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Salzburger Festspiele: Siegeszug des "Ariodante" geht weiter

Nur zwei Aufführungen von Christof Loys tiefgreifender Händel-Deutung "Ariodante" bei den Salzburger Pfingstfestspielen wären viel zu schade gewesen, um schon wieder von der Bühne zu verschwinden. Und so faszinierte die Wiederaufnahme der Oper bei den Salzburger Festspielen mit Cecilia Bartoli in ihrer ersten Hosenrolle auch am Mittwoch im Haus für Mozart. 

Cecilia Bartoli in ihrer ersten Hosenrolle.
Cecilia Bartoli in ihrer ersten Hosenrolle.

Loys Inszenierung des barocken Werks ist ein Erfolgsrezept, das keiner Veränderung bedurfte, um ins Sommerprogramm übernommen zu werden. Eine kleine, nicht wenig auffällige Veränderung gibt es nun allerdings im Ensemble: Der Salzburgliebling und neue Mozartwochen-Intendant Rolando Villazon übernahm die Rolle des Ariodante-Bruders Lurcanio, den zu Pfingsten Norman Reinhardt gegeben hatte.

Loy inszeniert die Geschichte der Liebenden Ariodante und Ginevra (Kathryn Lewek), die kurz vor der Hochzeit in eine Intrige des neidischen Widersachers Polinesso geraten und diese fast mit dem Leben bezahlen, als Reflexion über Geschlechterrollen und -stereotype. Ariodante gleicht sich, ausgehend vom maskulinen Schwerthelden, immer mehr seiner Ginevra an, die am Ende in seinem Mantel und seinen Stiefeln neben ihm steht. Am Ende können die beiden Frauen ein Paar sein. Diese Verwandlung mag sehr den aktuellen Diskussionen zum Thema Gender entgegenkommen, wahre Liebe entscheidet schließlich nicht nach Geschlecht. Den Anstoß dazu gibt das Werk allerdings selbst, da die Titelpartie von Händel für den Kastraten Giovanni Carestini geschrieben wurde, während die des Polinesso eigentlich von einer Altistin gesungen wurde. In Salzburg übernimmt dies erneut der Countertenor Christophe Dumaux.

Die Inszenierung ist nicht nur ein Sprung zwischen Geschlechterrollen, sondern auch zwischen den Zeiten. Auf Grundlage eines typisch schlichten und überdimensionierten Loy-Szenenbildes mischen sich barocke Bühnenelemente mit weißen Wänden, modernen Anzügen und opulenten Gehröcken und Perücken. Auch die Tanzsequenzen als Abschluss jeden Aktes sind nicht gestrichen, sondern in die Handlung als Traumsequenzen oder Partygeschehen integriert. Dieser ungekürzte "Ariodante" gibt jedem noch so kleinen Bestandteil des Werkes Raum und verliert dabei nichts an Sinnhaftigkeit, noch gibt er dem Publikum das Gefühl einer ausladenden und in die Länge gezogenen Inszenierung. Loys ausdifferenzierte Charakterstudien lassen den viereinhalbstündigen Abend im Flug vergehen.

Dies ist natürlich auch dem entsprechend hochkarätigen Ensemble zu verdanken. Cecilia Bartoli allen voran. Schließlich hat sie die Titelpartie bewusst gewählt. Die Herausforderung Hosenrolle meistert sie - nichts anderes hatte man erwartet - brillant. Während schier unendlichen, anspruchsvollsten Koloraturen noch authentisch in den Zustand eines Betrunkenen fallen oder mit einer Zigarre im Mund singen, das sind für La Bartoli willkommene Kunststückchen, mit denen sie ihre Stärke als Sängerin und Darstellerin beweisen kann.

Dem steht die junge US-Amerikanerin Kathryn Lewek als Ginevra jedoch in nichts nach. Sowohl darstellerisch als auch stimmlich durchlebt sie eine tief berührende Reise von der mädchenhaften Königstochter zur verzweifelten Angeklagten. Christophe Dumaux als Polinesso jagt ihr mit eiskalter Berechenbarkeit und schneidenden Spitzentönen hinterher. Nathan Berg als König und Vater bringt unter all die Koloraturen eine kraftvolle wie zarte Standhaftigkeit, mit der er seine Rolle als Herrscher weiter unterstreicht. Rolando Villazon erweist sich als gut besetzter Nachfolger als Lurcanio. Vor allem in den komödiantischen Momenten der Inszenierung läuft der Mexikaner zur Höchstform auf. Die Französin Sandrine Piau als Dalinda gibt dazu ein dramatisches Charakterporträt, aus dem sich ihr aktueller Gemütszustand auch immer gut heraushören lässt.

Und um all die emotionalen und dramatischen Ausschweifungen nicht ausarten zu lassen, legt Gianluca Capuano mit den Les Musiciens du Prince eine schlichte, nicht weniger strahlende Orchestergrundlage, die vollwertig neben den Sängern besteht. Den tobenden Schlussapplaus mitsamt Bravo-Rufen haben sich damit alle redlich verdient.

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