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Moderne Zauberoper in schrillen Farben Von
Thomas Molke /
Fotos von Bettina Stöß Ulysses Eisenhardt (Jacek Laszczkowski) will mit seinem Luftschiff in 48 Stunden den Äquator umrunden. Die Handlung ist ein Paradebeispiel für eine "Zeitoper", ein Genre am Ende der Weimarer Republik, das mit Jazz- und anderen U-Musik-Elementen als Einlagen Maschinen bedeutende Rollen in einem in der Regel zeitgenössischen Setting zuwies. Reznicek, der das Libretto selbst verfasst hat, greift dabei auf den 10. Gesang aus Homers Odyssee zurück, den der spanische Bühnendichter Calderón de la Barca zu einem Bühnenstück umgewandelt hat und der von Odysseus' unfreiwilligem Besuch auf der Insel Aiaia bei der schönen Zauberin Kirke erzählt, die Odysseus' Gefährten in Tiere verwandelt und ihn eine Weile in ihrem Reich festhält. Bei Reznicek ist es der Kommandant des Luftschiffes Z 69, Ulysses Eisenhardt, dem bei dem Versuch, binnen 48 Stunden mit seinem Luftschiff den Äquator zu umrunden, der Treibstoff ausgeht, so dass er auf einer unbekannten Insel vor der amerikanischen Ostküste notlanden muss. Hier herrscht Gladys Thunderbolt, die Tochter des berühmten amerikanischen Milliardärs Jeremias D. Thunderbolt, über eine ganze Reihe attraktiver junger Damen und verfügt dazu noch über ausreichend Treibstoff, um Eisenhardt die Weiterfahrt zu ermöglichen. Den Damen ist aber gar nicht daran gelegen, dass die Männer die Insel wieder verlassen, und so kommt es zu einem Kräftemessen. Gladys hypnotisiert Eisenhardts Gefährten und verwandelt sie in Tiere. Doch bei Eisenhardt misslingt die Hypnose. Dann taucht auch noch Gladys' Vater auf, dem ein Millionenverlust droht, wenn der Flug nicht fristgerecht beendet wird. Doch Gladys findet immer neue Mittel, die Abfahrt zu verhindern. Erst als Eisenhardt droht, sich mit einer Pistole zu erschießen, lenkt Gladys ein, gibt das benötigte Benzin heraus und bittet sogar darum, mitfliegen zu dürfen. Gladys Thunderbolt (Melanie Kreuter, Mitte) versucht, Eisenhardt (Jace Laszczkowski, Mitte) zu verzaubern (auf der linken Seite: Violet (Nienke Otten) und Hans Freidank (Caio Monteiro), auf der rechten Seite: Joe M. Plumcake (Yoshiaki Kimura)). Das Regie-Team um Cordula Däuper setzt diese absolut verrückte Handlung in einem knallbunten Ambiente mit poppigen Farben um. Das Bühnenbild von Ralph Zeger wird von zwei großen Zapfsäulen vor einer Tankstelle dominiert, die in großen pinkfarbenen Lettern "ALLES SUPER" suggeriert. Gladys wirkt in ihrem pinkfarbenen Petticoatkleid mit den strohblonden Locken und der rosafarbenen Schleife im Haar wie eine Figur aus einem Disney-Comic und macht damit ihrem Charakter einer verwöhnten, egozentrischen Milliardärstochter alle Ehre. Von daher ist gut nachvollziehbar, wie sehr es sie verärgert, dass Eisenhardt nicht nach ihrer Pfeife tanzt. Doch dafür wird er selbst viel zu arrogant in Szene gesetzt. Mit hochtoupierter Elvis-Tolle und dunkler Sonnenbrille präsentiert er sich als selbstverliebter Macho voller Hybris. Zu Beginn der Oper betritt er mit einer Weltkugel die Bühne und demonstriert mit einer weißen Flagge mit der Aufschrift "Ich", die er auf der Kugel befestigt, dass er sich mit der Umkreisung des Äquators für den Bezwinger der Welt hält. Sein Ingenieur Hans Freidank und Gladys' Freundin Violet sind zwar ebenfalls schrill, dabei aber recht liebenswert gezeichnet. Der Funker Emil Nikolaus Machullke trägt als Berliner einen Bär auf seinem T-Shirt und zeigt sich in seinem restlichen Outfit weltoffen und multikulturell, während bei dem Münchener Koch Franz Xaver Obertupfer eine eher bieder bayerische Mentalität zum Ausdruck kommt. Gladys' Vater Jeremias D. Thunderbolt erinnert optisch an eine Karikatur von Donald Trump, was auch sein ständiges "Phänomenal" betont. Hans Freidank (Caio Monteiro) hat sich in Violet (Nienke Otten) verliebt. In diesem schrillen Ambiente vollzieht sich nun eine Geschichte, die im Ablauf ebenso unstrukturiert ist wie