Die Opern des Belcanto werden in Salzburg neben den großen Verdiopern, den Strauss’schen Bühnenwerken und natürlich dem Mozartschwerpunkt oftmals etwas stiefmütterlich behandelt. Diesen Sommer hatte man allerdings die Gelegenheit eine Perle des Belcanto mit grandiosen Solisten zu hören.

Donizettis Lucrezia Borgia ist ein fixer Bestandteil des Repertoires und behandelt, wie in der italienischen Oper so häufig, ein etwas seltsames Beziehungsdreieck, das für jede Menge Probleme sorgt. Lucrezia Borgia, die verhasste schuldbeladene Attentäterin, ist mit dem Herzog Alfonso verheiratet, der nichts von ihrem Sohn Gennaro weiß. Auch dieser ahnt nicht, dass die von seinen Freunden gehasste Fürstin seine Mutter ist und lässt sich durch die mörderischen Erzählungen dieser ebenfalls zur Abscheu anstiften. Alfonso vermutet eine Affäre zwischen Gennaro und seiner Frau, wesswegen er diesen töten will. Dies gelingt ihm vorerst nicht, jedoch gerät Gennaro in ein Komplott der Borgia gegen seine Freunde. Lucrezia hat sie vergiftet, um sich für die erlittenen Beleidigungen zu rächen. Zu spät realisiert sie, dass ihr Sohn ebenfalls unter ihnen ist und will ihn dazu bringen, das Gegengift einzunehmen. Gennaro will allerdings mit seinen Freunden sterben. Lucrezia lüftet das Geheimnis seiner Identität und Gennaro stirbt schließlich im Schoße seiner Mutter. Diese verliert aus Verzweiflung ebenfalls das Bewusstsein und stirbt.

Das Protagonisten-Trio war mit Krassimira Stoyanova, Juan Diego Flórez und Ildar Abdrazakov überaus luxuriös besetzt und ließ kaum Wünsche offen. Stoyanova ist eine sehr verlässliche und noble Lucrezia mit schönem sattem Timbre und einer sehr emotionalen Darstellung. Zwar ist ihr lyrischer Sopran nicht wirklich ideal für den anspruchsvollen Koloraturpart, jedoch meisterte sie die vielen Koloraturen überraschend gut. Ihre Lucrezia war mehr einfühlsame Mutter als wütende Attentäterin, was schlussendlich gut aufging.

Juan Diego Flórez als Gennaro war ebenso ein herausragender Luxus. Seine kräftige, tragfähige und überaus helle Tenorstimme passt ideal zu Rollen wie diese und er gestaltete sie mit einem grandiosen Gefühl für Phrasierung und einer ausgezeichnet balancierten Stimme. Allerdings wirkte er mit seinen manierierten Bewegungen und seiner fast selbstverliebten Ausstrahlung oftmals arrogant, was den Gesamteindruck leider etwas trübte. Nichtsdestotrotz war seine musikalische Darbietung wahrlich auf Topniveau.

Als Alfonso debütierte der russische Bass Ildar Abdrazakov, der mit seinem gewaltigen dunklen Bass einen wahrhaftig bedrohlichen Eindruck vermittelte. Die schonungslose Rücksichtslosigkeit seines Charakters kam durch seinen spannungsgeladenen Vortrag perfekt zur Geltung. Besonders in seiner Szene mit Lucrezia nahm Abdrazakovs Bosheit nahezu sadistische Züge an und so fühlte man sich geradezu wie in einem Thriller.

Eine ganz besondere Überraschung war die Mezzosopranistin Teresa Iervolino als Maffio. Ihr satter, warmer Mezzosopran überzeugte mit sonoren Tiefen und einer sehr ausgeprägten Höhe, die sie mit eindrucksvollen Spitzentönen unter Beweis stellte. Frau Iervolino ist definitiv ein Name, den man sich merken sollte und der bestimmt in Zukunft öfter in Salzburg zu hören sein wird.

Das Mozarteumorchester unter Marco Armiliato gab eine solide Vorstellung. Etwas mehr Italianità hätte dem Abend nicht geschadet, aber Maestro Armiliato zeigte, dass er das Belcantorepertoire wahrscheinlich selbst im Schlaf dirigieren könnte. Das Orchester spielte mit etwas unterkühlter Leidenschaft, konnte aber mit feiner Präzision punkten.

Insgesamt ein schöner Abschluss eines spannenden Festspielsommers, der mit einigen ganz hervorragenden Vorstellungen auftrumpfen konnte. So etwa auch Lucrezia Borgia, die mit Standing Ovations gefeiert wurde.

****1