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Carl Maria von Weber:„Oberon, König der Elfen“ . Musikalische Leitung: Ivor Bolton, Inszenierung: Nikolaus Habjan. Premiere am 21. Juli 2017. Foto: Wilfried Hösl
Carl Maria von Weber:„Oberon, König der Elfen“ . Musikalische Leitung: Ivor Bolton, Inszenierung: Nikolaus Habjan. Premiere am 21. Juli 2017. Foto: Wilfried Hösl
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Rettungsversuch: Weber in der Psycho-Klinik – „Oberon“ bei den Münchner Opernfestspielen

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Dazu sind Festspiele da: Das besondere Werk am besonderen Ort auf besondere Weise. Das gilt grundsätzlich für Webers dramaturgisch bunte Mischung von Feen, Kalifentochter, Meermädchen, Ritter samt Knappen, Puck, Seeräubern, Titania und Oberon in einem Werk mit viel Sprechszenen, turbulenten Schauplatzwechseln und Aktionen. Das Münchner Prinzregententheater ist eher aufgrund seiner eingeschränkten Gegebenheiten „besonders“, vor allem aber der Puppen-Animator Nikolaus Habjan als Regisseur.

Unter „besonders“ ist auch zu verbuchen, dass Ivor Bolton ans Pult des Bayerischen Staatsorchesters zurückkehrte. Bei ihm ist Musizieren hör- und sichtbar Herzenssache und das tut der letzten Komposition des damals schon todkranken Weber sehr gut. Prompt breitete Bolton schon nach dem jubelnden Wirbel der Ouvertüre musikalisch zarte Delikatessen aus, ließ aber auch Telefonläuten und Besetzzeichen der Regie im Orchester tönen, macht die Klage-Arien zu anrührenden Höhepunkten und das Wunderhorn des Ritters Hüon tönte mal im Orchester, mal per szenischem Knopfdruck von der Bühnenmusik. Bolton führte die Sänger feinsinnig, ließ ihnen Atem und raffte dennoch alles immer wieder in Beschwingtheit – zu Recht ein Bravo-Sturm für ihn und das Staatsorchester.

Die besondere Vielfalt des Bühnenpersonals verlangt anderes als übliche Regie. So ist zwar der Weber-Zeitgenosse Theodor Hell als Übersetzer des englischen Originals ins Deutsche angegeben, doch der Verfasser etlicher, sehr heutiger Zwischentexte bleibt ungenannt. Vielleicht besser so, denn ein paar lediglich nette Kalauer waren noch zu belächeln, aber als dann Knappe Scherasmin nach einer platten Beischlafszene an seinem Hosenschlitz herumnestelnd kommentiert „Ich weiß nicht, wie’s zu geht“ – da war endgültig klar: für eine Festspiel-gemäße Textfassung wäre einzig „Monty-Python-Niveau“ angemessen: britisch trocken bissig, abgründig schräg, hinreißend grotesk. All das fehlte.

Denn da bleiben Oberon und Titania zerstritten, bis sich ein treues Liebespaar findet; dafür soll Ritter Hüon stehen, der die Kalifentochter Rezia aus Bagdad über Insel und Tanger bis zu Charlemagne führt, parallel dazu sein Knappe Scherasmin die reizende Fatima; dazwischen tummeln sich sprechend und singend Elfen, rachsüchtige Prinzen und Emire, Geister, Seeräuber, eine lebenskluge alte Amme samt Ehetrottel. Auf dem Papier las sich das Engagement von Puppenspieler Nikolaus Habjan und den exzellent sprechenden und agierenden Mitspielern Manuela Landsholm, Daniel Kamen und Sebastian Mock sehr gut. Doch nur die drei letzteren verdienten ihre „Bravi!“. Habjan verlegte mit Bühnenbildner Jakob Brossmann alles in eine hypermoderne Psycho-Klinik, wo vom banalen Patellar-Reflex übers EEG bis zum Elektro-Schock, später dann VR-Brille und eventuell auch einer Kokain-Spritze alles in kruder, kaum lustiger Mischung mit den vier Hauptpersonen veranstaltet wurde, um sie durch die ohnehin wilde Handlung zu jagen.

Der Klinikraum erwies sich bald als szenisches Korsett, das kaum Verzauberung oder abgründigen Witz ermöglichte. Der Oberarzt agierte auch als überlebensgroße Puppe Oberon, doch warum Julian Pregardien nach Oberons Abschiedsarie tot zusammenbrach, blieb Regie-Rätsel. Neben der fast schon wagnerianischen Primadonnen-Hysterikerin Rezia von Annette Dasch wirkte der ohnehin zehn Zentimeter kleinere Hüon von Brenden Gunnell eher wie eine ungewollte Ritter-Karikatur – trotz tapferen Tenor-Tönen in der anspruchsvollen Partie. So überzeugte Johannes Kammler mit Scheramins Bariton-Zugriff weit mehr – übertroffen noch von der pfiffig reizenden Fatima: Mezzosopranistin Rachael Wilson sang ihre klagende Ariette, aber dann auch alles Geplänkel mal so anrührend, mal so keck, dass sie als Star des Abends bejubelt wurde. Doch als Gesamteindruck kam die noch dreimal angesetzte Festspielpremiere nicht über die Bemühung hinaus: ein musikalisch in Teilen reizvolles, aber dramaturgisch-szenisch nicht zu rettendes Werk.

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