz andere, ebenfalls hervorragende Inszenierung. Fans können also planen.

Mehr Informationen

"Jesus Christ Superstar"
Muiscal von Adrew Lloyd Webber
Reithalle München
Eine Produktion des Gärtnerplatztheaters

Premiere: 18. Mai 2017

Weitere Termine:
Samstag, 20. Mai 2017, 19.30 Uhr
Sonntag, 21. Mai 2017, 18.00 Uhr
Dienstag, 23. Mai 2017, 19.30 Uhr
Mittwoch, 24. Mai 2017, 19.30 Uhr
Freitag, 26. Mai 2017, 19.30 Uhr
Samstag, 27. Mai 2017, 19.30 Uhr
Montag, 29. Mai 2017, 19.30 Uhr
Dienstag, 30. Mai 2017, 19.30 Uhr
Donnerstag, 01. Juni 2017, 19.30 Uhr
Freitag, 02. Juni 2017, 19.30 Uhr
Samstag, 03. Juni 2017, 19.30 Uhr

Sendung: Allegro am 19. Mai 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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