Daniel Jenz (Steuermann), Oliver Zwarg (Holländer), Taras Konoshchenko (Daland)

„Der fliegende Holländer“ einmal ganz anders
Würde der zukunftsorientierte Wagner auch buhen?

Dies war der Opernabend, an dem einem die Meinung der einmaligen Christa Ludwig in den Sinn kommt: Sie behauptet, selten Neuinszenierungen der Oper zu besuchen, weil beim heutigen modern gewordenen Regietheater nur noch die Musik den Komponisten ausweist.

Dieser Abend untermauert ihr Statement. Die Regisseurin Aniara Amos bringt einen Holländer auf die Bühne, wie man ihn so noch nicht erlebt hat. Oliver Zwarg als Holländer verkörpert in seinem Erscheinungsbild nicht den an seinen Schwur gebundenen, standhaften Seemann, wie er eigentlich konzipiert ist. Mit den wilden Haaren und Mascara-beschmierten Augen gleicht er eher einer Comicfigur als dem unglücklichen Seefahrer, der auf seine Erlösung durch eine liebende Frau hofft.

Hervorragend die Senta der Miina Liisa Värelä. Sie verfügt über ein überzeugendes Volumen bei einzigartiger Kopfstimme. Dass sie ständig gen Himmel fleht, ist schnell verbraucht. Nicht jeder Sänger geht mit der Regie konform, muss die Anweisungen aber ausüben, soll es nicht zum Eklat kommen, was durchaus schon passiert ist.

Miina-Liisa Värelä (Senta), Chor und Extrachor des Theater LübeckMiina-Liisa Värelä (Senta), Chor und Extrachor des Theater Lübeck

Leana Simonen verkörpert die Senta als Siebenjährige, Serafine Garbe als Vierzehnjährige. Die beiden Mädchen haben ihren Standort überwiegend in den beiden Badewannen auf der Bühne zugewiesen bekommen. Sie haben ihre Sache sehr gut im Griff. Ob man das von Daland (Taras Konoshchenko), dem Vater der Senta, behaupten kann, ist zweifelhaft. Seine Stimme scheint zeitweise überfordert, seine Mimik verführt zum Lachen. Andeutungsweise agiert er scheinbar als Fummler bei der Tochter. Heiko Börner als Jäger Erik. Er ist wohl der einzig glaubwürdige Mann in diesem Geschehen.

Daniel Jenz als Steuermann ist kostümmäßig so ausgestattet, dass man meinen könnte, er sei auf dem Wege zum Maskenball. Seine asymmetrisch angedeutete Jacke könnte manche Frau erfreuen. Zu Beginn der Vorstellung erscheint die Stimme ein wenig flach. Mary, Sentas Amme, ist mit der nicht enttäuschenden Wioletta Hebrowska besetzt. Keine große Rolle, aber sie macht was draus. Der Chor unter Jan-Michael Krüger singt und agiert hervorragend. Diese Aufgabe ist nicht mit anderen Inszenierungen vergleichbar. Ryusuke Numajiri am Pult. Dass Wagner kein Freund der leisen Töne war, kommt bei dieser Aufführung dem Dirigenten entgegen.

Haben Sie Senta als Galionsfigur erkannt? Wissen Sie, warum der Steuermann, der Holländer und Daland und auch der Chor Schrittpassagen wie in einem Musical ausüben? Nach langem Warten erscheint dann die Regisseurin, die ebenfalls für die Ausstattung verantwortlich zeichnet, auf der Bühne. Sie wird mit starken Buhrufen empfangen, die sie souverän weglächelt. Vielleicht glaubt, sie, dass Koryphäen oder Pseudo-Insider diese Regiearbeit erneut mit einem „Faust“ auszeichnen.

Fotos: (c) Olaf Malzahn

Helga Rottmann
Helga Rottmann
Immer wieder musste der Großvater dem Kind "Kennst Du das Land, wo die Zitronen blüh'n" aus "Mignon" vorsingen. Das zielte auf ein Gesangsstudium. Dennoch der Wechsel zur schreibenden Zunft. 15 Jahre Kultur-Redakteurin bei einem Lübecker Blatt. Schreibt seit 2012 für "unser Lübeck". Schwerpunktthemen: Oper, Operette, Musical, SHMF.

