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Auf Schleuderkurs: Mozarts "Don Giovanni" in Klagenfurt

Als düsteren Trip durch die Nacht bebildert Regisseurin Florentine Klepper Wolfgang Amadeus Mozarts "Don Giovanni" am Klagenfurter Stadttheater. Bei der Premiere am Donnerstagabend erntete ihre Inszenierung Jubel, aber auch Buh-Rufe. Dieser Don Giovanni in Lederjacke und Cowboyhut taumelt mit der Bierdose in der Hand durch eine Szenerie, die auch aus Wim Wenders Film "Paris, Texas" stammen könnte.

Don Giovanni in Klagenfurt
Don Giovanni in Klagenfurt

Die weibliche Handschrift bei dieser Produktion überrascht, prägen doch nicht nur starke Solistinnen sondern auch eine Regisseurin, eine Dirigentin und eine Bühnenbildnerin den Abend. Bühnenbildnerin Martina Segna und Regisseurin Klepper stellen ein Auto ins Zentrum der Bühne und lassen das Geschehen sich den ganzen Abend lang hinter einem transparenten Vorhang entwickeln, der als Filmleinwand genutzt wird. Gleich zu Beginn wird das Publikum so in den düsteren Schlund eines Straßentunnels gezogen, bevor Don Giovanni im kalten Neonlicht einer Tankstelle mit Leporello die Leiche des Komturs in den Kofferraum des Autos hievt.

Kriminell und skrupellos ist dieser notorische Frauenverführer, getrieben von seiner Sinnlichkeit und stets auf der Suche nach dem nächsten Kick. Der russische Bariton Rodion Pogossov verkörpert den Titelhelden mit derber Männlichkeit, abstoßend und verführerisch zugleich. Ambivalent ist auch die Beziehung seines Dieners Leporello (Nicholas Crawley) zu ihm: Einerseits führt er eilfertig Buch über die Eroberungen seines Herrn, andererseits ist er empört über ihn und will ihn immer wieder verlassen.

Die beiden bilden einen starken Kontrast zur Noblesse der liebenden Donna Elvira (Paola Gardina), der Mädchenhaftigkeit von Zerlina (Keri Fuge), die zwischen Pflichtbewusstsein und Eitelkeit schwankt, und dem Aufbegehren von Donna Anna (Anna Rajah). Den drei ausdrucksstarken Sopranistinnen stehen Joshua Owen Mills als der farblose Anzugträger Don Ottavio, Davide Giangregorio als aufbrausender Masetto und Jisang Ryu als stimmgewaltiger Komtur zur Seite, der den Wüstling schließlich in die "Hölle" (einer Psychiatrie) stößt. Uneinsichtig endet Don Giovanni dort in der Zwangsjacke - gefesselt in seiner Triebhaftigkeit.

Das Kärntner Sinfonieorchester unter der musikalischen Leitung der jungen Litauerin Giedre Slekyte verstärkt die zunehmende Raserei des Frauenhelden Don Giovanni durch mitreißende Tempi, versteht es aber auch die dunklen und die lyrischen Passagen differenziert zu gestalten. Behutsame Streichungen (etwa des Schlussgesanges, der in den meisten Bühnenfassungen wegfällt) schaden dem soliden Gesamteindruck nicht.

In eindringlichen Bildern lässt das Ensemble, unterstützt vom Chor des Stadttheaters, das Sittengemälde einer Gesellschaft auf Schleuderkurs entstehen. Gegen Ende des ersten Aktes feiert sie zwischen Sehnsucht und Rausch wie in Zeitlupe dem Untergang entgegen. Auch wenn manche Szene in Filmmanier nahe am Klamauk ist, sorgt das Regiekonzept für starke Momente in dieser originellen Inszenierung, die bei der Premiere sichtlich (und hörbar) das Publikum spaltete.

(S E R V I C E - "Don Giovanni", Dramma giocoso in zwei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart, Libretto von Lorenzo da Ponte, Stadttheater Klagenfurt. In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln. Musikalische Leitung: Giedre Slekyte, Regie: Florentine Klepper, Bühne: Martina Segna, Kostüme: Adriane Westerbarkey, Video: Heta Multanen, Dramaturgie: Markus Hänsel. Mit: Rodion Pogossov (Don Giovanni), Jisang Ryu (Komtur), Anna Rajah (Donna Anna), Joshua Owen Mills (Don Ottavio), Paola Gardina (Donna Elvira), Nicholas Crawley (Leporello), Davide Giangregorio (Masetto), Keri Fuge (Zerlina). Kärntner Sinfonieorchester, Chor des Stadttheaters Klagenfurt. Weitere Aufführungen: 16., 19., 27., 29., 31. Dezember 2017 und 3., 5., 14., 16., 27. Jänner 2018, jeweils 19.30 Uhr. Karten: 0463 / 54 0 64, www.stadttheater-klagenfurt.at)

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