Innsbrucker Festwochen : Neptun befiehlt ein Ketchup-Massaker
Da sitzt sie starr und stumm, die einsame Braut. Traurig blickt Penelope durch ihren weißen Schleier in die öde Männerrunde, die schlafend an der langen, festlich gedeckten Tafel lungert. Denn vom Bräutigam fehlt jede Spur. Der holzgetäfelte Saal einer Hafenkneipe, in dem der norwegische Regisseur Ole Anders Tandberg Claudio Monteverdis Oper „Il ritorno d’Ulisse in patria“ spielen lässt, eröffnet eine Fülle von Assoziationen: Was, wenn Odysseus/Ulisse gar nicht ausgezogen wäre in den Krieg? Was, wenn er bloß seine eigene Hochzeit schwänzte oder verlassen hätte? Wenn sich seine abenteuerliche Irrfahrt womöglich nur in seiner Phantasie zugetragen hätte? Ist Ulisse möglich nur ein Feigling, ein Angeber, der – wie später Henrik Ibsens Peer Gynt – mit lediglich geträumten Heldentaten prahlt? Jedenfalls ist er ein Schuft, der seine Ehefrau zwanzig Jahre lang warten lässt, bis er endlich zurückkehrt nach Ithaka, das im Tiroler Landestheater allerdings in ein steiles norwegisches Gestade verwandelt ist.