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Rossini Opera Festival

Pesaro
10.08.2017 - 22.08.2017


La pietra del paragone

Melodramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Luigi Romanelli
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 20' (eine Pause)

Wiederaufnahme-Premiere in der Adriatic Arena in Pesaro am 11. August 2017 (Produktion von 2002)
(rezensierte Aufführung: 14.08.2017)


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Rossini Opera Festival

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Konversationsstück im Leben der Schönen und Reichen

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)

Rossinis Melodramma giocoso La pietra del paragone kann als Meilenstein in der noch jungen Karriere des Schwans von Pesaro betrachtet werden. Mit diesem Werk gab er 1812 im Alter von gerade mal 20 Jahren sein umjubeltes Debüt an der Mailänder Scala und reduzierte Pavesis ebenfalls für diese Spielzeit angesetzte komische Oper Ser Marcantonio auf ganze sechs Aufführungen, während La pietra del paragone allein in der ersten Saison 53 Mal gespielt wurde und auch in den Folgejahren große Erfolge in ganz Europa feiern konnte. Der Rossini-Biograph Stendhal geht sogar so weit, diese Oper als Rossinis Meisterwerk im komischen Genre zu bezeichnen. Dass das Werk auch im Rahmen der Rossini-Renaissance nur sehr selten auf den Spielplan steht, mag mehrere Gründe haben. Zum einen ist das Stück schwer zu besetzen, da Rossini es zwei außergewöhnlichen Sängern seiner Zeit, Maria Marcolini und Filippo Galli, in die Kehle geschrieben hat, die beide über einen außergewöhnlichen Stimmumfang verfügten. Marcolini war als Contralto in der Lage, stimmlich auch in den Bereich eines Soprans vorzudringen, und Galli verband die dunkle Tiefe eines Basses mit beweglichen Höhen eines Baritons. Zum anderen passiert in der Oper nicht wirklich etwas Bedeutendes, was einen Regisseur bei einer reinen Spieldauer von fast drei Stunden vor große Probleme stellen dürfte. Pier Luigi Pizzi hat sich 2002 in Pesaro dieser Aufgabe dennoch mit großem Erfolg gestellt, so dass die Produktion nun 15 Jahre später wieder aufgenommen wird.

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Wer wird das Rennen um die Gunst des Conte machen? (von links: Clarice (Aya Wakizono), Fulvia (Marina Monzó) und Aspasia (Aurora Faggioli), auf der rechten Seite von links: Pacuvio (Paolo Bordogna) und Macrobio (Davide Luciano))

Die Oper spielt in der Villa des Conte Asdrubale. Hier haben sich drei Witwen eingefunden, die alle an einer Verbindung mit dem Conte interessiert sind. Während es die Baronessa Aspasia und Donna Fulvia aber augenscheinlich nur auf Asdrubales Vermögen abgesehen haben, hegt die Marchesa Clarice echte Gefühle für den Conte. Zu allem Überfluss hat jede der Damen aber noch einen weiteren Verehrer. Der Cavalier Giocondo ist ein guter Freund des Conte und unsterblich in Clarice verliebt. Der Dichter Pacuvio möchte einerseits seine poetischen Ergüsse an den Mann bzw. an die Frau bringen und umgarnt Donna Fulvia. Macrobio ist ein schmieriger Journalist, der versucht, die Baronessa zu beeindrucken. Asdrubale will die Zuneigung der drei Frauen prüfen, und verkleidet sich als türkischer Händler, der einen Wechsel präsentiert, wonach der Conte ihm sechs Millionen schulde. Wenn der Wechsel nicht eingelöst werden könne, verliere Asdrubale seinen ganzen Besitz. Asdrubale bittet seine "Freunde" um Hilfe, doch nur Giocondo und Clarice stehen ihm bei. Giocondo bietet ihm an, ihn bei sich aufzunehmen, und Clarice will ihn auch ohne Vermögen heiraten. Dennoch kann sich Asdrubale noch nicht durchringen, Clarice zur Frau zu nehmen. Also plant Clarice eine weitere List. Nun tritt sie als ihr verschollener Zwillingsbruder Lucindo auf und verkündet, dass Clarice das Land verlassen müsse, weil sie nicht dem Willen des Bruders Folge leisten und Giocondo heiraten wolle. Daraufhin will Asdrubale sich verzweifelt das Leben nehmen. Von Asdrubales Gefühlen überwältigt, gibt sich Clarice zu erkennen, und einer Hochzeit der beiden steht nichts mehr im Weg.

