Schon bei seiner österreichischen Erstaufführung in den 70er Jahren hat das 1945 in den USA uraufgeführte Stück in der Volksoper wenige Fans gefunden. "Molnar in Marzipan" lautete das Urteil des "Kurier" - ist "Carousel" doch die "überzuckerte" (Wiener Zeitung) Musicalfassung von Ferenc Molnars "Liliom", den man in Wien gut zu kennen meinte. Aus dem Prater-Strizzi und "Hutschenschleuderer" war der neuenglische Karussell-Ausrufer Billy Bigelow geworden, die düstere, aussichtslose Geschichte behübscht mit pathetischen Hymnen und beschwingten Tanzeinlagen, das Ende zu einer optimistischen Note gedreht.

Doch tut dem Werk unrecht, wer es nur als seichte Broadway-Übersetzung eines mitteleuropäischen Charakterstücks aburteilt. Innerhalb seines Genres ist "Carousel" vielmehr ein gewaltiges Wagnis, sowohl was das Format mit seiner riesigen Orchestrierung, als auch was seinen Inhalt betrifft. Allen musikalischen Trostpunkten zum Trotz hat Oscar Hammerstein die finstere Handlung nicht aufgeweicht und kommt über drei Stunden im Wesentlichen ohne Feelgood-Momente aus. Die Schlüsselszenen finden gänzlich ohne Musik statt und sind schauspielerisch mehr als fordernd, die Gesangsnummern sind für popmusikalisch gebildete Musicalsänger wiederum kaum zu bewältigen und werden daher meist aus dem Opernfach besetzt.

Gerade an der Volksoper, wo man mit Musicalklassikern aus dem angloamerikanischen Raum in den vergangenen Jahren viel Geschick bewiesen hat, durfte man hoffen, dass "Carousel" gemeistert wird, seine Eigenheiten in Stärken, seine weniger ohrwurmtaugliche, dabei aber durchaus anspruchsvolle Musik in ein symphonisches Erlebnis, seine schräge Traurigkeit, die mit dem Gestus mancher Wiener Operetten durchaus vergleichbar ist, in mitreißendes Musiktheater gewandelt wird. Doch dieses "Carousel" ist schlecht geölt, knirscht und bockt, lässt sich nur holprig ins Deutsche übersetzen (durch Regisseur Henry Mason), lässt sich nur metallen durchs Mikrofon singen, ist zu laut oder zu still, stürzt aus dem Orchestergraben (Dirigent: Joseph R. Olefirowicz) und bleibt manchmal einfach einfallslos stehen.

Mit Daniel Schmutzhard hat man in der Hauptrolle des Billy Bigelow auf einen tollen Sängerdarsteller gesetzt, der seine Sache redlich macht - und doch ebenso fehlbesetzt ist wie Mara Mastalir als Julie. Beiden geht die luftige Fatalität ihrer Charaktere ab, die ebenso tragische wie anziehende Unausweichlichkeit des Versagens als Wesenszug sowie jegliche gemeinsame Chemie. Auch das Buffo-Paar aus Carrie Pipperidge (Johanna Arrouas) und Enoch Snow (Jeffrey Treganza) macht sich einwandfrei, ohne als komödiantisches Fundament wirklich tragfähig zu sein. In der Szene hat Mason auf schlichte Historisierung gesetzt, die aber jene liebevolle Verspieltheit vermissen lässt, an die man sich an der Volksoper mittlerweile gewöhnen durfte (Ausstattung: Jan Meier).

Auch die Choreografie, im streckenweise pantomimisch angelegten "Carousel" ein fast ebenso bedeutungstragendes Element wie die Musik, wurde von Francesc Abos beherzt, aber nicht allzu originell eingelöst. Geliefert wie bestellt wurde wie üblich von Direktor Robert Meyer als trocken-weiser Sternwart, der den Selbstmörder Billy zwecks Nachholens guter Taten für einen Tag zurück auf die Erde schickt - wo dieser mit Mila Schmidt als Tochter Louise auf eine weitere erfreuliche Erscheinung trifft. Gesanglich überzeugen konnte neben Schmutzhard auch Atala Schöck als Nettie, die mit der Fußball-Hymne "You'll never walk alone" die wohl bekannteste - und vermutlich deshalb unübersetzt gebliebene - Nummer des Stücks anstimmen durfte. Die haben Rodgers und Hammerstein in einer Chorversion auch an ihr neu hinzugefügtes Ende gesetzt. Ein tapferer Schluss für einen tapferen Abend.