SZenario:"Einfach umwerfend"

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Die Puccinisten feiern erwartungsgemäß die Premiere von "Il trittico" in der Staatsoper. Erstaunlicher ist am Sonntagabend, dass sogar die Inszenierung von Lotte de Beer bejubelt wird

Von Philipp Crone

Dass Liedermacher Konstantin Wecker die Aufführung genießen wird, ist relativ klar. Bei Lotte de Beer hingegen bestehen Zweifel. Wecker ist "bekennender Puccinist", er nennt Giacomo Puccinis "Tosca" die "perfekte Oper". Sobald im Nationaltheater also am Sonntagabend die ersten Takte des "Il trittico" von Kirill Petrenko andirigiert werden, sitzt Wecker voller Vorfreude auf seinem Platz. Dann sind es für die Niederländerin De Beer allerdings noch dreieinhalb Stunden bis zum entscheidenden Moment - wenn beim Schlussapplaus die für die Inszenierung Verantwortlichen auf die Bühne kommen und regelmäßig vom Publikum ausgebuht werden. So sehr sie hier den kurzlockigen, athletischen Petrenko und die Sänger verehren, so sehr verachtet das Publikum oft die Inszenierung.

Für Wecker ist die Sache ohnehin klar. "In den Siebzigerjahren wurde Puccini noch belächelt als Kitschier, heute wird er von allen gefeiert." Man sei eben nicht mehr so streng, "so adornomäßig drauf". Und der Komponist habe in "Il trittico" sein ganzes Gefühlsrepertoire reingepackt. Drei Opern in je einem Akt, in denen geht es erst tragisch, dann lyrisch und am Ende derart albern zu, dass das Publikum immer wieder laut dazwischen lacht und Hauptfigur Gianni Schicchi (Ambrogio Maestri) sich sogar erdreisten kann, den Text an einer Stelle zu verändern.

Wecker trifft vor Beginn der Premiere auf Schauspielerin Sunnyi Melles, die zwischen den herumeilenden Gästen entspannt die Treppe aus dem Ionischen Saal herunterschreitet. Sie hat einen wunderbaren Überblick über das Publikum. Manche Damen können vor Schmuck und Robe kaum gehen, andere haben sich offenbar im Haus geirrt, einer latscht mit offenen Lederboots und Holzfällerhemd ins Foyer. Bei dieser Oper ist die Bandbreite nicht nur auf der Bühne groß. Melles ist "ganz gespannt auf die Inszenierung, zur Abwechslung von einer Frau", einer schon preisgekrönten. Lotte de Beer verkleinert die Bühne auf eine Art rundes Raumschiffmodul, das nach hinten zuläuft. In Oper eins ist es zwischen der Beerdigung eines Kindes und eines Liebhabers dramatisch. Ein Teil des Raumschiffs dreht sich dabei im Kreis, in der zweiten Oper erscheint dann ein Kind im leuchtenden Kreuz, während am Ende nach der Pause der fulminante Schlawiner Gianni Schicchi alle an der Nase herumführt, dass gelacht wird wie in einer Filmkomödie. Ambrogio Maestri als Schicchi darf es sich sogar erlauben, mit einem Grinsen statt auf Italienisch einmal auf Deutsch "Raus!" zu rufen.

Mit Trampeln, Klatschen und Jubel werden die Sänger am Ende gefeiert, ob Ermonela Jaho, die Suor Angelica spielt und von einem geworfenen Blumenstrauß beinahe getroffen wird, oder Yunghoon Lee (Luigi). Und dann geschieht etwas sehr Seltenes: De Beer tritt auf die Bühne, und statt der üblichen Buhs wird der Applaus noch lauter. Das drehende Raumschiff hat es dem Publikum angetan.

Kunstmäzen Stephan Goetz ist von "diesem unheimlich intensiven Musikerlebnis" angetan, Galerist Conrad Bernheimer findet es "furchtbar" (die Tragödie am Anfang) und gleichzeitig "fantastisch", und der frühere Opern-Intendant Sir Peter Jonas hält De Beers Hand beim Glückwunsch anschließend während des Empfangs. "Das sind sehr schwierige Stücke", sagt er. Konstantin Wecker muss erst nachdenken, ehe er die richtigen Worte findet. "Puccini von Petrenko, das ist so lebendig. Einfach umwerfend."

© SZ vom 19.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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