Wien – Man kann die griechische Mythologie als ein prall gefülltes Sammellager beschreiben, aus dem Autoren jahrhundertelang Stoffe für ihre literarischen Unternehmungen bezogen. Ein beliebtes Geschichtskleid war jenes der Ariadne auf Naxos; Hugo von Hofmannsthal etwa schneiderte es in eine aparte Kombination um, in der sich ernste und komische Erzählfäden mischen. Paolo Rolli und Nicola Porpora präsentierten den Fall der kretischen Königstochter anno 1733 noch in überwiegend tragischen Farbtönen.

Und die Töne, sie sind der Grund, weshalb man zu Porporas Arianna in Nasso in die Wiener Kammeroper pilgern sollte. Markellos Chryssicos animierte bei der Premiere das Bach Consort Wien im halbtiefen Orchestergräbchen zu beseelten, nuancierten Klangschilderungen. Mehr als ein Vergnügen war es auch, Anna Gillingham erleben zu dürfen. Das neue Mitglied des Jungen Ensembles des Theaters an der Wien gestaltete die Titelpartie mit einer Souveränität und Sinnlichkeit, einer Strahlkraft und Schmiegsamkeit, die verblüffte. Man muss kein Prophet sein, um der verführerisch timbrierten Sopranistin mit dramatischem Potenzial die Fähigkeiten zu einer internationalen Karriere zuzusprechen. Packend auch die darstellerische Bandbreite der jungen Britin.

Gast Ray Chenez konnte sich als Teseo mehr und mehr freisingen und mit seinem Countertenor zu satter Kraft finden. Dringlich, stahlhell der Sopran von Carolina Lippo (als Antiope), mächtig und weich der Bariton von Matteo Loi (Piritoo), nobel Anna Marshanias Onaro. Das Erscheinungsbild von Sergej Morozovs Inszenierung ist gegenwartsnah glatt und smart (Bühne: Ksenia Peretrushina), die Deutung des Russen – jede(r) ist spitz auf jede(n), Transgender-Bonustrack inklusive – ermüdet. Den Handlungsgang versteht man nur bedingt, ein im Programmheft erklärtes zentrales Thema der Inszenierung – digitale versus reale Welt – will sich nicht eröffnen. Buhs für die Regie, Begeisterung für die Musik. (sten, 29.9.2017)