Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Mit «Oberon, König der Elfen» von Carl Maria von Weber hat Nikolaus Habjan seine erste Inszenierung für die Bayerische Staatsoper realisiert. Das Ergebnis ist sehenswert und entschädigt für musikalische Schwächen.

Marco Frei, München
Drucken
Julian Prégardien in der Titelrolle von Carl Maria von Webers romantischer Feenoper «Oberon, König der Elfen» an der Bayerischen Staatsoper. (Bild: PD)

Julian Prégardien in der Titelrolle von Carl Maria von Webers romantischer Feenoper «Oberon, König der Elfen» an der Bayerischen Staatsoper. (Bild: PD)

Auf der Opernbühne darf nur selten gelacht werden. Jedenfalls scheint manchen Kreisen nördlich der Alpen die «Leichtigkeit des Seins» eher unerträglich als befreiend. Das zeigte sich auch jetzt wieder, als im Rahmen der Münchner Opernfestspiele der Dreiakter «Oberon» von Carl Maria von Weber Premiere hatte: eine Koproduktion mit dem Theater an der Wien. Während sich das Publikum im Prinzregententheater über die Inszenierung von Nikolaus Habjan hörbar vergnügt und einhellig Beifall spendet, ganz ohne Buhrufe, rümpfen manche Kritiker die Nase.

Sinnliche Durchlässigkeit

Zu spielerisch und gauklerisch ist ihnen die Regie, auch zu «albern» oder zu «altbacken», womit nicht selten dasselbe gemeint ist. Nun stammt der 29-Jährige aus Österreich, überdies aus Graz, was eine gewisse «italophile Durchlässigkeit» erklärt. Und das ist gut so, denn: Seine liebevoll parodierende, überaus sinnliche und phantasievolle musikalische Regie hilft einem Werk auf die Sprünge, das einige Tücken und Schwächen hat. Im Gegensatz zu Webers Vorgängeroper «Euryanthe» ist «Oberon» kein durchkomponiertes Musikdrama, sondern rein formal eine vorromantische Nummernoper.

Gleichzeitig vereint das Werk unterschiedliche Bühnengattungen: von Märchen-Singspiel samt Ausflügen in die grosse Oper der Romantik über Revue und Melodram bis hin zur Schauspielmusik mit ausgeprägten Sprechdialogen. Der Grund für diesen Querstand ist auftragsbedingt. Für den Covent Garden in London komponiert und dort 1826 uraufgeführt, musste Weber künstlerisch auf ein Umfeld reagieren, das auf dem Gebiet der Oper nach Henry Purcell und Georg Friedrich Händel international den Anschluss verloren hatte.

Mit James Robinson Planché hat zudem ein führender Vertreter des viktorianischen Melodrams das Libretto erstellt. Eine dramaturgisch verbaute, überladende Mixtur ist herausgekommen, die auf dem «Oberon»-Epos von Christoph Martin Wieland fusst: gewürzt mit Motiven aus Shakespeares «Sommernachtstraum» und «Der Sturm». Mit dem Genre-Mix geht Habjan ausgesprochen virtuos um. Für seine Inszenierung hat die Ausstatterin Denise Heschl ein Puppen- und Maskentheater entworfen, das entfernt an Achim Freyer oder Claus Guth erinnert – allerdings humorvoller und agiler.

Als riesenhafte Puppe mit weissem Gewand und grossen, leuchtenden Händen präsentiert sich Oberon. Mit kleineren Handpuppen agieren die drei Pucks: hinreissend gesprochen und gespielt von Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen und Sebastian Mock. Dieses Puppen- und Maskentheater greift indes nicht nur den Genre-Mix im «Oberon» auf, sondern schlägt zugleich eine kluge Brücke zur Handlung. Alles dreht sich um den Elfenkönig Oberon, der seiner Frau Titania beweisen möchte, dass es Treue zwischen Mann und Frau geben kann.

Hierzu wählt er zwei Paare aus: den edlen Ritter Hüon von Bordeaux und Rezia, die Tochter des Kalifen von Bagdad, sowie Scherasim, der Knappe von Hüon, und Fatime, die Gespielin Rezias. Ähnlich wie in Mozarts «Zauberflöte» müssen die Unglücklichen einige Prüfungen überstehen, wobei die drei Pucks die Paare mit Rollenspielen und krisenreichen Situationen konfrontieren. Dafür entwirft Jakob Brossmann eine Szenerie, die ein Operationssaal sein könnte – oder die Schaltzentrale aus «Raumschiff Enterprise». Das alles inszeniert Habjan mit viel Tempo und Witz, auch mithilfe des nuancenreichen Lichtdesigns von Michael Bauer.

Dennoch konnte auch diese kurzweilige Inszenierung nicht ganz verhindern, dass an der Premiere manche Längen aufgekommen sind: Einige Dialoge könnten problemlos gestrafft oder ganz gestrichen werden. Das eigentliche Problem an der Premiere in München waren jedoch die musikalischen Leistungen. Unter der sehr direkten, bisweilen grobschlächtigen Leitung von Ivor Bolton, derzeit Chefdirigent am Sinfonieorchester Basel und Musikdirektor in Madrid, konnte das Bayerische Staatsorchester das vielfältige Profil dieser Musik nicht stilgerecht einfangen.

Wo Weber mit Janitscharen-Schlagwerk und Orientalismen dezente Akzente setzt, um märchenhafte Klanglichkeiten wirken zu lassen, polterte und bimmelte es penetrant. Auch der raffiniert auskomponierte Elfenspuk, eine Vorwegnahme von Felix Mendelssohn oder Albert Lortzing, sowie das mittelalterliche Ritterkolorit tönten recht ungelenk. Vor allem aber machte Bolton aus der Musik mehr eine heterogene Stilcollage, was sie keinesfalls ist. Auf kunstvolle Weise versteht es Weber, aus den unterschiedlichen Elementen ein homogenes, in sich geschlossenes Ganzes zu kreieren.

Entzauberte Poesie

So hatten es die Gesangssolisten schwer, ihre Partien ganz zu entfalten. An der Premiere wirkte der Tenor von Brenden Gunnell als Ritter Hüon stimmlich recht gepresst, etwas blass und glanzlos auch Annette Dasch als Rezia. Bleibende Höreindrücke schenkte vor allem der samtene Bariton von Johannes Kammler als Scherasmin, und mit Rachael Wilson stand ihm eine ebenbürtige Fatime zur Seite. Sonst aber war es der helle, klare Tenor von Julian Prégardien, der dem Oberon einen wunderbar lichten Lyrismus abrang: gesanglich allerdings nur eine kleine Partie. Umso gelungener die Inszenierung von Habjan: Sie markierte den schönen Abschluss einer Saison, die an der Bayerischen Staatsoper szenisch insgesamt dünn war.