Giuseppe Verdis Oper „Don Carlo“ am Staatstheater Mainz gefeiert

Kaiser Karl V. (Stephan Bootz) spukt im Hintergrund, während König Philipp (Derrick Ballard) um Frieden angefleht wird.Foto: Andreas Etter  Foto: Andreas Etter
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Die Sopranistin Vida Mikneviciute, seit 2011 eine feste Größe im erfreulich starken Ensemble des Staatstheaters Mainz, hatte am Wochenende ein volles Programm: am Samstag in...

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MAINZ. Die Sopranistin Vida Mikneviciute, seit 2011 eine feste Größe im erfreulich starken Ensemble des Staatstheaters Mainz, hatte am Wochenende ein volles Programm: am Samstag in Mainz die Elisabeth in der Premiere von Verdis Schiller-Oper „Don Carlo“, am Sonntag die Senta in der Wiesbadener Wiederaufnahme von Wagners „Der fliegende Holländer“.

Von Gespenstern auf beiden Seiten des Rheins

Die Gespenster, die sie auf dem hessischen Geisterschiff trifft (und die ja ebenfalls aus der spanisch-niederländischen Halskrausen-Zeit stammen), werden die Sängerin nach den Erfahrungen in Rheinland-Pfalz kaum noch erschreckt haben. Die Mainzer Hausregisseurin Elisabeth Stöppler lässt es in ihrer Inszenierung der fünfaktigen italienischen Fassung von „Don Carlo“ nämlich ebenfalls nicht an Geistern fehlen, während Generalmusikdirektor Hermann Bäumer das kalte Grauen in Form von Kontrabass-Grummeln und Blechgewittern sehr plastisch aus dem Orchestergraben kriechen lässt.

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Opa Karl, der Fünfte, geistert schon bald als ganz klassisch weiß geschminktes Gespenster-Bleichgesicht über die Bühne. Später wird er sich zu einem grausamen Albtraum vervielfältigen: Die Karl-Wiedergänger schieben Grabplatten zur Seite und krabbeln aus der Gruft, während der (von Sebastian Hernandez-Laverny einstudierte) Chor unter gestrenger Halskrausen-Kostümierung blutige Leiber sehen lässt.

In dieser apokalyptischen Version von Verdis Ketzerverbrennung wird sehr deutlich: Nicht nur der Infant, der Kronprinz Don Carlos, der, ganz frisch verliebt, seine Elisabeth an den König abtreten muss, hat ein massives Vaterproblem. Auch Philipp leidet. Für die düstere Dynamik des Werks findet Elisabeth Stöppler, selbst wenn ihre Bühnen-Gespenster eine latent komische Note haben, immer wieder fesselnde Bilder, die eine Aufführungsdauer von dreieinhalb Stunden wie im Fluge vergehen lassen.

Weißkalte Gruftbilder für den Verlust der Hoffnung

Erheblichen Anteil am Erfolg der vom Publikum gefeierten Premiere haben die strenge Eleganz der Kostüme von Su Sigmund und Hermann Feuchters suggestive Bühne: Nur am Anfang, für die Begegnung von Don Carlos und Elisabeth in der Freiheit des Waldes von Fontainebleau, einem Traumbild des Infanten, gibt es warmes Kolorit in Form eines Herbstlaub-Vorhangs.

Von den Farben, in die auch Elisabeth gekleidet ist, werden später lediglich Grauwerte bleiben: Weißkalte Gruftbilder sind der Rahmen für den Verlust von Freiheitshoffnung und Leben. Elisabeth Stöppler erzählt diesen Prozess, der mit dem Freitod der Protagonisten durch Pistolenschüsse endet, in intensiver Personenführung. Im gestischen Ausdruck kann diese eine fast choreografische Note gewinnen. Dass das kaum geziert wirkt, ist dem Einsatz und der Glaubwürdigkeit vorzüglicher Sängerdarsteller zu verdanken: Derrick Ballard verkörpert die königliche Gewalt mit starker physischer und stimmlicher Präsenz. Dass sein Philipp die Einsamkeit der Macht im 4. Akt mit Prinzessin Eboli (Linda Sommerhage) teilen muss, gehört zu den weniger gelungenen Ideen: Die Präsenz der Geliebten mag die männliche Doppelmoral im Hause Habsburg verdeutlichen, verkleinert die Idee des Monologs aber auch in Richtung Gejammer.

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Der Tenor Philippe Do hat es nicht immer leicht in den Höhenlagen der Titelpartie, lässt aber im Duett mit Brett Carters vorzüglichem Marquis von Posa einen anrührend leidenschaftlichen Don Carlos hören. Stephan Bootz deckt das Grusel-Spektrum ab. Von Karl V. wandelt er sich zum Großinquisitor, der vielleicht ein wenig überdeutlich dem Klischee vom Schreibtischtäter entspricht: Zu Aktentasche, Bürokratenbrille und Hut gehört auch noch ein ordentlicher Stempel für die Tötungslizenz.

Das Licht, das Vida Mikneviciutes blendender Sopran in die Dunkelheit der spanischen Inquisition trägt, wird sich nicht durchsetzen.