die Musik des Stückes. Rezniceks Musik verlässt zwar die Tonalität in keinem Moment, macht es aber trotzdem schwer, ihr zu folgen, da man nicht lang genug bei einem musikalischen Thema verweilt, sondern sich ständig unterschiedliche Rhythmen und Melodienläufe überlagern, so dass man von einer Situation in die nächste geworfen wird. Aber vielleicht macht das ja gerade Gladys' Zauberinsel aus und führt dazu, dass Eisenhardts Mannschaft hypnotisiert wird. Wenn die Belegschaft verwandelt ist, treten die Männer mit lustigen Tierköpfen auf und bewegen sich mit großer Spielfreude nach Art des jeweiligen Tieres über die Bühne. Durch besondere Komik überzeugt dabei Yoshiaki Kimura als Gladys' Diener Joe M. Plumcake, der am Ende von Gladys in einen Papagei verwandelt wird. Mit einem bunten Papageikopf plappert er die gehörten Sätze nach und bewegt sich mit abgehackten Bewegungen über die Bühne. Überzeugend ist auch der Anfang gestaltet, wenn das Luftschiff notlanden muss. Plumcake beobachtet neben einem Tisch, auf dem eine Miniatur der Insel aufgebaut ist, den Flug des Luftschiffs, das ebenfalls als Miniatur an zwei Fäden über die Bühne fliegt und dann durch den Treibstoffausfall zur Landung gezwungen wird. Wieso jedoch Männer in T-Shirts mit der Aufschrift "Theater Bielefeld" das Luftschiff bergen müssen, wird nicht verständlich. Soll das eine Anspielung auf die Bühnentechniker sein, die bei jeder Aufführung im Hintergrund tätig sind? Auch die aus dem Schnürboden herabfallenden Plastikflaschen, die dann von Putzfrauen in grauen Kitteln aufgesammelt werden, geben Rätsel auf. Jeremias D. Thunderbolt (Moon Soo Park) will, dass seine Tochter Gladys (Melanie Kreuter) Eisenhardt weiterfliegen lässt. Musikalisch gelingt es den Bielefelder Philharmonikern unter der Leitung von Gregor Rot die Klangvielfalt Rezniceks mit präzisem Spiel aus dem Orchestergraben zu holen, auch wenn das Blech zu Beginn etwas zu laut ist. Doch auch das spielt sich im weiteren Verlauf des Abends ein. Melanie Kreuter legt die verwöhnte Milliardärstochter Gladys mit großem Spielwitz an und überzeugt stimmlich mit rundem Sopran. Jacek Laszczkowski hält als Ulysses Eisenhardt mit kräftigem Tenor dagegen, der in den Höhen enorme Strahlkraft besitzt. Unverständlich bleibt jedoch, wieso Däuper ihn am Ende zu einem Schwein mutieren lässt. Während das Libretto eigentlich vorsieht, dass Gladys mit Eisenhardt die Insel verlässt, scheint sie in der Inszenierung am Ende doch den Sieg davon zu tragen, da Eisenhardt mit einer Schweinsmaske über den Boden kriecht, während alle den erfolgreichen Abflug besingen. Nienke Otten punktet als Violet mit sauberen Koloraturen und schrillem Spiel. Caio Monteiro stattet den Ingenieur Hans Freidank mit markantem Bariton aus. Yoshiaki Kimura lässt als Plumcake mit dunklem Bassbariton aufhorchen. Moon Soo Park verbreitet als Donald-Trump-Imitat Jeremias D. Thunderbolt mit slapstickartigem Spiel und profundem Bass großartige Komik. Auch Dorine Mortelmans, Lorin Wey, Jasmin Etezadzadeh, Lutz Laible und Vuokko Kekäläinen überzeugen als Machullke, Lissy, Obertupfer, Nell und alte Frau. Der von Hagen Enke einstudierte Chor zeichnet sich ebenfalls durch große Spielfreude aus, so dass es am Ende für alle Beteiligten großen Beifall gibt. FAZIT Cordula Däuper und ihrem Team gelingt eine überzeugende
szenische Umsetzung in einer durchweg guten musikalischen Besetzung. Dass das
Stück den Sprung ins Repertoire schaffen kann, darf jedoch bezweifelt werden. |
Produktionsteam Musikalische Leitung Inszenierung Bühne Kostüme Choreographie Licht Choreinstudierung Dramaturgie
Bielefelder Philharmoniker Bielefelder Opernchor
Solisten*Besetzung der Premiere Gladys Thunderbolt Ulysses Eisenhardt, Kommandant des Z 69 Emil Nikolaus Machullke,
Funker Franz Xaver Obertupfer, Koch Violet, Gladys' Freundin Lissy Nell
Joe M. Plumcake Jeremias D. Thunderbolt, Milliardär Die Alte Meyer, Hausknecht Eine Dame Müller Lehmann
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