Kommentare  

# RE: „Der fliegende Holländer“ einmal ganz anders: Würde der zukunftsorientierte Wagner auch buhen?Rosthaufe (12.06.2017, 14:15)
Wagner würde Helga Rottmann als Abschreiberin ausbuhen. Wie immer langweilig und uninspiriert. Armes Lübeck!
[Kommentar von Redaktion abgeändert]
# RE: „Der fliegende Holländer“ einmal ganz anders: Würde der zukunftsorientierte Wagner auch buhen?Rothe (12.06.2017, 14:30)
Die Bemerkung mit dem "Faust"-Preis ist völlig absurd und entzieht sich jeglicher Objektivität. Wie man so etwas abdrucken kann, ist mir völlig schleierhaft. Einfach nur böse geschrieben. Tolles Niveau!
# HolländerClaus Brandt (12.06.2017, 14:52)
Sehr gute Kritik! Leider viel zu nett für so einen extrem schwachen Abend. 3 Sentas den ganzen Abend in zwei Badewannen, ein Holländer als Räuber Hotzenplotz, der nicht singen kann. Oliver Zwarg als Holländer, jeder größere Monolog in den Sand gesetzt, ganze Sätze werden verschluckt, die Stimmführung nicht vorhanden!
Die Inszenierung ein einziges Pseudo-Psycho-Gewabere, völlig losgelöst vom Libretto, mit diversen einfältigen Mätzchen.
Schade ums Eintrittsgeld!
[Kommentar von Redaktion abgeändert]
# HolländerWagner (13.06.2017, 00:02)
Eventuell sollte Frau Rottmann ab und an einfach mal kurz nachdenken, bevor ihre Finger solch eine altbackene und nutzlose Rezension schreiben. Denn sie hat eines leider gar nicht: das Stück verstanden.
[Kommentar von Redaktion geändert]
# HolländerKarl Wolfarth (15.06.2017, 21:54)
Die beste Meinung zu dieser Premiere hörte ich im 2. Rang:
"So ein Mist ! !"
Und das war eigentlich noch viel zu harmlos: Warum muss man Wagner durchgehend nur laut und ohne jedes Einfühlungs-Vermögen dirigieren ??
Und weshalb meint jeder noch so unbedeutende Regisseur, die Geschichte in seinem Sinne umdeuten zu müssen: Als ob Wagner nicht wusste, was er komponiert hat ?
Schade um diesen unnötigen, verkorksten Abend.
# Fliegender Holländer LübeckFlorian Steinhoff (13.06.2017, 10:48)
In dieser Inszenierung konnte man eindrücklich die Rolle der missbrauchten Frau in Wagners Oper erfahren - Miina-Liisa Värelä war anrührend, erschütternd und einfach nur großartig! Wirklich ein Holländer "wie man ihn noch nicht erlebt hat" - wie Frau Rottmann schreibt. Schade, dass sie keinen Denk-Versuch unternimmt, Senta als Galionsfigur zu erklären, die choreographierten Schritte auf Wagners Tanzmusik zu erkennen, aber bezeichnend, dass der Chor von ihr gelobt wird, der an manchen Stellen leider arg ins Wackeln geriet... Den symbolisch klar gesetzten Kindesmissbrauch von Senta durch ihren Vater in der Kritik dann dadurch zu spiegeln, dass Daland "scheinbar als Fummler bei der Tochter" klassifiziert wird, macht nur deutlich, auf welch' niedrigem Niveau hier ein verstörend sinnlicher Abend in Sprache umgesetzt wird...
# Wagner und die leisen TöneManfred Johannsen (26.06.2017, 13:42)
Wagner war sehr wohl ein Freund auch der sehr leisen Töne, man höre nur mal bei der (eigentlichen) Erstbegegnung Senta-Holländer im 2. Akt hin. Ganz im musikdramatischen Sinne. Drama ist keinesfalls gleich laut. Diese Überlegung hätte der musikalischen Interpretation durchaus gutgetan. Im Übrigen fällt es mir schwer, die Kritik an Daniel Jenz - was für ein Luxus-Steuermann! - und Taras Konoshchenko nachzuvollziehen. Beide haben m.E. eine überragende sängerische Leistung abgeliefert. Schade, dass die Anlage der Rollen und damit auch die absurde Kostümierung davon ablenkte. Anscheinend ja erfolgreich.

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