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Missverständnis: Betrügt Clarice (Aya Wakizono, unten rechts), Asdrubale (Gianluca Margheri, unten links) mit Giocondo (Maxim Mironov, unten rechts)? Aspasia (Aurora Faggioli, oben) und Macrobio (Davide Luciano, oben) schauen amüsiert zu.

Pier Luigi Pizzi lässt die Oper in einer mondänen zweistöckigen Villa spielen, die von hohen Bäumen und Büschen flankiert wird. Eine umfangreiche Putzkolonne sorgt ständig dafür, dass hier alles glänzt. Vor dem Haus befindet sich ein riesiger Swimming-Pool, in dem die Sänger auch das eine oder andere Bad nehmen. Eine Wendeltreppe führt in die obere Etage, in der Clarice, Donna Fulvia und Asdrubale jeweils ein luxuriöses Zimmer bezogen haben. Fitness-Geräte, Sonnenschirme, Terrassen und eine opulente Ausstattung sorgen dafür, dass man den Eindruck bekommt, dass sich hier die Reichen und Schönen mit absoluten Belanglosigkeiten die Zeit vertreiben. Hier geht es nur um den äußeren Schein. So treten die drei Damen ständig in neuen Kostümen auf, die stets dem letzten modischen Schrei Rechnung zu tragen scheinen. Was die Herren anbelangt, ist Körper-Kult angesagt. So geizt Gianluca Margheri als Conte Asdrubale keineswegs mit Blicken auf seinen gut durchtrainierten Körper, was das Herz mancher Dame im Publikum höher schlagen lassen dürfte.

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Pacuvio (Paolo Bordogna) präsentiert Fulvia (Marino Monzó) sein neuestes Gedicht.

Aber Pizzi gelingt es nicht nur, die nicht vorhandene Handlung wunderbar zu bebildern, sondern findet auch für die szenische Umsetzung der Musik einen überzeugenden Zugang. Unterstützt wird er dabei von einem darstellerisch hervorragenden Sänger-Ensemble, das kurzweilig durch die über drei Stunden trägt. Da ist zunächst einmal der großartige Paolo Bordogna zu nennen, der als Dichter Pacuvio schräge und komische Akzente setzt. Schon in der Introduzione begeistert er mit überbordendem Spielwitz, wenn er gegen den Willen der Angestellten seine Gedichte zum Besten geben will und dafür mit seinem weiten Gewand, in dem er an eine Karikatur eines antiken Poeten erinnert, im Pool landet. Großartig gelingt ihm anschließend seine Arie "Ombretta sdegnosa" mit dem herrlichen Wortspiel "Misipipì", an deren Ende er mit Donna Fulvia Baden geht. Auch im zweiten Akt begeistert er als Angsthase, der für die Jagd völlig ungeeignet ist, und darüber verzweifelt, dass Fulvia sein Geheimnis über das vermeintliche Duell mit Giocondo zunächst an die Baronessa weitergegeben hat, die es dann wiederum dem Journalisten Macrobio erzählt hat, so dass er nun davon ausgehen kann, dass am nächsten Tag die ganze Stadt wissen wird, dass er das Duell nur erfunden hat. Marina Monzó begeistert als Fulvia mit leuchtendem Sopran und versucht Pacuvio im zweiten Akt in ihrer Arie "Pubblico fu l'oltraggio" mit beweglichen Koloraturen davon zu überzeugen, diese Offenbarung nicht so schwer zu nehmen.

