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Wexford Festival Opera
19.10.2017 - 05.11.2017


Dubliners

Zwei Operneinakter (Uraufführung)
Counterparts und The Boarding House aus Dubliners von James Joyce
Text adaptiert von Arthur Riordan
Musik von
Andrew Synnott

In englischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 15' (keine Pause)

Koproduktion mit der Opera Theatre Company

Uraufführung im Whites Hotel in Wexford am 20. Oktober 2017
(rezensierte Aufführung: 26.10.2017)



 

 

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Milieustudien aus Dublin

Von Thomas Molke / Fotos: © Ros Kavanagh

Neben den drei Hauptproduktionen des Wexford Festival Opera, die in jedem Jahr zahlreiche Besucher ins National Opera House nach Wexford locken, ergänzen an den Nachmittagen die so genannten "Short Works" mit einstündigen Kurzopern oder gekürzten Kammerfassungen gängiger Repertoire-Stücke seit vielen Jahren das Festival. In diesem Jahr gibt es sogar eine Uraufführung des 1970 geborenen irische Komponisten und Dirigenten Andrew Synnott. Unter dem Titel Dubliners hat er zwei Kurzgeschichten aus dem gleichnamigen Zyklus des irischen Schriftstellers James Joyce vertont, der vor allem durch seine Fabeln und den Roman Ulysses Weltruhm erlangte. Joyces Prosawerk Dubliners entstand zwischen 1904 und 1907 und gilt als Vorläufer seines späteren Romans Ulysses. In insgesamt 15 Kurzgeschichten, die allesamt in Dublin spielen, beschreibt Joyce die Welt des kleinen bis mittleren Bürgertums in der Stadt, mit der Joyce zeitlebens eine Hassliebe verband. So geht es in der Mehrzahl der Geschichten um den vergeblichen Versuch des Aufbruchs und die damit einhergehende Paralyse der irischen Gesellschaft. Synnott hat für seine Oper die siebte Erzählung, The Boarding House, und die neunte Geschichte, Counterparts, ausgewählt.

Der Abend beginnt mit Counterparts. Erzählt wird die Geschichte des erfolglosen Büroangestellten Farrington, der den Anforderungen seines Chefs, Mr Alleyne, nicht gerecht werden kann und daher seinen Frust häufig im Alkohol ertränkt. An diesem Tag wird er erneut wegen eines Fehlers vor der gesamten Belegschaft von Alleyne gedemütigt, gibt diesem jedoch auf die Frage, für wie dumm er seinen Chef eigentlich halte, eine schlagfertige Antwort, für die er sich beim anschließenden Kneipenbesuch von seinen Kollegen und Freunden feiern lässt. Doch der Triumph ist nur von kurzer Dauer. In der Kneipe trifft er auf den Akrobaten Weathers, dem die von Farrington angehimmelte Bedienung nicht nur mehr Aufmerksamkeit schenkt als ihm, sondern dem er auch noch beim anschließenden Armdrücken unterliegt. Frustriert kommt er nach Hause und lässt seine aufgestaute Wut an seinem kleinen Sohn Tom aus, indem er ihn brutal verprügelt, weil er das vorbereitete Abendessen noch nicht aufgewärmt hat.

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Counterparts: Farrington (Cormac Lawlor, vorne rechts) wird vor seinen Kollegen (auf der linken Seite: David Howes und Peter O'Donohue, auf der rechten Seite: Anna Jeffers) von seinem Vorgesetzten Mr Alleyne (Andrew Gavin, Mitte hinten) gedemütigt.

Das Regieteam um Annabelle Comyn hat für die drei kurzen Szenen ein zweckmäßiges Bühnenbild entwickelt, das mit kleinen Veränderungen die unterschiedlichen Stimmungen der Erzählung einfängt. Zu Beginn sitzen Farrington und seine Kollegen an vier Holzschreibtischen und gehen ihrer Arbeit nach, wobei das Tippen auf der Schreibmaschine nahezu ebenso komponiert wirkt wie das Spiel des vierköpfigen Streichorchesters. Der Komponist höchstpersönlich dirigiert nicht nur die Aufführung, sondern begleitet sie auch noch am Flügel, so dass man sicher sein kann, dass die Uraufführung musikalisch ganz im Sinne Synnotts stattfindet. Die weiß geflieste Wand im Hintergrund drückt die emotionale Kälte aus, die in diesem Büro vorherrscht. Für die Szene in der Kneipe wird ein Schreibtisch zu einem Kneipentisch umfunktioniert, an dem die Angestellten sich nach der Arbeit treffen. Musikalisch interessant ist, dass der Akrobat Weathers mit einem Mezzosopran besetzt ist. Dadurch wird die Demütigung für Farrington, wenn er Weathers im Armdrücken unterliegt, noch gesteigert. Die kurze Sequenz in Farringtons Haus wird durch eine gedämpfte Lichtstimmung eingefangen. Mit Stroboskoplicht werden die Schläge in ihrer Grausamkeit noch unterstrichen. Am Ende greift Farrington sogar zu einem Stuhl, um ihn über seinem Sohn zu zerschlagen. Tom bleibt leblos am Boden liegen. Ob er vielleicht sogar tot ist, bleibt offen.

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Noch ist die Stimmung im Pub ausgelassen: von links: Flynn (David Howes), Farrington (Cormac Lawlor), Higgins (Peter O'Donohue) und O'Halloran (Andrew Gavin).

