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Premiere an der Staatsoper

Kay Voges inszeniert „Aida“ an der Staatsoper Hannover

Heimliche Hauptfigur: Khatuna Mikaberidze als Amneris in der „Aida“-Inszenierung von Kay Voges an der Staatsoper Hannover.

Heimliche Hauptfigur: Khatuna Mikaberidze als Amneris in der „Aida“-Inszenierung von Kay Voges an der Staatsoper Hannover.

Hannover. In den erheblichen Applaus mischen sich nur wenige Buh-Rufe: Das ist die wohl wichtigste Information am Ende der mit Spannung erwarteten „Aida“-Premiere an der Staatsoper Hannover. Schließlich hat Kay Voges Regie geführt, der Dortmunder Schauspiel-Intendant, der hier vor drei Jahren mit einem originellen „Freischütz“ und freundlicher Unterstützung der hannoverschen Kulturpolitik einen veritablen Opernskandal heraufbeschworen hat. Bei „Aida“ aber bleibt der Sturm der Entrüstung nun aus: Voges’ Inszenierung geht in der ausverkauften Staatsoper glatt durch. Genau das ist allerdings auch ein Problem der neuen Produktion – aber davon später.

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Sensation im Graben

Das eigentliche Ereignis des Abends findet nämlich gar nicht auf der Bühne statt – bemerkenswert ist vor allem das, was aus dem Orchestergraben davor tönt. Dirigent Iván Repusic hat das Staatsorchester auf einen fabelhaft stilsicheren Verdi-Klang eingeschworen. Anders als beim hier sonst gepflegten Mischklang in der Tradition von Wagner und Strauss bleiben die einzelnen Instrumentengruppen dabei streng getrennt. Die Holzbläser singen in wunderbaren Soli, die Blechbläser trauen sich, schmetternd aufzuspielen, und die Streicher tönen selbst im Pianissimo und in den höchsten Lagen stets sauber und konsistent.

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Repusic erinnert daran, dass es Verdi weniger um Klangzauber als um handfeste musikalische Dramatik ging. So ist seine „Aida“ voll auftrumpfender Grandezza und zarter Lyrik, bei der man mal kämpferisch die Faust in die Luft recken möchte und mal angerührt ist von der lichten Klarheit eines ganz und gar unkitschigen Gefühls. Besser lässt sich das wohl kaum machen.

Eine starke Konkurrentin

Diese starke, aber oft auch lautstarke Vorlage aus dem Graben ist für die Sänger Hilfe und Herausforderung zugleich: Sie wirkt emotionsverstärkend, verlangt aber erhebliche Anstrengungen. Schonen kann sich bei diesen aberwitzig schwierigen Partien aber ohnehin niemand. Der eingesprungene Tenor George Oniani stürzt sich als Radamès dann auch mit beeindruckender Kraft auf diese Paraderolle – allerdings fehlen ihm so im letzten Akt die Reserven für die zarte Zwischentöne. Karine Babajanyan weiß in der Titelpartie mit ihren Möglichkeiten besser hauszuhalten: Obwohl sie vor allem bei den Spitzentönen manchmal an Grenzen stößt, gelingen ihr immer wieder schöne Momente. Stimmlich verliert ihre Aida allerdings das Duell gegen ihre Konkurrentin Amneris: Khatuna Mikaberidze ist hier eine außergewöhnlich kraftvolle, klare, differenzierte, empfindsame und klangschöne Königstochter.

Der stark geforderte Chor schwingt sich zu beeindruckender, wenn auch nicht immer ganz homoger Demonstration der Klangstärke auf, und die etwas kleineren Solo-Partien sind durchweg luxuriös besetzt: Shavleg Armasi ist ein stimmlich durchaus anbetungswürdiger Oberprieser, Brian Davis ein vital aufbrausender Äthiopier-König, und als sein ägypischer Amtskollege ist der seriöse Daniel Eggert mehr als die Schießbudenfigur, die Regisseur Voges in der Rolle sieht.

Die Könige und ihr Krieg, der vor allem die erste Hälfte des Abends bestimmt, reizen Voges zu einer Fülle von Assoziationen. Es gibt Videos von zerbombten Städten und zeitgenössischen Potetanten aller Couleur. Es werden verschiedene Fahnen geschwungen und Fake News produziert. Im szenisch heiklen Triumphmarsch lässt der Regisseur vergleichsweise brav die vorgesehenen Menschenmassen und Bühnentrompeter aufmarschieren. Ungewöhnlich ist eher seine Version des (oft gestrichenen) Balletts zwischen den Marschteilen: Statt wie vorgesehen das Kriegsgeschehen nachzuzeichnen, lässt er einen schwarzen Vorhang vor die Bühne senken, auf dem Fragen zu lesen sind wie „Gibt es eine richtige ,Aida‘-Inszenierung ohne Elefanten?“. Das provozierte die einzigen Zwischenrufe des Abends.

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Die Beschäftigung mit der Rezeption der Oper, die in der Elefantenfrage mitschwingt, ist ein weiteres zentrales Thema in Voges Inszenierung, das Anlass gibt, tatsächlich einige Elefanten und ein Krokodil (und gleich noch einige aus dem „Freischütz“ entsprungene Kuscheltiere) über die Bühne zu jagen. Dazu kommen ein Lego-Video mit Pyramiden, ein paar Plastikpalmen, ein Eimer Sand und die putzige Kleopatra-Frisur von Amneris (Kostüme: Mona Ulrich). Als weiteres Element erzählt der Regisseur die Oper einmal mehr aus einer vermeintlichen Probensituation heraus. Die Sänger sitzen auf Plastikstühlen in provisorischen Kulissen (Bühne: Daniel Roskamp) und können in ihre Rollen hinein- und wieder herausspringen. Dazu kommen ab und an Video-Großaufnahmen (Voxi Bärenklau und Mario Simon), auf denen sich die inneren Kämpfe der drei Hauptakteure in bizarren Gesichts-Metamorphosen widerspiegeln.

Zum einem großen Ganzen aber wollen sich die für sich oft originellen und unterhaltsamen Elemente aber nicht fügen. Zudem scheint sich die Zahl der szenischen Einfälle zum Ende hin stärker auszudünnen, als die wachsende Intimität des Stückes es vorgeben würde. Am Schluß scheint sich das gemeinsam im Grab eingeschlossene Liebespaar in einem groß auf einen Gazevorhang projiezierten Video in übersinnlichen Flammen aufzulösen, während die reuige Nebenbuhlerin am Bühnenrand zusieht und doch nicht einschreiten kann. Das wirkt alles so elegant und souverän wie eine Götz-Friedrich-Inszenierung aus den Achtzigerjahren. Eigentlich eine sichere Variante. Aber damit eben auch das das Gegenteil von dem, was man sich von einem Regisseur wie Voges erhoffen kann.

Die nächsten Vorstellungen sind am 17., 21. und 18. April sowie am 10. und 18. Mai.

Von Stefan Arndt

HAZ

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