Kritik: Il trittico von Giaccomo Puccini in der Bayerischen Staatsoper

Bayerische Staatsoper: Kirill Petrenko dirigiert Giacomo Puccinis "Il trittico" in der Neuinszenierung von Lotte de Beer. Die AZ-Kritik.
| Michael Bastian Weiß
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Drei Einakter, zur Oper zusammengefasst. Puccinis "Il trittico" in der Staatsoper.
W. Hösl Drei Einakter, zur Oper zusammengefasst. Puccinis "Il trittico" in der Staatsoper.

München - Ein Melodram, ein Mysterienspiel und am Schluss eine Komödie: Mit seinem "Il trittico" ("Triptychon"), das aus drei in sich geschlossenen Einaktern verschiedener Genres besteht, hat Giacomo Puccini sein formal mutigstes Werk geschaffen.

Seine Experimentierfreude stellt Regisseure vor ein Problem. Soll man jedes Stück für sich stehen lassen? Dann opfert man den versteckten Zusammenhang. Oder sollen die einzelnen Kurzopern mit wechselseitigen Bezügen inszeniert werden? Dann gerät ihre Eigenständigkeit in Gefahr. Die niederländische Regisseurin Lotte de Beer zieht sich bei ihrer Neuinszenierung an der Bayerischen Staatsoper, konzeptionell beraten von Peter te Nuyl, mit einem Mittelweg elegant aus der Affäre.

Lesen Sie auch unser Interview mit Lotte de Beer

Einerseits sind die Kostüme von Jorine van Beek in jeder der Opern vollkommen verschieden. Auf geradezu konventionelle Weise entstammen sie den Epochen, in denen sich die Handlungen zutragen: Die pittoreske Trauergesellschaft in "Il tabarro" ("Der Mantel") ist dunkel, in Frack und Zylinder gekleidet, wozu das strahlende Weiß der Klosterschwestern in "Suor Angelica" ("Schwester Angelica") und die bunten Mittelaltergewänder in "Gianni Schicchi" krasse Kontraste bilden.

Ein Tunnel als Einheitsbühnenbild

Andererseits aber spielen alle drei Stücke in einem Einheitsbühnenbild von Bernhard Hammer, geformt wie ein überdimensionierter Luftschacht, der sich, für Blicke nicht zu durchdringen, geheimnisvoll in den Hintergrund öffnet. Der tunnelartige Bau symbolisiert sowohl das schaukelnde Schiff in "Il tabarro", das Nonnenkloster in "Suor Angelica" als auch das Sterbezimmer in "Gianni Schicchi" und schafft somit Vergleichbarkeit.

Der Clou ist, dass sich ein Teil der riesigen Röhre drehen lässt, was die Regie an den Knotenpunkten der Handlung für atemberaubende Wirkungen nutzt: Im "Mantel" wird der ermordete Luigi kopfüber einmal durch den Raum gewirbelt.

Tolle Sänger, tolles Orchester

So fällt er, den Yonghoon Lee vorher mit heldisch funkelndem Tenor ausgestattet hatte, seiner Geliebten vor die Füße. Eva-Maria Westbroek verleiht der Giorgetta mit schwebend vibrierendem Sopran jene tragische Leidenschaft, die auch im düster verführerischen Bariton des Michele von Wolfgang Koch noch zu erahnen ist.

Das Moment der Drehung auf der Bühne wird wieder aufgenommen. In "Suor Angelica" ist es nämlich das schmerzhaft in die Augen strahlende Lichtkreuz, das sich bei der Verklärung der frommen Selbstmörderin auf den Kopf stellt und deren Gemütszustand erfahrbar macht. Eigentlich hätte es diesen Effekt gar nicht gebraucht, weil Ermonela Jaho die junge Nonne mit einer nur mühsam beherrschten Erregtheit singt, die ständig kurz vor dem Abheben scheint.

Doch so geschickt eingesetzt, verstärkt die Regie die anrührende Verkörperung Jahos: als einzige große Ankündigung eines Zusammenbruchs. Die böse Tante, die Michaela Schuster kalt und schön wie Marmor singt, führt ihn mit zwingender Logik herbei. Noch zu Beginn der Pause hört man auf den Gängen des Nationaltheaters geradezu erschütterte Reaktionen des Premierenpublikums.

Kein einziges Buh in München: selten

Es war leicht zu erraten, dass das Drehmoment auch in der Komödie noch ein letztes Mal eingesetzt würde. Raffiniert enttäuscht aber die Regisseurin Lotte de Beer diese Erwartung, wenn sie das nun gleich zu Beginn der Handlung tut: Das mobile Bühnenteil befördert das Sterbebett des reichen Onkels an die Zimmerdecke, wodurch dieser schon kurz nach seinem Ableben auf die gierige Verwandtschaft herunterschauen kann. Für ein solches intelligente Spiel mit Erwartungen gibt es nicht nur Szenenapplaus, sondern auch am Schluss für die Regie Ovationen, seltenerweise ohne auch nur ein einziges Buh.

Offenkundig weiß es das Publikum zu schätzen, dass diese Inszenierung einfache, starke, nicht zuletzt schöne Bilder findet, diese ökonomisch einsetzt und ansonsten beträchtliche Aufmerksamkeit auf die Personenregie richtet. Diese ist in "Gianni Schicchi" durchaus anspruchsvoll, weil sich die zahlreichen Figuren fast durchgehend auf der Bühne befinden. Im Mittelpunkt steht Ambrogio Maestri, der die Titelfigur gebührend deftig, vielleicht ein wenig zu polternd anlegt. Die Sänger, die ihn umgeben, sind so hochkarätig, wie sie sich nur ein Haus wie die Staatsoper leisten kann: Rosa Feola, Pavol Breslik, Martin Snell und ihre Kollegen bilden ein Ensemble, das nur mit Hauptdarstellern besetzt ist.

Puccini wäre begeistert gewesen

Der wahre Grund dafür, dass diese Produktion des Triptychons sich zu einem Ganzen rundet, das mehr ist als seine Teile, ist aber letztlich ihr Dirigent Kirill Petrenko. Nicht nur klingt das Bayerische Staatsorchester wirklich exzellent, seidig, doch substanzvoll in den Streichern, weich im Holz, einschüchternd im Blech. Petrenkos Kunst ist es, Höhepunkte aus dem Nichts aufrauschen zu lassen und die exquisten Farbspiele dazwischen immer wieder durch Impulse zu beleben.

Und wenn das Orchester im Melodram "Il tabarro" und sogar im Mysterienspiel "Suor Angelica" einmal spottet und lacht, in der Komödie "Gianni Schicchi" aber unversehens leise Töne anschlägt: dann verbinden sich diese so unterschiedlichen Stücke durch einen geheimen Beziehungszauber, wie nur die Musik es kann. Kaum vorstellbar, dass der Komponist selbst davon nicht begeistert gewesen wäre.


Weitere Aufführungen: 20., 23., 27. und 30.Dezember sowie 1. Januar; Restkarten unter 089 21 85 19 20 und www.staatsoper.de. Die Aufführung am 23. Dezember 2017 wird ab 19 h auf www.staatsoper.tv übertragen

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