Die düstere kammerspielartige Geschichte der Liebe zwischen der Operndiva Tosca und dem Maler Cavaradossi, die vom bestialischen Polizeichef Scarpia zu Grunde gerichtet wird, musste ihren Reiz über das exzellente Sängeraufgebot – allen voran Anja Harteros als Titelheldin – und die packende Musik, die Dirigent Daniele Callegari opulent aus dem Graben zauberte, herstellen. Die Münchner Inszenierung von Luc Bondy als reduzierte Historismus-Hommage war dabei schön anzusehen, mehr gab sie allerdings dann auch nicht her.

Die Kirche, in der Cavaradossi zu Beginn des ersten Aktes arbeitet, ist spartanisch auf das Wesentliche reduziert. Das Bildnis der Maria Magdalena, an dem Cavaradossi malt, ist dabei der einzige Bezugspunkt im Bühnenbild. Der zur Musik passende Bombast zeigt sich im ersten Akt im Finale, das als üppiges Kostümfest in einer klerikale Prozession – angeführt vom Papst höchstpersönlich – und dem triumphalen „Te Deum“ mündet. Da zeigt sich der zweite Akt differenzierter, wenn sich Scarpia zuerst mit drei Prostituierten vergnügt, bevor er schließlich Tosca erpresst. Am eindringlichsten gestaltet sich dabei eigentlich der Moment, in dem sich die Handlung doch noch zum Guten zu wenden scheint.

Nach dem Mord an Scarpia hält Tosca den Geleitbrief in Händen, der ihr und Cavaradossi die Freiheit sichern soll. Statt des Kreuzes und der Kerzen, die Tosca eigentlich laut Libretto um Scarpia drapiert, entscheidet sich Bondy in seiner Inzenierung für eine Zukunftsvision. Die Bühne wird nun in einem fahlen Grau beleuchtet, das Allem die Farbe zu entziehen scheint und Tosca steigt auf den Sims des geöffneten Fenster, als scheine sie den drohenden Absturz bereits zu spüren. Dem dritten Akt ist schließlich jegliche Farbigkeit abhanden gekommen. Düster schroff erhebt sich die Engelsburg in die schwarze Umgebung und macht die Nachtstimmung des Finales nur zu deutlich.

Bei so viel Purismus war eine Spitzenbesetzung für die Inszenierung unabdingbar. Und diese bot die Staatsoper auch auf. Anja Harteros entzog ihrer Tosca alles Divenhafte und dadurch erhielt ihr „Vissi d’arte“ eine entfesselnde Wahrhaftigkeit. Sehr dezent ließ sie hier die Phrasen fließen und entwickelte die Arie trotzdem in einer unglaublichen Intensität. Aber auch die leidenschaftliche Eifersucht im ersten Akt oder die verzweifelte Rettungsaktion im Finale waren eine schauspielerische und gesangliche Glanzleistung.

Ein etwas schwierigeres Erbe hatte da Joseph Calleja anzutreten, denn die Rolle des Cavaradossi gehörte in den letzten Jahren in München dem Lokalmatadoren Jonas Kaufmann. Allerdings unterschied sich Callejas lyrischer Ansatz so fundamental von Kaufmanns dramatisch-leidenschaftlichem, dass ein Vergleich fehl am Platz wäre. Calleja überzeugte insbesondere dadurch, dass er eben nicht nur auf seinen schönen Tenor vertraute, sondern seiner Stimme Charakter verlieh. Seinen Höhepunkt fand Calleja in „E lucevan le stelle“, das er herzzerreißend schmachtete und damit Begeisterungsstürme erntete. Željko Lučić als Baron Scarpia war in seiner Rolle als lüsterner und folternder Widerling sowohl schauspielerisch wie auch stimmlich beeindruckend. Kräftig und düster klang sein Bariton und war von ungemeiner Durchschlagskraft.

Neben dem großartigen Dreiergespann leistete das Bayerische Staatsorchester unter der Leitung von Daniele Callegari den Hauptanteil an dieser gelungenen Tosca. Callegari ließ das Orchester in bester Puccini-Manier an den richtigen Stellen opulent und energetisch aber im Sinne der Sänger nicht überladen musizieren. Aber auch das Kammermusikalische, wie die vier Solo-Celli im dritten Akt, gelang Callegari sehr dezent. Dennoch blieb am Ende das Erstaunen über die Wendigkeit, mit der das Bayerische Staatsorchester die überwältigenden Emotionen der Partitur umsetzte.

Die Münchner Tosca bot allerbeste Opernunterhaltung, die jegliche Kontroversen umgeht und sicherlich nur mit einer hochkarätigen Besetzung funktioniert – und die war an diesem Abend aufgeboten.

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