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Kritik - "Priscilla - Königin der Wüste" in München Es regnet wirklich Männer

Am 14. Dezember feierte die deutsche Erstproduktion des Musicals "Priscilla - Königin der Wüste" im Münchener Gärtnerplatztheater Premiere. Der Film ist Kult, der Bus Legende: Das Drag-Queen-Roadmovie begeisterte das Münchener Publikum in der Musical-Fassung - halb Show, halb Schwulenparade. Die Gay-Szene war vollzählig anwesend.

Szenenbilder "Priscilla - Königin der Wüste", Gärtnerplatztheater, Dezember 2017 | Bildquelle: Marie-Laure Briane / Theater am Gärtnerplatz

Bildquelle: Marie-Laure Briane / Theater am Gärtnerplatz

Die Kritik zum Anhören

Klimawandel hin oder her: Im Münchener Gärtnerplatztheater regnet es wirklich Männer - und so, wie sie aussehen, dürften die Polkappen noch vor Weihnachten schmelzen. Kaum sind die Kerle vom Bühnenhimmel herabgeschwebt, wird es extrem heiß. Danach zu urteilen, steht zumindest Teilen Deutschlands ein milder Winter bevor.

Party, Show und Schwulenparade

Szenenbilder "Priscilla - Königin der Wüste", Gärtnerplatztheater, Dezember 2017 | Bildquelle: Marie-Laure Briane / Theater am Gärtnerplatz Szene aus "Priscilla - Königin der Wüste" | Bildquelle: Marie-Laure Briane / Theater am Gärtnerplatz Und so, wie das Publikum gestern Abend tobte, hat es damit auch kein Problem. Dabei mussten ein knuffiges Baby-Känguru und ein argloser Koalabär dran glauben, auf der rasanten Fahrt vom Showbus "Priscilla" quer durch Australien, von Sydney nach Alice Springs. Drag Queens bremsen eben nicht für Tiere, außer für Federboas. Der billig produzierte Film war 1994 ein Überraschungserfolg, vor elf Jahren kam das gleichnamige Musical heraus, und so, wie es Regisseur Gil Mehmert und seine Choreographin Melissa King inszenierten, ist es eine funkensprühende Mischung aus Party, Show und Schwulenparade. Unter der Discokugel sind alle gleich - hingerissen.

Der Bus fährt mit Glamour

Ausstatter Jens Kilian und Kostümdesigner Alfred Mayerhofer lassen es mächtig krachen; vermutlich werden im Karneval die Pailletten knapp und Perücken gibt's nur noch auf Rezept. Alles, was da war, wird für "Priscilla" gebraucht - sogar die Tennisbälle, nur, dass hier der Aufschlag etwas anders aussieht. Mittelpunkt ist selbstredend der Bus, der zwar aus der Benzinpumpe hustet, aber trotzdem sein Ziel erreicht, denn er läuft ja gar nicht mit Sprit, sondern mit Glamour, und der geht ihm nicht aus.

Knappe Geschichten

Dabei kommen die Geschichten der drei Hauptdarsteller etwas zu kurz. Die alternde Bernadette, seit Jahren im Fummel auf den Brettern, sehnt sich nach einem verständnisvollen Mann. Der an sich selbst zweifelnde Tick ist ein verheirateter Vater und hadert trotz seiner hohen Absätze mächtig mit seinem Beruf und seiner Veranlagung. Adam, der durchtrainierte Jungstar, will vor allem Sex, träumt aber letztlich von einem ultimativen Orgasmus auf dem Gipfel des Ayers Rock im vollen Drag Queen Outfit.

Bilder von der Inszenierung

Es fehlten Voraufführungen

Bei dem irren Tempo, das Gil Mehmert in seiner Inszenierung anschlägt, haben die Jungs wenig Chancen, mal Luft zu holen - und wenn sie drei, vier Sätze Dialog haben, sind sie wegen der mangelhaft ausgesteuerten Tonanlage sehr schwer zu verstehen. Es hat schon seinen Sinn, dass solche Musicals in London oder New York ein paar Wochen in Voraufführungen ausprobiert werden und erst zur Premiere kommen, wenn alles perfekt funktioniert. Da passiert es dann nicht, dass eine Showtreppe klemmt oder die Tonregie mit den Reglern durcheinander kommt.

Fulminante Highspeed-Show

Szenenbilder "Priscilla - Königin der Wüste", Gärtnerplatztheater, Dezember 2017 | Bildquelle: Marie-Laure Briane / Theater am Gärtnerplatz Szene aus "Priscilla - Königin der Wüste" | Bildquelle: Marie-Laure Briane / Theater am Gärtnerplatz Gil Mehmert hat immerhin in Hamburg "Das Wunder von Bern" auf die Bühne gebracht, ist also ein Vollprofi, der mit "Priscilla" eine fulminante Highspeed-Show abgeliefert hat. Und das Bemerkenswerte daran: Das Publikum geriet trotz sage und schreibe dreißig Songs nicht außer Puste - länger als die knapp drei Stunden hätte die Fahrt nach Alice Springs aber auch nicht sein dürfen. Ein Heimatabend für Kylie-Minogue-Fans, ein Veteranentreffen für die Homosexuellen der Ü-40-Generation - und wenn Heterosexuelle im Saal waren, dann fielen sie nicht weiter auf.

Stimmlich bleiben Wünsche offen

Armin Kahl, Erwin Windegger und Terry Alfaro als Stiletto-Trio ließen stimmlich leider erheblich Wünsche offen, was aber auch an den Mikroports liegen mochte. Da wünschte man sich glatt die lippensynchronen Playback-Szenen zurück, denen Bernadette unentwegt nachtrauerte, und zwar so ergreifend, dass eine Probe ihres diesbezüglichen Könnens zum Höhepunkt der Show wurde, Stichwort zitternde Unterlippe und vibrierender Adamsapfel. Jeff Frohner machte aus dem Orchester des Gärtnerplatztheaters eine funkige Band, die selbst Bergarbeiter um den Verstand brachte. Das Leben ist eine Showtreppe, und wir sind der Glitzer in der Wüste.

Termine und Infos

Gärtnerplatztheater, München
"Priscilla - Königin der Wüste"
Deutsche Erstaufführung
Buch von Stephan Elliott und Allan Scott
Nach dem Kinofilm von Latent Image / Specific Films
Mit den Discohits der 70er und 80er
Musikalische Arrangements und Orchestration von Stephen "Spud" Murphy

Mit Armin Kahl, Erwin Windegger, Terry Alfaro, Dorina Garuci, Jessica Kessler, Amber Schoop, Frank Berg,
Tanja Schön und anderen

Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Regie: Gil Mehmert
Musikalische Leitung: Jeff Frohner


Weitere Infos und Termine: Gärtnerplatztheater

Sendung: "Allegro" am 15. Dezember 2017 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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