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„Die Fledermaus“: Der Schwindel bleibt

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Stimmlich ein Traumpaar: Birger Radde und Patrica Andress als die Eisensteins in „Die Fledermaus“. - Foto: Jörg Landsberg
Stimmlich ein Traumpaar: Birger Radde und Patrica Andress als die Eisensteins in „Die Fledermaus“. © Jörg Landsberg

Bremen - Von Rolf Stein. Dass es nicht einfach werden würde, war irgendwie klar. Zwar hat Felix Rothenhäusler, Hausregisseur am Theater Bremen und als solcher vor allem im Schauspiel tätig, schon zwei Opernregien vorgelegt, die durchaus gewisse Rothenhäusler-Charakteristika aufwiesen. Allerdings ist es ja schon noch etwas anderes, ob es um Oper geht – oder um Operette.

Letztere erfährt seit einigen Jahren eine Renaissance, wird auf ihre, sagen wir mal: sittlich eher losen, Wurzeln lustvoll bezogen. Was aber passiert, wenn ein so konzeptionell arbeitender Regisseur wie Felix Rothenhäusler auf ein Paradestück des Genres losgelassen wird, das war am vergangenen Samstag zu sehen.

Szenischer Minimalismus, eine ausgefeilte Figurenaufstellung, das ausgeprägte und sichtliche Interesse daran, dem Text das Gewand der Gewohnheit abzuziehen – das lässt sich auch in Rothenhäuslers Inszenierung der „Fledermaus“ von Johann Strauß beobachten.

Dass damit einiges vehement vom Tisch gewischt ist, bedarf eigentlich kaum einer Erwähnung. Allerdings strapaziert dieser Ansatz offenbar Teile des Publikums über Gebühr. Zumindest gab es am Premierenabend für das Regie-Team einige lautstarke Buhrufe. Das ist in einem gewissen Sinn natürlich Folklore. Andererseits ist es auch irgendwie angemessen – zumindest wenn das, was ein Blick ins kollektive Bewegtbildgedächtnis namens Youtube unter dem Stichwort „Die Fledermaus“ zutage fördert, immer noch Stand der Aufführungspraxis ist.

Sie macht sehr viel Spaß

Aber wie ist sie denn nun, die Rothenhäusler-Intervention? Kurz gesagt: Sie ist analytisch, sie ist hoch raffiniert, und sie macht sehr viel Spaß. Was natürlich auch mit der Musik zu tun hat. Generalmusikdirektor Yoel Gamzou, der das Werk zu seinen Favoriten zählt, lässt die Bremer Philharmoniker hinreißend präzise aufspielen, arbeitet mit virtuosen Differenzierungen in Tempi und Dynamik – und dann diese Stimmen!

Birger Radde beispielsweise als Gabriel von Eisenstein und Patrica Andress als dessen Gemahlin – zumindest stimmlich, wenn schon nicht dem Libretto gemäß, ein veritables Traumpaar. Oder Ulrike Mayer als überdrüssiger Prinz Orlofsky. Und natürlich Hyojong Kim als Eisensteins Nebenbuhler Alfred, Marysol Schalit als Adele – das wäre Stoff für Operettenseligkeit auf höchstem Niveau.

Wenn eben nicht alles anders wäre. Statt irgendwelcher Fin-de-siecle-Möbel sehen wir: nichts. Bis schon bald ein extrem raffiniertes Vorhang-Ballett einsetzt. Ein Traum in Blau. Bühnenbildnerin Katharina Pia Schütz lässt den schimmernden Stoff auf mehr als einem Dutzend Ebenen fließen, das Geschehen ver- und enthüllen. Schon allein das ist eine Schau. Hinter den Vorhängen arrangiert Rothenhäusler das Personal immer wieder neu, was wir aber nicht sehen – wegen des Vorhangs.

Relative Statik

Was übrigens auch eine reizvolle Neufassung des Stellungsspiels ist, das Rothenhäusler zu einer Art Grundprinzip seiner Arbeit gemacht hat. Diese relative Statik ist, neben der Abwesenheit von Kulissenkitsch, ein wesentliches distanzierendes Moment. Dazu kommt noch die neue Fassung der Dialoge zwischen den bekannten Arien, die der Regisseur extra trocken referieren lässt. 

Versinnbildlicht findet sich diese Strategie in der Derwisch-Einlage von Hauke Heumann, den das Publikum vor allem aus den Arbeiten von Gintersdorfer/Klaßen kennt und der hier den Frosch gibt. Unermüdlich strebt er nach Ekstase, und wir sehen ihm dabei zu. Wobei wohl außer einem Schwindel nichts dabei herauskommen dürfte.

Das Verlangen, dem profanen Alltag zu entrinnen, ist für das bürgerliche Individuum ohne eine gewisse Lächerlichkeit offenbar nicht zu haben. Vielleicht ist es die kühle Klarheit dieses Spiegelbilds, die Teile des Publikums ungern zur Kenntnis nehmen. Auch deswegen sei diese Aufführung ausdrücklich empfohlen.

Die nächsten Termine: Samstag, 7. April, Freitag, 20. April, jeweils 19.30 Uhr, Sonntag, 22. April, 18 Uhr, Theater am Goetheplatz, Bremen.

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