Händels „Alcina“ in Paris : Wo mit Verstand verzaubert wird
Von Jürgen Kesting
Lesezeit: 4 Min.
Karl Kraus über das Theater, variiert: Die Bühne gehört dem Sänger, und „der Komponist liefere nur die Gelegenheit“. In ,,Alcina“, der vierunddreißigsten seiner Opern, verschafft Georg Friedrich Händel seinen Sängern unendlich viele Gelegenheiten. Mit ihr, einer seiner prächtigsten, verwies er 1735 in London die konkurrierende Opera of the Nobility, die ihm zeitweise, insbesondere wegen des vergötterten Kastraten Farinelli den Rang abgelaufen hatte, in die Schranken, auch seinerseits mit Hilfe gottgleicher Sänger. Dem Kastraten Giovanni Carestini machte er acht Arien zum Geschenk und sechs der Sopranistin Anna Maria Strada del Po. Sie sind nicht schlagerkurz, sondern sieben, acht, selbst dreizehn Minuten lang. Mit ihnen, lauter Affekt- und Seelenbildern, versetzen derzeit Cecilia Bartoli und der Countertenor Philippe Jaroussky, das Publikum des kleinen Pariser Théâtre des Champs-Elysées in einen Zustand der Frenesie: Bartoli als Titelheldin beispielsweise „Ah! Mio cor“, in der zu erleben ist, wenn es denn nicht als Erleiden empfunden wird, wie die sich eine Frau in einer elegischen, von zarten Trillern durchwirkten Kantilene dem Leid der Liebe hingibt, im erregt aufbegehrenden zweiten Teil auf Rang und Würde besinnt und im Dacapo vom tiefsten Unglück kündet: der Erinnerung an das Glück.
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