Cormac Lawlor gestaltet die den Farrington als gebrochenen Charakter mit kräftigem Bariton. Die Demütigungen seiner Person steigern sich unaufhaltsam bis zum Ende des Stückes, wenn sie sich dann unverhältnismäßig über seinem Sohn entladen. Lawlor zeichnet diese Entwicklung mit glaubhaftem Spiel nach. Emma Nash schlüpft direkt in drei Rollen. Als Mrs Delacour wird sie von Farrington nur aus der Ferne angehimmelt. Als Barmaid scheint sie ihm schon erreichbarer. Doch sie weist ihn barsch zurück, weil sie sich von Weathers angezogen fühlt. Dass sie dann als sein Sohn Tom am Ende Farringtons Wut abbekommt, ist in gewisser Weise schlüssig, da sie auch die Demütigungen verkörpert, die Farrington am Tag erfahren hat. Alle drei Partien stattet Nash mit einem mädchenhaften Sopran aus. Anna Jeffers überzeugt als Weathers mit voluminösem Mezzo und durchschlagenden Höhen, die in starkem Kontrast zu ihrer virilen Kraft stehen, auch wenn sie eine gewaltige Stärke zum Ausdruck bringen. Andrew Gavin gibt mit höhensicherem Tenor einen unangenehmen Vorgesetzten Mr Alleyne, dem es schon fast ein Vergnügen zu bereiten scheint, seinen Angestellten Farrington niederzumachen. Seine Beschimpfungen werden sogar noch heftiger, wenn er die von ihm verehrte Mrs Delacour als Publikum hat.

Die zweite Geschichte, The Boarding House, handelt von einer Pension, in der eine geschäftstüchtige und skrupellose Wirtin reisenden Angestellten und Künstlern eine Unterkunft bietet und gleichzeitig ihrer Tochter Polly erlaubt, Zeit mit diesen Männern zu verbringen. So entwickelt sich eine zarte Romanze zwischen Polly und dem jungen erfolgreichen Angestellten Bob Doran, die darin gipfelt, dass Polly in Bobs Zimmer geht, um sich Feuer für ihre Kerze zu holen. Was danach zwischen den beiden geschieht, lässt sich nur mutmaßen. Jedenfalls macht die Wirtin diesen Vorfall publik und verlangt, dass Bob Polly nun heiraten muss. Bob der aufgrund seiner aufstrebenden Karriere sehr um seinen Ruf besorgt ist, sieht keine andere Möglichkeit und gibt der Forderung der Wirtin nach. So kommt es am Ende zu einer Hochzeit, bei der offen bleibt, ob das Brautpaar diese Entscheidung nicht bald schon bereuen wird. Ihr Ziel erreicht hat lediglich die Wirtin.

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The Boarding House: Jack (David Howes) berichtet vom Schicksal seiner Schwester Polly (Emma Nash).

Das Bühnenbild weist im Vergleich zum ersten Einakter nur geringfügige Änderungen auf. Hinter den Milchglasscheiben im linken und rechten Bühnenhintergrund befinden sich nun keine Flaschen mehr wie im ersten Teil, die Farringtons Alkoholismus verdeutlichten. Stattdessen hängen dort ein geschlachtetes ausgenommenes Schwein und ein Beil, was die Wirtin als Schlachterin noch skrupelloser erscheinen lässt. David Howes schlüpft als Sohn Jack mit markantem Bariton in die Rolle eines Erzählers. Anna Jeffers überzeugt als Wirtin durch enorme Bühnenpräsenz, die deutlich macht, wie die Wirtin hier die Fäden zieht. Auch hier punktet Jeffers mit voluminösem Mezzo, der die Kraft dieser Frau gut zum Ausdruck bringt. Emma Nash gestaltet die Polly mit mädchenhaftem Sopran. Der Tochter ist nicht klar, für welche Zwecke ihre Mutter sie eingesetzt hat. Natürlich gefällt ihr der junge Bob. Aber von der Forderung, ihn zu heiraten, fühlt sie sich ein wenig überrannt. So wird sie am Ende wie ein geschlachtetes Tier auf den Tisch gelegt. Andrew Gavin legt den Bob eher schüchtern an und lässt sich mit leichtem Unbehagen zur Hochzeit drängen. Aber wie es im Text von allen immer wiederholt wird: "Reparations must be made". Wenn dann die Oper mit den Worten "A wife for life" endet, wird musikalisch fast schon ein Horrorszenario geschildert, so dass man auch hier von einem glücklichen Ende weit entfernt ist.

Das Publikum spendet den Beteiligten großen Beifall, den Synnott sowohl als musikalischer Leiter als auch als Dirigent entgegennehmen kann.

FAZIT

Andrew Synnott gelingt es, zwei Geschichten von Joyce, die eigentlich nicht für das Musiktheater bestimmt waren, gekonnt zu vertonen und den Kern der Erzählungen dabei einzufangen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andrew Synnott

Regie
Annabelle Comyn

Bühne
Paul O'Mahoney

Kostüme
Joan O'Cleary

Licht
Rory Beaton

 

Violine 1
Lidia Jewloszewicz-Clarke

Violine 2
Rachel Grimes

Viola
Neasa Ni Bhriain

Cello
Delia Lynch


Solisten

Counterparts

Mrs Delacour / Barmaid / Tom
Emma Nash

Weathers
Anna Jeffers

Alleyne / O'Halloran
Andrew Gavin

Flynn
David Howes

Higgins
Peter O'Donohue

Farrington
Cormac Lawlor

The Boarding House

Polly
Emma Nash

Mother
Anna Jeffers

Bob
Andrew Gavin

Jack
David Howes

Artiste
Peter O'Donohue

Artiste
Cormac Lawlor

 


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