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Kritik - Aribert Reimanns "L'Invisible" in Berlin Die Zumutungen des Todes

Von Anbeginn seiner Karriere hat sich der gebürtige Berliner Aribert Reimann als Opernkomponist profiliert. Dabei vertont er gerne Stoffe der Weltliteratur. Seinem neuesten Werk in diesem Genre liegen drei Kurzdramen des belgischen Symbolisten Maurice Maeterlinck zugrunde. Am 8. Oktober 2017 erlebte "L'Invisible" an der Deutschen Oper Berlin seine Uraufführung. Regisseur Vasily Barkhatov inszenierte einen faszinierenden Psychothriller, in dem viel angedeutet, aber nichts erklärt wird.

L'INVISIBLE von Aribert Reimann, Deutsche Oper Berlin, Uraufführung: 8.10.2017 | Bildquelle: © Bernd Uhlig

Bildquelle: © Bernd Uhlig

Die Kritik zum Anhören

Der Tod ist unbegreiflich und unfassbar, in Aribert Reimanns neunter Oper ist er auch unsichtbar. Dreimal schlägt er zu im Laufe der knapp neunzig Minuten an der Deutschen Oper Berlin. Zunächst stirbt eine Mutter im Kindbett, dann eine junge Selbstmörderin in einem Fluss, schließlich ein Kind, das von seiner Mutter in den Tod gelockt wird.

Ausgespuckte Interieurs

Maurice Maeterlincs drei Kurzdramen hat Reimann in "L'Invisible" durch Doppel- und Dreifachrollen miteinander verklammert. Der Abend beginnt mit einem Wispern im Orchester, nur die Streichinstrumente des Orchesters begleiten den ersten Teil "L'Intruse". Geheimnisvoll klagend entsteht eine bedrohliche Atmosphäre, die den ganzen Abend hindurch nicht aufgelöst wird. Die abweisende Hauswand des Bühnenbildners Zinovy Margolin gleitet zurück und gibt den Blick frei auf unwirtliche Innenräume, spuckt die Interieurs aus und verschluckt sie kurz darauf wieder. Die weiße Tischdecke des Esstischs wird zum Leichentuch. Der blinde Großvater, der als einziger das Herannahen des Todes bemerkt, wird von den Familienangehörigen umhergeschubst. Regisseur Vasily Barkhatov überhöht Maurice Maeterlincks symbolistischen Text mit surrealen Aktionen. Auch er erklärt nichts, deutet nur an, lässt das Geschehen im Ungefähren. Es wird nicht deutlich, warum das Mädchen im zweiten der drei Teile ins Wasser ging; Geheimnis und Tabu herrschen um diesen Sterbefall genauso wie im ersten Teil kein Familienmitglied über die sterbende Mutter sprach.

Ungewisse Reise

L'INVISIBLE von Aribert Reimann, Deutsche Oper Berlin, Uraufführung: 8.10.2017 | Bildquelle: © Bernd Uhlig Szenenbild aus der Inszenierung von Aribert Reimanns "L'Invisible" an der Deutschen Oper Berlin | Bildquelle: © Bernd Uhlig Aribert Reimann ist ein ungeheuer formbewusster Komponist. Für "L'Invisible" hat er nochmal eine neue Klangwelt gefunden, fernab der hysterischen Klangballungen von "Bernarda Albas Haus" oder den expressiven Explosionen seiner "Medea". Im ersten Teil erklingen nur die Streichinstrumente des großen Orchesters in den extremen Lagen, wie Reimann das gerne macht. Überraschend verhalten, lyrisch, lässt er den Zuhörer lange im Ungewissen, wohin die musikalische Reise gehen wird. Erinnerungsmotive, wiederkehrende Akkorde, betörende Gesangslinien, die doch nie an ihr Ziel kommen. Im zweiten Teil begleiten Holzbläser die Singstimmen, erst im dritten Teil kommen die Blechbläser dazu, klingt schließlich das gesamte Orchester, wenn der Junge Tintagil stirbt. Wo die Textvorlage sich am deutlichsten der Märchenwelt von "Pélleas et Mélisande" nähert, entfernt sich Aribert Reimann am weitesten von Claude Debussy, und Dirgent Donald Runnicles macht mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin die gesamte Orchestrierungsraffinesse der Partitur hörbar.

Überzeugende Solisten

Herausragende Solistin dieser Uraufführung ist die Sopranistin Rachel Harnisch in den drei Frauenrollen, auch die übrigen Ensemblemitglieder überzeugen, darunter Seth Carico als geschundener Vater. Ein geheimnisvoller Psychothriller über die Zumutungen des Todes ist Aribert Reimann und der Deutschen Oper in seiner Heimatstadt Berlin gelungen. Durch die Reduktion der künstlerischen Mittel gelang dem Komponisten ein faszinierendes Musiktheater, das vom Berliner Publikum begeistert gefeiert wurde.

Infos und Termine

Aribert Reimann:
"L'Invisible"

Trilogie lyrique nach Maurice Maeterlinck
Uraufführung am 8. Oktober 2017 an der Deutschen Oper Berlin

Weitere Termine:
Mittwoch, 18. Oktober 2017, 19.30 Uhr
Sonntag, 22. Oktober 2017, 18.00 Uhr
Mittwoch, 25. Oktober 2017, 19.30 Uhr
Dienstag, 31. Oktober 2017, 18.00 Uhr

Infos zu Tickets und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Opernhauses

Sendung: "Leporello" am 09. Oktober 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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