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Siegfrieds Traum

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Wunderliches Waldvöglein.
Wunderliches Waldvöglein. © Falk von Traubenberg

Der Karlsruher "Ring" geht dunkel, aber putzmunter weiter.

Der gemischte Karlsruher „Ring“ ist beim „Siegfried“ angekommen. Auf David Hermanns famoses „Rheingold“ und Yuval Sharons disparate „Walküre“ folgte nun eine Inszenierung des Isländers Thorleifur Örn Arnarsson. Bilderwucht und manchmal auch schiere Bilderoberfläche prägen seine Arbeit – regelmäßig etwa in Wiesbaden zu sehen –, beim „Ring“ dürfte die Karlsruher auch die Herkunft des Regisseurs angesprochen haben, die ihm eine besondere Brünnhilde-Kompetenz mitgibt.

Arnarssons Sinn für Bilderfluten kanalisiert sich diesmal in einem monumentalen Bühnenbild des lettischen Künstlers Vytautas Narbutas. Die Front eines ruinierten Barockschlösschens liegt im Halbdunkel. Mit einiger Liebe wurde ein schier unüberschaubares Gerümpel arrangiert, ein Theater-Fundus vergangener, weiß Gott größerer Tage. Manches ist im Laufe der Handlung nutzbringend. Wenn Siegfried nachher auf dem total verstimmten Klavier mit dem Waldvöglein parlieren will, schaut eine Wagner-Bühne, wie von ungefähr ausgeleuchtet, grimm auf den Helden. Es darf gelacht werden, und es wird gelacht.

Hier also hat sich Mime mit Siegfried einigermaßen häuslich eingerichtet und ihm – mit mütterlicher Lockenwickler-Perücke und Schürzchen, Kostüme: Sunneva Ása Weisshappel - quasi das Verkleiden beigebracht. Siegfried konzentriert sich auf Superhelden und achtet stets auf das richtige Outfit. Zwar schmiedet er sich texttreu sein Schwert, lässt es aber nachlässig in der Balustradendecke stecken, durch die er en passant den Wurm getötet hat – ein letztlich nicht optimal eingesetztes Fetzengerippe, aus dessen Knochenbögen Avtandil Kaspeli lugt. Das zur temporären Begleiterin aufgeschnepfte Waldvöglein, Uliana Alexyuk (mit verhältnismäßig schwerer Stimme, aber sie fliegt!), reicht für die Konfrontation mit Wotan diverse Waffen an. Schließlich bricht Siegfried es einfach übers Knie, das heißt die Lanze. Mime hat er zuvor vergiftet, schwer zu sagen, warum Arnarsson seinen Helden so ungern zustechen lassen will. Manchmal hat man den Eindruck, dass er (Siegfried) einfach versucht, die Geschichte ein Stück weit zu seiner eigenen zu machen. Irgendwie kommt er hier ja auch nicht weg. Erik Fenton ist ein relativ lyrischer, dabei ungemein standfester Tenor und auf den zweiten Blick auch ein interessanter Darsteller. Ein Trottel ist sein Siegfried nicht.

Die Begegnung mit Brünnhilde scheint vorerst die reinste Fantasterei zu sein. Es beginnt mit einem Coup, indem Siegfried die Rumpelbude wegschiebt (man kennt ihn halt an seiner Kraft). Aber dahinter ist kein Felsen, dahinter ist überhaupt nichts. Arnarsson lässt Siegfried stattdessen am Tisch träumen und singen und Heidi Melton in letzter Sekunde (bevor sie nämlich dringend anfangen muss zu singen) aus der Unterbühne fahren. Das ist großartig, auch wenn im Anschluss allgemeine Videobilder zum Themenfeld Zweisamkeit & Erotik dem stimmlich wackelfreien Duo zwar den ekstatischen Schlussgesang erleichtern, ihn aber auch verwässern. Arnarsson macht sich übrigens insgesamt einen Spaß daraus, die Auftritte von Zauberhand geschehen zu lassen.
Auch „Siegfried“ hat disparate Züge, ist freilich der uneinheitlichste Teil der Tetralogie. Auf das bisweilen filmische, vor allem gruselfilmnahe Erzählen Arnarssons kann man sich über weite, erstaunlich kurzweilige Strecken gut einlassen. Ideen lauern überall, und wenn es der (glänzende) Hornist ist, der im Clownskostüm aus der Standuhr schlüpft. Die schauspielerischen Leistungen sind beträchtlich: Matthias Wohlbrecht (ein greller, idealer Mime-Tenor) und Jaco Venter trumpfen als knotig gräuliche Zwerge auf. Die Erda-Szene mit der empfindsamen Katherine Tier ist umwerfend zärtlich. Wotan, Renatus Meszar, kontrolliert vorerst die Situation von einem Abhörkabuff aus. Nachher wird er von Siegfried gedemütigt wie selten ein Gott. Einiges ist halbgar, vieles würde man gerne weiter ausgebaut sehen.

Musikalisch setzt Justin Brown seine geschmackssichere Arbeit fort, bietet ein kerniges Äquvalent zum putzmunteren Abend. Ihm und den Sängern brauste Jubel entgegen. Für die Regie mischten sich Buhs unter.

Staatstheater Karlsruhe: 25. Juni, 2. Juli. www.staatstheater.karlsruhe.de

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