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L'Invisible

Trilogie lyrique
Libretto von Aribert Reimann nach Maurice Maeterlinck
Musik von Aribert Reimann

in französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 30' (keine Pause)

Uraufführung der Deutschen Oper Berlin am 8. Oktober 2017


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Deutsche Oper Berlin
(Homepage)
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Von Roberto Becker / Fotos: © Bettina Stöss

Zur Deutschen Oper Berlin hat Aribert Reimann eine ähnlich enge Beziehung wie zu den Opernhäusern in München und Wien. Nach München im Jahre 2000 mit "Bernarda Albas Haus" und mit "Medea" in Wien 2010 war jetzt mal wieder die Deutsche Oper in Berlin mit der Uraufführung eines Auftragswerkes an der Reihe. Die hätte auch zur Eröffnung der Lindenoper gute Figur gemacht. Aber Auftrag ist Auftrag.

Seine jüngste Trilogie lyrique, die gleichwohl wie ein Ganzes daherkommt, mit dem geheimnisvollen Titel L'Invisible, umweht eine Aura von Spätwerk. Für sein selbstverfasstes Libretto greift er dafür auf drei Texte von Maurice Maeterlinck zurück.

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Das Unsichtbare ist immer dabei

Reimann hat diesmal auf einen französischen Text komponiert - für den Intendanten Dietmar Schwarz und GMD Donald Runnicles war das natürlich kein Problem. Ebenso wenig für das Publikum. Für Reimann war es (nach eigener Aussage) eine Erleichterung auf dem Weg von der Vorlage zum Gesamtkunstwerk, das er in einem Rahmen von 90 Minuten gehalten hat. Im Vergleich zu vorangegangen Werken hört sich die neue Komposition geradezu poetisch zart an. Manchmal auch lakonisch. Die ersten beiden Teile beschränken sich sogar zunächst auf Streicher und dann auf Holzbläser. Im dritten und längsten Teil geht es dann wieder wie gewohnt expressiv zur Sache.

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Die Famile am Tisch; nebenan ringt die Mutter um ihr Leben

Das Unsichtbare, das dem Ganzen den Titel gibt, ist überall mit von der Partie und gibt die Atmosphäre vor, für die auch der junge russische Regisseur Vasily Barkhatov und sein Team (Bühne: Zinovy Margolin, Kostüme: Olga Shaishmelashvili) einen verblüffend triftigen Bühnenraum entworfen haben. Es ist eigentlich eine bewegliche Hausfassade, die verschiedene Einblicke erlaubt.

In der ersten Geschichte mit dem Untertitel L'Intruse (Der Eindringling) in die Wohnung einer Familie, in der die Mutter im Nebenzimmer auf dem Wochenbett um ihr Leben ringt. Hier spürt (nur) der blinde Großvater den für die anderen unsichtbaren Tod, der die junge Frau beim sehnlichst erwarteten ersten Schrei ihres Neugeborenen dann tatsächlich ereilt. Auch im zweiten Teil (Intérieur) geht es um einen Blick in die Welt einer offensichtlich glücklichen Familie. Die ist bei Weihnachtsvorbereitungen ganz bei sich, als sich ein Alter und ein Fremder mit der Nachricht nähern, dass die Tote, die der Fremde im Fluss entdeckt hat, eine Tochter des Hauses ist …

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Im Schloss der bösen Königin - Ritterspiele zur Ablenkung

Schließlich La mort de Tintagiles (Der Tod des Tintagiles). Diese dritte Episode erinnert besonders deutlich an die berühmteste Vertonung einer Maeterlinck-Vorlage durch Claude Debussy. Auch hier geht es wie in Pelléas et Mélisande um ein geheimnisvolles Schloss, in dem mehrere Generationen aufeinandertreffen. Diesmal ist die Unsichtbare die geheimnisvolle Königin, von der alle nur hören. Als sie ihren Enkel in ihr Schloss zitiert, finden die Schwestern des Jungen, dass diese "Einladung" lebensbedrohlich für ihn ist. Sie trauen der Oma offenbar das Schlimmste zu. Und das - wie sich zeigt - mit Recht. Übersetzt ist das Ganze in eine Krankenhaussituation, wo das Personal einen todkranken Jungen durch Ritterspiele aufzumuntern versucht. Geheimnisvoll angereichert ist das Ganze mit Schattenvideos von Robert Pflanz auf der Fassadenfront. Der Clou dieses Teils sind die drei Dienerinnen der alten Königin, die von den Countertenören Tim Severloh, Matthew Shaw und Martin Wölfel effektvoll in Szene gesetzt werden. Am Ende gibt es so etwas wie eine optisch vervielfältigte Katastrophe. Ein halbes Dutzend Knaben, die aussehen wie der Junge Tintagiles, kommen auf verschiedene Weise ums Leben. Unfall, Feuer, Krieg, Selbstmord - alles dabei. Ein optisches Crecsendo mit Ausfallschritt in die Erfahrungswelt jenseits von Maeterlincks symbolistischer Traumwelt.

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Katastrophen aller Arten

Aribert Reimanns subtiles Kreisen um die Unausweichlichkeit des Todes klingt gereift. Zwischen lakonisch und subtil bleibt die Musik in betonter Tuchfühlung mit den Figuren, die der Komponist mit dezidiert sängerfreundlichen Vokalpartien ausgestattet hat. Donald Runnicles ist dafür der rechte Anwalt am Pult des Orchesters der Deutschen Oper.

Der russische Regisseur folgt szenisch erfreulich instinktsicher der Balance zwischen Traum und Wirklichkeit, die Reimann in seinem eigenen Reich der Stimmen und atmosphärischen Klänge hält. Aus dem Ensemble ragt die in allen drei Teilen mitwirkende Rachel Harnisch heraus. Seth Carico ist zu Beginn der Vater, Stephen Bronk wandert durch alle drei Geschichten. Wie ein Seher alten Stils. Am Ende applaudiert ein zur Ergriffenheit bereites Publikum einem der bedeutendsten lebenden Komponisten des Landes.


FAZIT

Die Deutsche Oper Berlin glänzt zum Spielzeitauftakt mit einer rundherum gelungenen Uraufführung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Donald Runnicles

Inszenierung
Vasily Barkhatov

Bühne
Zinovy Margolin

Kostüme
Olga Shaishmelashvili

Video
Robert Pflanz

Licht
Ulrich Niepel

Chöre
Raymond Hughes

Dramaturgie
Sebastian Hanusa
Jörg Königsdorf



Das Orchester der
Deutschen Oper Berlin


Solisten

Ursula / Marie / Ygraine
Rachel Harnisch

Marthe / Bellangère
Annika Schlicht

Dienerin
Ronnita Miller

Der Vater
Seth Carico

Großvater / Der Alte / Aglovale
Stephen Bronk

Der Onkel / Der Fremde
Thomas Blondelle

Das Kind / Tintagiles
Gelimer Reuter / Salvador Macedo

Drei Dienerinnen der Königin
Tim Severloh
Matthew Shaw
Martin Wölfel






Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Deutschen Oper Berlin
(Homepage)



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