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Glückliches Ende: von links: Fabrizio (William Corrò), Pacuvio (Paolo Bordogna), Fulvia (Marina Monzó), Clarice (Aya Wakizono), Asdrubale (Gianluca Margheri), Aspasia (Aurora Faggioli), Macrobio (Davide Luciano) und Giocondo (Maxim Mironov) mit dem Chor im Hintergrund

Aurora Faggioli punktet als Baronessa Aspasia mit sattem Mezzosopran und großartiger Mimik. Gemeinsam mit Monzó würde sie darstellerisch und stimmlich ein ideales Stiefschwesternpaar in La Cenerentola abgeben. Davide Luciano gestaltet den Macrobio mit dunklem Bass und großem Spielwitz. Einen musikalischen Höhepunkt stellt sein Duett mit Maxim Mironov als Giocondo zu Beginn des ersten Aktes dar, in dem die beiden Männer bei einem Tennis-Match darüber diskutieren, welche der Damen es denn wohl schaffen werde, Asdrubales Herz zu erobern. Auch seine Auseinandersetzungen mit Bordogna, in denen sie über die wahre Literatur streiten, haben musikalisch und szenisch großen Unterhaltungswert. Besondere Komik entfaltet er auch im Terzett mit Mironov und Gianluca Margheri als Conte Asdrubale, in dem ihn beide zum Duell herausfordern und darüber streiten, wer sich zuerst mit dem Journalisten duellieren darf. Wie scheinheilig er da fordert, gegen den Sieger der beiden zu kämpfen und dann aber sehr schnell kalte Füße bekommt, wird von Luciano mit großem Spielwitz umgesetzt.

Mironov legt den liebenden Cavalier Giocondo mit höhensicherem Tenor sehr schmachtend an. Man wundert sich, wieso sich Clarice bei Asdrubales Unentschlossenheit eigentlich nicht für den Cavalier entscheidet. Einen musikalischen Glanzpunkt setzt Mironov in seiner Bravour-Arie "Quell' alme pupille" im zweiten Akt, in der er Giocondos unerfüllte Liebe zu Clarice beklagt und dabei die Spitzentöne nicht nur sauber aussingt, sondern auch noch extrem lange mit tenoralem Glanz zu halten vermag. Damit reißt er das Publikum in der Adriatic Arena regelrecht von den Sitzen. Margheri meistert die Partie des Asdrubale mit beweglichem Bassbariton. Hervorzuheben sind seine Kavatine im ersten Akt "Se di certo io non sapessi", in der er mit seinen Gefühlen für Clarice hadert, und seine große Arie am Ende, in der er endlich seine Liebe zu Clarice offen bekennt. Als verkleideter türkischer Händler entfacht er ebenfalls große Komik. Aya Wakizono stattet die Partie der Clarice mit einer warmen Mittellage und sauberen Höhen aus. Einen weiteren musikalischen Höhepunkt stellt ihre Arie "Se per voi le care io torno" dar, in der sie als verkleideter Zwillingsbruder Lucindo auftritt und die Rossini aus seiner zuvor komponierten Oper L'equivoco stravagante übernommen hat. In den Duetten mit Margheri findet sie zu einer bewegenden Innigkeit.

Die Liste der musikalischen Glanznummern ließe sich noch beliebig fortsetzen, so dass es - ähnlich wie bei Rossinis letzter Oper in italienischer Sprache, Il viaggio a Reims - eigentlich gar nicht stört, dass es eigentlich keine richtige Handlung gibt und, so es eine gibt, sie durch lange Konversationen auf der Stelle tritt. Der von Giovanni Farina einstudierte Herrenchor des Teatro Ventidio Basso und das unter Daniele Rustioni frisch aufspielende Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai runden den Abend musikalisch hervorragend ab, so dass es für alle Beteiligten lang anhaltenden Applaus gibt.

FAZIT

Eine Oper kann auch Spaß machen, wenn sie keine richtige Handlung hat, vorausgesetzt, die Musik ist gut und der Regisseur findet einen passenden Zugang. Beides ist bei dieser Produktion im vollem Umfang erfüllt.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniele Rustioni

Regie, Bühne und Kostüme
Pier Luigi Pizzi

Licht
Vincenzo Raponi

Chorleitung
Giovanni Farina



Coro del Teatro Ventidio Basso

Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai


Solisten

Marchesa Clarice
Aya Wakizono

Baronessa Aspasia
Aurora Faggioli

Donna Fulvia
Marina Monzó

Conte Asdrubale
Gianluca Margheri

Cavalier Giocondo
Maxim Mironov

Macrobio
Davide Luciano

Pacuvio
Paolo Bordogna

Fabrizio
William Corrò

 


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