Ohne ein bisschen Walzer rutscht sich's einfach nicht gut: Rund um den Jahreswechsel scheint die Strauß'sche Walzerseligkeit kollektiv die Menschheit zu befallen und selbst Opernhäuser, die sonst durch Operettenabstinenz glänzen, können sich der leichten Muse nicht entziehen. Dass das Bayerische Staatsorchester Johann Strauß jedoch nicht unbedingt in seinem Blut hat, war hörbar – unter dem differenzierten Dirigat von Friedrich Haider steuerten die Musiker zwar durchaus spritzige und beschwingte Klänge bei, ließen mich jedoch die charakteristischen Donauwellen vermissen. Ein bisschen zu akurat gespielt wirkten die süßlichen Melodien, die ihren eigentlichen Charme erst durch das gewisse Quäntchen Verzögerung bekommen. Die Fledermaus als Silvesteroperette schlechthin scheint man in der Bayerischen Staatsoper aber vor allem in Besetzungsfragen erfreulich ernst zu nehmen, wurde der Abend doch von einem sonst eher mit der großen Oper beschäftigten Sängerensemble getragen.

Den größten Spaß schien Markus Eiche als Dr. Falke mit den Flügeln des Kostüms der titelgebenden Fledermaus zu haben. Er flatterte begeistert durch die von ihm arrangierte Rache an Eisenstein und sang dabei seine Partie mit einer Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit, die beeindruckte. Elegant und warm strömte sein Bariton und fand stets den richtigen Ton für die augenzwinkernden Zwischentöne. Mit bestechendem komödiantischen Timing, sowie mit vollem Körpereinsatz in den getanzten Annäherungsversuchen an die vermeintlich ungarische Gräfin im zweiten Akt, konnte der Gabriel von Eisenstein in Form von Bo Skovhus aufwarten. Gesanglich war es nicht unbedingt sein Abend, die Stimme wirkte müde und trocken, was aber angesichts der wenigen Solostellen der Rolle den positiven Gesamteindruck nicht wirklich schmälerte.

Die Rosalinde von Elena Pankratova war hingegen von Anfang an stimmlich voll da und bewies, dass es kein Fehler ist, eine üppige Wagnerstimme in einer Operette zu besetzen, da sie die Szenerie gesanglich mühelos beherrschte – lediglich die „Klänge der Heimat“ gerieten hinsichtlich Phrasierung und Timing nicht makellos. Als ihr Stubenmädchen Adele lieferte Sofia Fomina kecke Koloraturen und bestach durch ihren selbst bei Spitzentönen angenehm rund bleibenden Sopran. Und auch mit der Darstellung der sich zu Höherem berufenen Zofe unterhielt sie ganz ausgezeichnet.

Obwohl sie nicht durch sonderlich exaltiertes Spiel oder einnehmende Bühnenpräsenz auffiel, konnte Okka von der Damerau die Ohren auf sich ziehen, da sie vor allem bei der Auftrittsarie des Prinzen Orlofsky ihre stimmliche Bandbreite voll ausschöpfen konnte und profunde, dunkle Tiefe auf klangschöne, unangestrengte Höhe treffen ließ. Mit klarem, hellem Tenor (und einem wunderschön gesungen Anfang von „Kuda Kuda“ aus Eugen Onegin in seiner Gefängniszelle im dritten Akt!) war Dovlet Nurgeldiyev ein selbstbewusst blasierter Alfred. Als Gefängnisdirektor Frank hatte Oliver Zwarg naturgemäß im dritten Akt mit seinen verkaterten Slapstickeinlagen alle Lacher auf seiner Seite. Verhältnismäßig stottertfrei und flüssig klang der beherzte Dr. Blind von Ulich Reß und Judith Peres verhalf der oftmals untergehenden Rolle von Adeles Schwester Ida durch engagiertes Spiel zu mehr Beachtung. Was alle Beteiligten, unabhängig der jeweiligen Muttersprache, überdies einte war die ausgezeichnete Wortdeutlichkeit, die besonders in den Dialogen positiv auffiel.

Die Inszenierung nach Leander Haußmann verzichtet konsequent auf jeden Wiener Bezug, was zwar grundsätzlich die Handlung nicht weiter stört, aber auch jede Chance auf den dazugehörigen Schmäh nimmt. Überhaupt war der Abend, bis auf die ohnehin im Originaltext enhaltenen Pointen, arm an (neu geschaffenem) Witz. Lediglich die Wellbrüder aus'm Biermoos brachten als Gäste bei Prinz Orlofsky wirklich Stimmung in den Saal, verwendeten sie mit Trump, Söder, der AfD und den typischen Abläufen eines Feurwehrfestes doch auch dankbare Steilvorlagen für ihr Programm. Blass und beinahe schon unlustig war hingegen Gerhard Polt als Frosch, von dem ich deutlich mehr erwartet hatte. Keine einzige politische Spitze, ja nicht einmal ein kleiner Seitenhieb gegen den Intendanten oder den Opernbetrieb, fand Platz in seinem Text – dieses Gefängnis war wahrlich schon fideler! Gelungen, weil angenehm entrümpelt, waren hingegen Ausstattung und Bühnenbild, die sich zwar klassisch, aber nicht ganz so plüschig-verstaubt präsentierten, wie es oft bei Fledermäusen der Fall ist.

Kein rauschendes Feuerwerk an Walzerseligkeit und Schmäh, aber eine vergnügliche Vorstellung der Fledermaus, mit der die Bayerische Staatsoper ihr Publikum in die Münchener Silvesternacht und ins Neue Jahr begleitete.

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