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Ein Tag- und ein NachtstückVon Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu
Mit "semikonzertanten" Aufführungen hat die Oper Bonn durchaus schon ein glückliches Händchen bewiesen und gezeigt, dass Reduktion nicht zwingend einen Verlust bedeuten muss, so bei Piazollas Maria de Buenos Aires. So viel programmatischer Mut war wohl nicht im Spiel, als die Auswahl auf Puccinis Einakter Gianni Schicchi und Il tabarro fiel, also den eigentlich dreiteiligen Trittico, gekürzt um das an sich in der Mitte stehende Werk Suor Angelica. Puccini muss natürlich nicht "entdeckt" werden, auch nicht die seltener gespielten Werke, und gerade bei diesen Einaktern stellt sich ja die durchaus spannende Frage nach einer szenischen Lösung, die vermittelnd oder besser noch verbindend wirkt - da ist die halbszenische Version irgendwie doch eine Verlegenheitslösung.
Nichtsdestotrotz: Bei der famosen Komödie Gianni Schicchi, ganz unüblich an den Beginn (und nicht wie von Puccini geplant ans Ende) gestellt, funktioniert die von Mark Daniel Hirsch besorgte szenische Einrichtung ganz ausgezeichnet. Das Orchester sitzt auf der Bühne, davor befindet sich eine Spielfläche aus von unten weiß beleuchteten Platten. Das Bett mit dem verstorbenen Buoso Donati (der dummerweise sein Vermögen nicht der gierigen Verwandtschaft, sondern einem Kloster vermacht hat), dazu ein paar Stühle - das reicht vollkommen. Maria Strauch hat den Darstellern moderne Kostüme verpasst: Erbschleicherei ist wohl eine zeitlose Angelegenheit. Den Rest besorgt das ausgesprochen spielfreudige Ensemble. Renatus Mészár lässt als Schicchi (der sich für den Sterbenden ausgibt und dem eilig herbeigerufenen Notar schnell noch das "passende", allerdings auch sich selbst üppig bedenkende Testament diktiert) nicht nur den bauernschlauen Komödianten, sondern auch den sozialen Aufsteiger erkennen - keine ganz große Stimme, aber doch mit der erforderlichen Präsenz und dem rechten Maß an Esprit. Das zeigen auch durchweg die übrigen Protagonisten, die kaum Wünsche offenlassen. Mit Christian Georg als höhensicherem, beweglichem und nicht zu leichtem Tenor Rinuccio und Sumi Hwang als großformatiger, souverän auftrumpfender Lauretta gibt es dazu ein formidables Liebespaar. Das sehr gute Beethoven Orchester unter der Leitung von Jacques Lacombe begleitet mit der erforderlichen Leichtigkeit. Kurzum: Das Konzept geht auf.
Läuft die flotte Komödie Gianni Schicchi quasi von selbst (tut sie natürlich nicht, denn gerade solche vermeintliche Leichtigkeit muss erst einmal erarbeitet werden), so ist Il tabarro (Der Mantel) als veristische Eifersuchtstragödie doch recht sperrig. Den Grund für die Aufführung liefern hier in erster Linie die Sänger der drei Hauptpartien: Yannick-Muriel Noah als frustrierte und ziemlich resignative Kapitänsgattin Giorgetta, Mark Morouse als eifersüchtiger Gatte Michele und George Oniani als Liebhaber Luigi sind stimmgewaltige, ganz ausgezeichnete Besetzungen (und weil sie ja vorne an der Rampe agieren, wird es ziemlich laut - das ist aber schon das einzige, was es auszusetzen gibt). Zudem treffen sie den Tonfall dieser düsteren Musik gut, und punkten auch als raue, vom Schicksal nicht eben verwöhnte Charaktere. Ceri Williams (in Gianni Schicchi bereits eine resolute Tante) gibt eine beeindruckende Charakterstudie der im Müll wühlenden Frugola, Christian Georg und Martin Tzonev singen nicht minder überzeugende Hilfsarbeiter an Bord des Seine-Schleppkahns. Aufhorchen lässt die junge Ava Gesell in den kleinen Partien der Nella (in Gianni Schicchi) und einem verliebten jungen Mädchen im Tabarro. Dirigent Jacques Lacombe unterschlägt keineswegs die großen Ausbrüche, betont aber Puccinis wie Wellen kreisende Motivik, die zum Ausdruck der Eintönigkeit und Ausweglosigkeit wird, und gibt dem Einakter jenseits des Verismo eine vom Symphonischen her gedachte Form.
Szenisch allerdings bleibt es bei der eher banalen Dreiecksgeschichte mit finalem Mord aus Eifersucht. Es liegt natürlich nahe, schon des fehlenden Bühnenbildes wegen das Stück nicht als sozialkritische Milieustudie zu erzählen, sondern es als Ausdruck der seelischen Verarmung der Protagonisten zu zeigen. So sitzt Giorgetta ziemlich lange allein auf einem Stuhl auf der (hier nachtblau ausgeleuchteten) Spielfläche, noch bevor der erste Ton erklingt (das Publikum wird da schon unruhig). Die anderen Protagonisten laufen immer wieder schwer beladen über die Bühne. Falsch ist das nicht, doch es bleibt eben recht klischeehaft. Den titelgebenden Mantel (der einst das gemeinsame, längst verstorbene Kind von Michele und Giorgetta schützte, am Ende der Oper den Leichnam des von Michele erwürgten Luigi verdeckt) setzt Hirsch ziemlich plakativ ein, was das etwas bemühte Pathos der Situation noch verstärkt. Von hinten schaut Puccini als großformatige Fotografie ein wenig skeptisch zu.
Musikalisch eine tolle Produktion; die halbszenische Umsetzung gelingt bei Gianni Schicchi überzeugend, Il tabarro bleibt arg holzschnittartig. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung / Raumkonzept
Kostüme
Licht
Videografik
Solisten* Besetzung der PremiereGianni Schicchi
Gianni Schicchi
Lauretta
Zita
Rinuccio
Gherardino
Nella
Betto von Signa
Simone
Marco
Ciesca
Il tabarro
Michele
Luigi
Il Tinca
Il Talpa
Georgette
La Frugola
Ein Liederverkäufer
Ein Liebespaar / Sopran
Ein Liebespaar/Tenor
Löscher
Midinettes
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