Nach einem kurzen Ausflug ins deutsche Fach zur letztjährigen Jubiläumssaison sind die Osterfestspiele Salzburg nun wieder in Italien angekommen. Michael Sturminger setzte Puccinis "Tosca" bei der Premiere am Samstag im Großen Festspielhaus genau so um: sehr italienisch, sehr dramatisch.

Machtmissbrauch und leidenschaftliche Liebe ist es, was die Handlung von "Tosca" eng verwoben voran treibt. Unkontrollierte Machtausübung ist in unseren Breitengraden in der Gegenwart - zumindest in unserer Vorstellung - nur noch in der Schattenwelt möglich. Regisseur Michael Sturminger hat sich die Welt der Mafia als Spielraum ausgewählt. Scarpia ist ihr Anführer, inklusive schmieriger Handlanger und bis auf die Zähne bewaffnetem Sicherheitspersonal. Er residiert in einem schicken Büro im Palazzo Farnese, den Renate Martin und Andreas Donhauser für ihr Bühnenbild sehr originalgetreu nachgestellt haben, wie auch die anderen Schauplätze. Die historischen Räume sind voller Prunk, nur ein paar moderne Gegenstände dazwischen, wie eine Kaffeemaschine oder ein Trainingsgerät, erinnern dezent an die Gegenwart.

Michael Sturminger hat "Tosca" im Vorfeld schon mit einem perfekten Krimi verglichen. Auch seine Inszenierung hat etwas Filmisches: immer in Bewegung und ein großer Plot Point zum Schluss. Die Handlungsästhetik erinnert zeitweise an Mafiastreifen wie Scorseses "Goodfellas" und lässt auch einige Klischees nicht aus, jedoch bewusst gesetzt und immer mit einem Augenzwinkern versehen. Dies erweist sich als Wohltat für die Musik, die trotz der eindrucksvoll angelegten Kulisse und dem Tempo der Handlungen nicht in den Hintergrund gerät.

Renate Martin und Andreas Donhauser zeichnen für das Bühnenbild verantwortlich
Renate Martin und Andreas Donhauser zeichnen für das Bühnenbild verantwortlich © APA/BARBARA GINDL

Anja Harteros als Tosca zu überstrahlen dürfte auch nicht leicht sein. Äußerlich ist ihre Tosca eine stets gut zurechtgemachte italienische Operndiva. Mit dem Divengehabe spielt sie immer wieder genüsslich und die Wege von rasender Eifersucht, hin zu kokettierender Verführungskunst sind kurz. Stimmlich gibt Harteros ein viel feinfühligeres Personenporträt: Tosca als gebrochene Frau, die fast naiv an das Gute geglaubt hat und nun entdeckt, wie weit sie gehen kann. Die Paradearie "Vissi d'Arte" wird zum fast kleinlauten Bekenntnis dieser Tatsache, durch das sie ihre Sopranmelodien ganz schlank und anmutig hindurch führt. Dafür gibt es tosenden Szenenapplaus.

Anja Harteros als "Tosca"
Anja Harteros als "Tosca" © APA/BARBARA GINDL

Die stillen Momente sind in der Tosca dünn gesät, denn in erster Linie ist Puccinis Oper eines: laut und gewaltig. Christian Thielemann am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden greift in diese Vorgabe nicht ein, schafft letztlich aber eine ausgeglichene Mischung aus starken Tempi, großem Volumen und Platz für Ruhe. Diese Ruhe tut besonders Aleksandrs Antonenko als Cavaradossi gut, der in solchen Momenten vom leicht machohaften Künstler zu einem ehrlichen Liebenden wird. Seine Abschiedsarie "E lucevan le stelle" sprüht gerade so vor Trauer, ohne dabei anrührend zu werden. Das komplette Gegenteil davon: Ludovic Tezier, der als Scarpia der Parademafiosi ist: hart und grausam. Sinn für Romantik beweist er höchstens, wenn er mit Tosca alleine ist.

Ludovic Tezier (rechts) als Parademafiosi "Scarpia"
Ludovic Tezier (rechts) als Parademafiosi "Scarpia" © APA/BARBARA GINDL

So ein Gangster kann dementsprechend auch nicht einfach so von seiner Angebeteten erstochen werden. Und genau da greift Michael Sturminger noch einmal gewaltig in die Handlung ein. Nachdem Tosca feststellt, dass ihr Cavaradossi nicht nur zum Schein erschossen wurde, taucht Scarpia, wie von den Toten auferstanden, plötzlich wieder auf. Wie beim High Noon in einem Western stehen sich die beiden gegenüber, drücken ab und richten sich letztlich gegenseitig. Den Freitod hat Sturminger seiner Tosca nicht gegönnt. Für diesen Dreh hat das Publikum anerkennenden Applaus übrig. Für seine Sänger und Musiker großen Jubel und Bravo-Rufe.