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Kritik - "La Bohème" in Baden-Baden Teodor Currentzis glänzt mit musicAeterna

Teodor Currentzis und sein Ensemble "musicAeterna" sind momentan viel gefragte Gäste auf den internationalen Bühnen. Zuletzt wurden sie bei den Salzburger Festspielen für "La Clemenza di Tito" gefeiert. Am Freitag waren sie bei der Premiere von Puccinis "La Bohème" am Festspielhaus Baden-Baden mit von der Partie - und überzeugten.

"La Bohème" am Festspielhaus Baden-Baden, November 2017 | Bildquelle: Andrea Kremper

Bildquelle: Andrea Kremper

Premierenkritik

"La Bohème" am Festspielhaus Baden-Baden

Angst vor emotionaler Überwältigung darf man nicht haben bei dieser "Bohème". Denn was der Dirigent Teodor Currentzis mit seinem Ensemble "musicAeterna" bietet, ist nahezu erschütternd:
einen kristallklaren und dabei niemals scharfen Orchesterklang, rhythmisch präzise aber mit einer schier unglaublichen agogischen Freiheit. Aufbrausend, dann wieder kaum hörbar. Zart glühend und immer intensiv bis ins Letzte.

Blasse Inszenierung und musikalische Leichtigkeit

Man kann den unkonventionellen Dirigenten Currentzis, der gerne auch mal in Springerstiefeln auftritt, mögen oder nicht. Musikalisch ist diese "Bohème" in ihrer Leichtigkeit und Eleganz frappierend gut. Daneben wird in Baden-Baden die sehr blasse Inszenierung von Philipp Himmelmann völlig nebensächlich.
Himmelmann verlegt die "Bohème" ins Paris der 60er Jahre. Drinnen, in der heruntergekommenen Bude der armen Künstler: ein zusammengewürfeltes Mobiliar mit Flohmarkt-Charme, draußen Studentenproteste zwischen Bistro-Tischen und alten Weinkisten.

Zarina Abaeva mit klarem Sopran

Zarina Abaeva  | Bildquelle: Andrea Kremper Zarina Abaeva als Mimi | Bildquelle: Andrea Kremper Unaufhörlich rieselt der Schnee. Er ist das dominierende Motiv, fast möchte man sagen: die einzige Idee in dieser Inszenierung.
Er steht für die soziale Kälte, die Mimi umgibt und für die Hoffnungslosigkeit ihrer Existenz.
Besonders einfallsreich ist das nicht. Aber es stört auch nicht und lässt der Musik den Raum, der ihr gebührt. Hier spielt eindeutig Puccini die Hauptrolle. Auch die Sänger auf der Bühne sind durch die Bank gut besetzt. Allen voran natürlich Zarina Abaeva als Mimi mit einem schönen, klaren Sopran und Leonardo Capalbo als Rodolfo. Er steigert sich im Verlauf der Oper deutlich.

Die Musik: zum Mitweinen schön

Auch die Sänger profitieren enorm von der behutsamen und sensiblen Begleitung aus dem Graben, die jede Nuance hörbar macht, ohne die Sänger jemals zu überdecken. Das Orchester "musicAeterna" unter Teodor Currentzis ist und bleibt zweifellos der Star des Abends. Insgesamt lässt sich ohne Übertreibung sagen: mit so viel dramatischer Eleganz, so zum Mitweinen schön, wird man "La Bohème" sicherlich lange nicht mehr hören können.

Sendung: "Piazza" am 11. November 2017 ab 8.05 auf BR-KLASSIK

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