Der böse Scarpia (Ludovic Tezier) hat Aufdringliches im Sinn, Tosca (Anja Harteros) versucht zu verhandeln.

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Salzburg – "Don" Scarpia wäre ein Musterkandidat für eine #MeToo-Erregung: Als mafioser Boss, der sich hier auf dem Heimtrainer für die Begegnung mit der Operndiva zurechtschwitzt, tarnt er seine Unterwerfungsgelüste zwar mit der Galanterie eines schnittigen Managers dubioser Geschäfte. Das Objekt seiner Erpressung, Tosca, die Maler Mario Cavaradossi eifersüchtig liebt, belädt er schließlich doch aggressiv mit dem Vollgewicht seiner Ekelhaftigkeit. Tatbestand "Machtmissbrauch im Sinne erpresserischen Begehrens" – erfüllt.x

Bekanntermaßen jedoch twittert und facebookt diese Tosca ihre Demütigung nicht an die Außenwelt. Sie rammt dem Monster ein Messer in die Brust, bevor sie später von der Engelsburg ins Jenseits springt.

Wobei: Regisseur Michael Sturminger sieht das etwas anders; er gönnt Scarpia noch etwas Zeit. Im Gegensatz zu Puccini lässt er ihn nicht in seinem Blut zu Ende röcheln, sondern überleben. Scarpia liefert sich, nachdem auf einem Hoteldach Kindermafiosi Toscas geliebten Mario mit Kugeln durchsiebt haben, mit der Diva ein letales Pistolenduell.

Etwas ins Heute verlegt

In dem – originale Schauplätze Roms opulent andeutenden – Ambiente (u. a. die Kirche Sant'Andrea della Valle; Bühnenbild von Renate Martin und Andreas Donhauser) führt Sturminger die Geschichte auch dem Heute zu. Leider wirkt etwa die Schießerei, mit der sich der politisch verfolgte Angelotti (respektabel: Andrea Mastroni) befreit, wie eine nicht zwingende Spielerei im Sinne plakativer Aktualisierung. Ihr entspringen auch Scarpias Düstermänner mit ihren Extra-large-Sonnenbrillen.

Puccinis Tosca, diese geniale Hochzeit von kantabler Lyrik und eruptiv ausbrechender Dramatik, inszeniert sich jedoch fast von selbst. Bis auf die opulente Kirchenszene delegiert Puccini das romantisch lodernde Wesen seines Werkes an die Intensität der Protagonisten. Tosca ist eine Art Kammerspielkerze, die an beiden Enden brennt. Sie ist ein Infight zwischen Erpressung, Eifersucht, Integrität und Amore in Zeiten politischer Repression.

All dies wächst regelrecht unvermeidlich aus vokaler und darstellerischer Anforderung. Und Anja Harteros liefert für diese melodramatische Explosion alles: Sie verfügt über schwebende, ansatzlose Pianokultur, ist unvergesslich lyrisch.

Gleichzeitig ist sie zu dramatischen Ausbrüchen fähig, denen ebenfalls größte Kultiviertheit zu eigen ist. Dies sucht wohl weltweit seinesgleichen: Als verzweifelt um Leben und Würde ringende Existenz ist Harteros selbst in diesem großen Salzburger Festspielraum eine grandios um subtile Details ringende Darstellerin.

Guter Bösewicht

Da kann Aleksandrs Antonenko (als Cavaradossi) kaum mithalten. Mitunter müht er sich eher kurzatmig durch die Partie. Immerhin lässt er die Sterne in seiner Schlussarie an entscheidender Stelle kraftvoll blitzen. Näher an Harteros' Niveau ist der Bösewicht: Ludovic Tezier liefert seinen Scarpia mit klarer und durchdringender Tönung. Und dies als kühler Vertreter einer adrett verpackten Gnadenlosigkeit.

Dirigent Christian Thielemann trifft die verschiedenen Aspekte dieser Musik prägnant: Die Intimität der Begegnung zwischen Tosca und Cavaradossi umzaubert er mit der Staatskapelle Dresden durch filigrane Klangpoesie. Den wilden Ausritten verleiht er wiederum Ausgewogenheit, ohne den Charakter der Struktur zu verwischen. Die Wellen an entfesselten orchestralen Emotionen lässt er also kontrolliert, doch voller Unmittelbarkeit auflodern.

Dafür wurde ihm herzlichst gedankt. Dem Applauscharakter zufolge wurde Sturminger aber etwas Widerspruch zuteil. 2019 gibt es bei den Osterfestspielen übrigens Wagners Meistersinger zu erleben. (Ljubisa Tosic, 26.3.2018)