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Menschliche Fackeln

Brennende Leidenschaften und lodernder Hass lösen die Katastrophe aus: Agnieszka Rehlis (Mitte) im Berner «Trovatore».

Drei feurige Figuren stehen an einem Scheiterhaufen – und eine der beiden kleineren Gestalten wird von der grossen in die Flammen gestossen. Ein Bild, das wahrlich keinem Ruhe lässt, der es mit ansehen musste. Selbst der ansonsten bestimmt ziemlich abgebrühte militärische Befehlshaber, der diese Szene nur von fern miterlebt hat und sie seinen Untergebenen schildert, kommt gedanklich nicht davon los. Wieder und immer wieder sieht man in einer Visualisierung seiner Gedanken das feurige Kind fallen und mit der Glut verschmelzen.

Wie viel schlimmer muss es da um jene Frau stehen, von der diese Erzählung handelt? Sie selbst entführte das eine Kind aus Rache und stiess dann das «falsche» – ihr eigenes – ins Feuer. Wenn Agnieszka Rehlis als wahngeplagte Azucena die Szene später an diesem Opernabend im Berner Stadttheater auch noch aus ihrer eigenen Erinnerung schildert, gerät man ins Schaudern.

Stereotypes Libretto

Mit ihrem in allen Lagen klar konturierten und verschwenderisch vollen Mezzosopran gestaltet sie ein schlicht ergreifendes Rollenporträt dieser halb wahnsinnigen, halb visionären Frau. Sie schwankt zwischen loderndem Hass auf die Grafenfamilie, die zuvor ihre Mutter als vermeintliche Hexe ins Feuer geschickt hatte, Verzweiflung ob der furchtbaren Tat und unbändiger Liebe zum verbliebenen (aber eigentlich geraubten) und mittlerweile erwachsenen Sohn.

Die Handlung ist unbestreitbar ziemlich dick aufgetragen in dieser Oper nach einem sich ins schaurige Mittelalter zurückträumenden Stück des spanischen Autors Antonio García Gutiérrez. Das Libretto verbindet neben Hexenverbrennung und Kindesraub (die beide nur als Erzählung vorkommen, aber dennoch unabdingbar für das Verständnis der Handlung sind) auch noch Zigeunerromantik, Minnegesang, verfeindete politische Lager, eine Kloster- und eine Kerkerszene sowie nicht zuletzt natürlich die alles umrahmende obligate Liebesgeschichte mit eifersüchtigem und gewalttätigem Nebenbuhler. Ein etwas konfuses Ganzes also, das fraglos auf die schlimmstmögliche Wendung zusteuert.

Nichtsdestotrotz bot genau diese Ansammlung von Stereotypen dem Komponisten Verdi Gelegenheit für mitreissende Melodien und wirkungsvolle Chornummern. Das Berner Symphonieorchester bringt die Musik von «Il Trovatore» an der Premiere unter der Leitung von Jochem Hochstenbach kraftvoll und farbenreich zur Geltung. Gelegentlich hätte man sich die eine oder andere Begleitfigur zwar noch etwas subtiler vorstellen können oder wäre diese oder jene Koordination mit den Sängern auf der Bühne noch geschmeidiger denkbar. Dennoch sprüht aus dem Graben über weite Strecken gleichsam die Italianità.

Nicht ganz einfach macht es dieses Libretto hingegen der Regie, liegt doch der Funke, der die eröffnende Ausgangslage zur Explosion hin sich entwickeln lässt, weit in der Vergangenheit. Markus Bothe schafft es, diesen Auslöser mit Videoprojektionen (Fritz Gnad) bildhaft in die eigentliche Handlung zu holen.

Verloren im Skelett des Hauses

Mit einem von Kathrin Frosch entworfenen stilisierten Haus, das als Rückzugsraum dient und von dem allerdings in der zweiten Hälfte des Abends nur mehr das Skelett stehen bleibt, wird die Verlorenheit der Figuren visualisiert. Auf das Mittelalter bezogen und doch ins Heute übertragen sind neben diesem von einem Graben umgebenen Schutzort auch die von Pluderhosen, Lederwams und Reifröcken geprägten Kostüme von Justina Klimczyk.

Darüber hinaus werden von Bothe die Parallelen der Handlung betont: Gleich und doch anders verlaufen neben den zwei Schilderungen des Feuertods auch die beiden als Vergewaltigungsszenen inszenierten Auftritte der Kriegsknechte des Grafen beziehungsweise der Anhänger von Manrico (stimmgewaltig die von Zsolt Czetner einstudierten Chöre). Insgesamt gerät diese Gleichsetzung allerdings zu statisch – und auch bei den intimen Szenen der vier Protagonisten kommt die innere Emotion szenisch nur gelegentlich prägnant zum Ausdruck.

Vokale Glanzlichter

Vielmehr dominieren Rampengesang und altbekannte Sängergesten, die wiederum nicht so konsequent angewandt sind, dass sie als Stilmittel durchgehen könnten. Der eigentlich zündende Funke dieser Produktion liegt denn auch eher im grandiosen Gesang. Bis in die kleineren Rollen – unter anderem mit Young Kwon, Amber Opheim und Nazariy Sadivskyy grossartig besetzt – bieten die Berner Sängerinnen und Sänger schlicht grosse Oper. Zwar neigen insbesondere die beiden Liebenden Manrico und Leonora zum gelegentlichen Forcieren, doch abgesehen davon setzen sowohl Martin Muehle mit kernigem Tenor als auch die Sopranistin Lana Kos vokale Glanzlichter.

Neben der bereits erwähnten Azucena von Agnieszka Rehlis kommt dabei insbesondere der Conte di Luna von Jordan Shanahan als vielschichtige Figur über die Rampe. Sein farbmächtiger Bariton findet nicht nur eifersüchtige und grausame, sondern auch zarte und liebevolle Töne – bis ihn seine brennende Leidenschaft schliesslich unwissentlich zum Brudermord treibt.

Weitere Vorstellungen bis 20. April.