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Verzicht auf einen Tapetenwechsel

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Blickkontakt der Rivalen: In der Mitte Figaro und Almaviva, links Cherubino, rechts Susanna.
Blickkontakt der Rivalen: In der Mitte Figaro und Almaviva, links Cherubino, rechts Susanna. © Wolfgang Runkel

„Die Hochzeit des Figaro“ am Staatstheater Darmstadt, szenisch schlicht, musikalisch gepflegt.

Hörenswert und hübsch ist Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ nun am Staatstheater Darmstadt. Die Produktion stammt aus der Kölner Oper – die zu Spielzeitbeginn hier schon ihre Dietrich-Hilsdorf-Inszenierung des „Fliegenden Holländers“ platziert hat – und sie ist erst ein paar Monate alt.

Man darf nicht zu viel darüber nachdenken, was alles möglich gewesen wäre. Die französische Regisseurin Emmanuelle Bastet nimmt es so abgeklärt und heiter, wie „Figaro“ klingt und selten aussehen darf. Ausstatter Tim Northam kleidete eine elegante Gesellschaft der zwanziger, dreißiger Jahre ein. Und selten werden ein so begehrenswerter Graf Almaviva und ein so strammer Figaro gemeinsam auf die Bühne gestellt. Beide wie gemacht für eine bewegliche Komödie. Es bleibt aber beim Hübschen. Bastet begnügt sich mit einem nicht steifen, aber doch ins Konzertante und Stegreifhafte neigenden, lustigen, aber nun wirklich nicht ausgefeilten Spaß vor einer von Northam auf verschiedene Raumsituationen angewandten Einheitsblätterwerktapete. In der Parkszene wird sie zum nächtlichen Spiegelkabinett. Hübsch.

Die reizende Gräfin – was ist eigentlich das Problem der verdammten Aristokraten? – sitzt in der Badewanne. Figaro kullert auf der Matratze und vermisst beim Maßnehmen für das Bett auch gleich seine resche Susanna. Die Geschlechter begegnen sich hier übrigens glaubwürdig auf Augenhöhe, der Kölner-Darmstädter „Figaro“ arbeitet sich nicht ab an einer Geschichte über einen mächtig übergriffigen Chef im 18. Jahrhundert.

Musikalisch ist es ein so überzeugender Auftritt, dass Bastets bescheidener Ansatz dadurch doch Glanz und Berechtigung bekommt. Die Stimmen sind fein und adäquat, das etwas erhöhte Orchester unter der Leitung von Rubén Dubrovsky – mit wirkungsvollem, aber nicht aufdringlichem Hammerklavier (Giacomo Marignani) – wirkt demgegenüber manchmal massig, aber im Detail agil, farbenreich und transparent. Gut drei Stunden praktisch ohne Längen auch in den Rezitativen.

Georg Festl lässt einen gepflegten Figaro hören. Das Tänzchen, zu dem er den Grafen fordert, schwingt höchst elastisch, während zu befürchten ist, dass dieser Mann dem Rivalen ohne Vorwarnung auf die Nase hauen wird. Der Gesang des blasierten Almaviva von David Pichlmaier sitzt so trefflich wie seine Frisur. Katharina Persicke und Jana Baumeister, Gräfin und Susanna, ergänzen sich als elegische und zwitschrige Seite derselben Medaille: eines Soprans auf der Suche nach seinem Lebensglück. Überhaupt ein ausgeglichenes Quartett, dessen Mitglieder einander stimmlich wohltun und die darstellerisch wie in den Startlöchern bleiben, das aber putzmunter.

Ein bisschen kurios, dass Bastet in letzter Sekunde doch noch deutend eingreift und Cherubino, Xiaoyi Xu, als ad hoc verzweifelte Figur auf der Bühne zurücklässt, während sich alle anderen gutgelaunt zurückziehen.

Staatstheater Darmstadt:
4., 14., 26. November, 23., 28. Dezember.
www.staatstheater-darmstadt.de

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