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Diese Oper ist ein Ausrufezeichen

Liebe ohne Happy End: Anna Karenina (Magdalena Anna Hofmann) und Graf Wronsky (Zurab Zurabishvili).

Es beginnt im Winter, geht über in einen tragischen Frühling, hin zu einem hitzigen Sommer und endet im Tod. Die Geschichte, die der ungarische Komponist Jen? Hubay (1858–1937) in seiner Oper erzählt, ist tragisch und weltbekannt: Es ist die Geschichte der Anna Karenina aus dem gleichnamigen Roman von Leo Tolstoi.

Während der Roman von 1877 zur Weltliteratur gehört, kennt die gleichnamige Oper fast niemand. In Deutschland wurde das Werk 2014 nach 80 Jahren erstmals wieder gespielt, hierzulande ist es in der deutschen Übersetzung von Hans Lieb­stöckl eine Schweizer Erstaufführung.

Unglückliche Liebe

Die russische Adlige Anna ist unglücklich verheiratet mit dem Grafen Karenin, nur die Liebe zu ihrem Kind hält sie noch bei ihm. Auf einer nächtlichen Zugfahrt lernt sie den Offizier Graf Wronsky kennen, die beiden verlieben sich. Karenina wehrt sich gegen ihre Gefühle, weil sie weiss, was eine Affäre bedeuten würde: gesellschaftliche Ächtung und den Verlust des Kindes.

Doch als Wronsky bei einem Pferderennen schwer stürzt, brechen alle Dämme. Karenina steht zu ihrer Liebe und geht mit Wronsky nach Italien. Das Kind bleibt beim Vater. Natürlich werden Karenina und Wronsky nicht glücklich. Sie kehren zurück, wo er rehabilitiert wird, während sie keinen Halt mehr findet – und sich schliesslich vor einen Zug wirft.

Für das russische Adelsleben im 19. Jahrhundert finden die Regisseurin Adriana Altaras und Bühnenbildner Christoph Schubiger poetische Bilder: ein verschneiter Birkenwald, ein gefrorener See, ein echtes Feuer, das personifizierte Wahnhafte. Ein Zug, der mal per Schwarzweiss­video gezeigt, am Ende mit gleissendem Licht und Rauch visualisiert wird.

Erinnert an Filmmusik

Dass es der berühmte Stoff nicht zum Klassiker schaffte, liegt wohl auch an der Musik, die sich stilistisch zwischen den Stühlen und Zeiten befindet. Zudem ist «Anna Karenina» für heutige Ohren ein anstrengendes Werk: Gefühlsmässig dreht die Musik im roten Bereich.

Es ist laut, die Figuren befinden sich ständig in höchster Erregung – diese Oper ist ein einziges Ausrufezeichen. Trotzdem ist die Musik zugänglich, weil selten atonal, und erinnert in ihrer Bildhaftigkeit an Filmmusik. Man hört den Zug dampfen, die Gleise quietschen, das Unheil kommen. Hie und da kippt das aber ins Karikaturhafte, und man kann die Tragik nicht mehr ganz ernst nehmen.

Was macht man als Regisseur damit? Adriana Altaras, die 2016 in Bern bereits Verdis «Un ballo in maschera» inszenierte, versucht dem Überzeichnenden mit leichten Elementen zu begegnen: mit tanzenden Matrjoschkas, Hockey spielenden Adligen und einer allzu klischierten Darstellung des Russen (dicker Mann, grosser Pelz, Fellmütze, Wodka).

Dieser Leichtigkeit gegenüber steht die musikalische Umsetzung des Berner Symphonieorchesters (Leitung Jochem Hochstenbach), das der Wucht mit Wucht begegnet, der Erregung mit Lautstärke. Da hat das Sängerensemble einen schweren Stand: Es muss dem Orchester die Stange halten, gleichzeitig die leichten Elemente «verkaufen» und zudem noch schauspielern, da einige Passagen gesprochen werden. Das klappt nicht bei allen gleich gut.

Eindrucksvoll gelingt es Zurab Zurabishvili als Wronsky, Andries Cloete in der Nebenrolle als Lewin und Magdalena Anna Hofmann als Anna Karenina. Hofmann schafft es, mit facettenreichem Sopran die Zerrissenheit ihrer Figur nachvollziehbar darzustellen. Ihr glaubt man, mit ihr leidet man mit. Im Winter wie im Sommer und bis zum tragischen Tod.

Weitere Vorstellungen: bis 17. Februar 2018, Stadttheater Bern.