Kissenschlacht um Figaro: Am Darmstädter Staatstheater sieht...

Beredte Blicke: Eine Szene aus Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ mit (von links) Xiaoyi Xu, Georg Festl, David Pichlmaier und Jana Baumeister. Foto: Wolfgang Runkel  Foto: Wolfgang Runkel
© Foto: Wolfgang Runkel

Am Sonntag hatte am Darmstädter Staatstheater „Die Hochzeit des Figaro“ Premiere. Doch die Inszenierung von Mozarts Oper – eine Übernahme aus Köln – bleibt in großen...

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DARMSTADT. So schlecht kann es um diese Ehe gar nicht stehen. Zwar ist Graf Almaviva immer auf dem Sprung in fremde Betten, zwar empfindet die Gräfin tiefe Trauer über die Entfremdung. Aber sobald es ein Zeichen von Hoffnung gibt, sucht dieses Paar Nähe, schmiegt sich aneinander, spürt erkennbar das alte Vertrauen.

Es gibt ein paar interessante Perspektiven in der „Hochzeit des Figaro“, die am Sonntag im Staatstheater Darmstadt Premiere hatte. Und es gibt einige schöne Augenblicke, vor allem im allerletzten Bild, in dem der Ausstatter Tim Northam das Verwirrspiel der Liebe in einem Wald von Spiegeln anrichtet. Hier erprobt der frisch getraute Ehemann Cherubino die ersten Schritte künftiger Untreue, hier fühlt Figaro sich betrogen, wenn er vom geplanten Rendezvous Susannas mit dem Grafen hört, hier verführt der Graf seine eigene Frau, ohne es zu ahnen. Und wenn Mozart im Augenblick der Auflösung die Pianissimo-Achtelläufe durch überraschende Modulationen jagt, geschieht die Entwirrung in zauberhafter Diskretion.

Aber bis dahin sind dreieinhalb Stunden vergangen. In ihnen hat man ein ums andere Mal gesehen, wie wenig die Einfälle in dieser Inszenierung zusammenpassen, und wie nichtssagend sie letztlich sind. „Die Hochzeit des Figaro“ ist eine Übernahme der Kölner Oper, Dirk Schmeding hat für Darmstadt das Konzept der französischen Regisseurin Emmanuelle Bastet einstudiert. Sie folgt der Devise: Wenn die Musik bewegt ist, muss auch auf der Bühne etwas los sein, weshalb schon zur Ouvertüre ein stummes Spiel vieler Figuren über die Bühne wirbelt, das kaum zu entschlüsseln ist.

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Auch in der Folge gibt es allerhand zu sehen, Susanna und Marcellina duellieren sich in einer putzigen Kissenschlacht, im Finale des zweiten Aktes schnurrt die Komödien-Maschine zuverlässig, während die Regie vorübergehend einen ironischen Ton anschlägt. Wenn der Störenfried Cherubino ins Militär entsorgt werden soll, flackern Filme von Weltkriegsschlachtfeldern über die Bühne. Das Ganze spielt in einem wohlhabenden Haushalt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Die Regie hat keine Haltung zum Stück

Aber die Regie weiß eigentlich gar nicht, welche Geschichte sie erzählen soll. Sie hat keine Haltung zum Stück und beschränkt sich darauf, die offenkundigen Ereignisse möglichst munter zu bebildern. Damit lässt Bastet dieses Stück Weltliteratur aber ziemlich läppisch aussehen. Und so zuverlässig das Staatsorchester unter der Leitung von Rubén Dubrovsky auch arbeitet, ist die Musik doch auch ein Kollateralschaden dieser Unentschiedenheit. Dubrovsky findet auf der Suche nach einem historischen Klangbild viele überraschende Färbungen, Einwürfe, bislang kaum gehörte Soli. Gerade in der Ouvertüre klingt das noch ziemlich eingeebnet, ja eintönig. Aber in einer wirklichen Zusammenarbeit zwischen Musik und Szene hätte dieser Interpretationsansatz glänzendere Ergebnisse hervorbringen können.

Die Sänger machen das Beste daraus, dass eine wirkliche Personenregie unsichtbar bleibt. Besonders Georg Festl als Figaro paart seinen eleganten Bariton mit komödiantischem Talent, Jana Baumeisters Susanna mit beweglichem Sopran kann da mithalten. Gesungen wird überhaupt sehr schön, Katharina Persicke hat kultivierte, im rechten Augenblick warm gefärbte Töne für die Gräfin, Daniel Pichlmaier scheint seine Bassstimme für den Grafen noch einmal geschmeidiger gemacht zu haben. Bei Katrin Gerstenberger (Marcellina) und den schrägen Vögeln Basilio (Michael Pegher) und Bartolo (Seokhoon Moon) ist Mozarts Musik in zuverlässigen Kehlen. Die Atemlosigkeit von Cherubinos früher erotischer Verwirrung wird von Xiaoyi Xu hübsch angedeutet, und mit einer sehr innig gesungenen Arie eröffnet Olivia Yang als Barbarina den vierten Akt. Kleinere Rollen übernehmen Nicolas Legoux (Antonio) und Radoslav Damianov (Don Curzio).

Schwer zu verstehen, dass Darmstadt gerade diese Produktion eingekauft hat. Selbermachen wäre besser gewesen. Die letzte eigene Opernproduktion dieses Staatstheaters liegt fünf Monate zurück.