„Tannhäuser“ in München :
Pornographie der Verwesung

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Das Opernballett der Bayerischen Staatsoper spannt die Bögen für ein Spiel, in dem Jagd und Liebe eines sind.
Kirill Petrenko und Klaus Florian Vogt wagen sich an der Staatsoper München erstmals an Richard Wagners „Tannhäuser“ – fast ohne Personenregie. Zu sehen gibt es Ausstattungstheater als Sieg der Ausstattung über das Theater.

Zum Schlussapplaus hat sich Elena Pankratova das kurze Schwarze angezogen, mit Silberfäden und Schulterschleier. Sie breitet die Arme aus und knickst. Es sollen ruhig alle sehen, wie hübsch sie ist. Der Regisseur Romeo Castellucci – vielleicht hasst sie ihn jetzt dafür mit Inbrunst – hat sie nämlich als Venus in Richard Wagners „Tannhäuser“ in der Patsche sitzenlassen. Die Patsche – igitt, Klaus Florian Vogt fasst das Zeug auch noch an! – ist rosa und scheint zu kleben. Pankratova sieht aus, als sei sie in die Abfälle einer Kaugummifabrik gefallen. Nun muss sie als Hubba-Bubba-Nilpferd gute Miene zum bösen Spiel machen und Wagner singen. Bis zur Brust in Pampe versackt. Da gibt’s nur eins: Augen zu und durch! Denn Pankratova ist eine begnadete Sängerin, ein vokaler Samtschlund voll Wärme, Innigkeit und Lockung. „Geliebter, wessen klagst du mich an?“, gurrt sie. Allein diese Emphase und das lange Decrescendo auf dem Höhepunkt würden doch ausreichen, ihrem Liebesflüchtling Tannhäuser die Knie weich werden zu lassen.

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