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Pygmalion / Ariadne

Pygmalion
Oper in einem Akt
Text von Antonio Simeone Sografi nach Pygmalion von Jean-Jacques Rousseau und den Metamorphosen von Ovid
Musik von Gaetano Donizetti

Ariadne
Oper in einem Akt
Dichtung von Georges Neveux
Musik von Bohuslav Martinů

in italienischer Sprache (Donizetti) und in französischer Sprache (Martinů) mit deutschen Übertiteln 

Aufführungsdauer: ca. 2h 5' (eine Pause)

Premiere im Theater Duisburg am 22. April 2018


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Rheinoper
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Irrwege der Liebe

Von Thomas Molke / Fotos: © Birgit Hupfeld

Vor zwei Spielzeiten haben sich an der Deutschen Oper am Rhein im Rahmen der Plattform Young Directors zwei aufstrebende Jung-Regisseure im Theater Duisburg mit jeweils einem Operneinakter vorgestellt (siehe auch unsere Rezension). Nun wird dieses Konzept in Duisburg wieder aufgegriffen und zwei Künstlern des Ensembles die Möglichkeit gegeben, am eigenen Haus selbst Inszenierungen zu entwickeln. In diesem Jahr ist die Wahl auf zwei Operneinakter gefallen, die auf den ersten Blick nur gemeinsam haben, dass sie beide eine mythologische Geschichte behandeln. Doch auch wenn die beiden Werke in völlig unterschiedlichen Zeiten entstanden sind, liegt zwischen den beiden Uraufführungen lediglich ein einziges Jahr Unterschied, da beide Werke erst postum uraufgeführt wurden. Als "Newcomer" kann man die Regie-Teams im eigentlichen Sinne aber nicht bezeichnen. Volker Böhm ist nämlich bereits seit 2009 als Erster Spielleiter am Haus beschäftigt und hat nicht nur bei diversen Festivals, sondern auch an der Deutschen Oper am Rhein Regieerfahrungen sammeln können. Kinga Szilágyi hat bereits mit privaten und semiprofessionellen Schauspielgruppen und Musikensembles eigene Inszenierungen erarbeitet und ist seit 2014 als Regieassistentin an der Deutschen Oper am Rhein beschäftigt. Auch die beiden musikalischen Leiter besitzen an der Deutschen Oper am Rhein einen gewissen Bekanntheitsgrad. Ville Enckelmann ist seit 2014 musikalischer Leiter des Opernstudios und dirigierte in dieser Funktion unter anderem Hartmanns Wachsfigurenkabinett (siehe auch unsere Rezension). Jesse Wong übernahm bereits vor zwei Jahren im Rahmen von Young Directors die musikalische Leitung des Operneinakters What Next? von Elliot Carter.

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Pygmalion (Ovidiu Purcel) zwischen seinen Kunstwerken (Statisterie)

Den Anfang macht Donizettis Einakter Il Pigmalione. Hierbei handelt es sich vermutlich um sein Erstlingswerk, das er als 19-jähriger Student 1816 in Bologna komponierte, während er bei dem berühmten Padre Stanislo Mattei eigentlich die Beherrschung des Kontrapunktes und das Komponieren von Fugen erlernen sollte. Wahrscheinlich wollte er mit der kurzen Oper seinen ehemaligen Lehrer Johann Simon Mayr beeindrucken, von dem er in seiner frühen Jugendzeit in Bergamo unterrichtet worden war. Warum das Werk damals nicht zu einer Aufführung kam, ist heute nicht bekannt. Vielleicht hat Donizetti diesen Erstling, der innerhalb eines halben Monats entstand, nur als eine musikalische Übung angesehen. Vielleicht war Padre Mattei aber auch das Sujet zu frivol. Erst 1960 gelang das Werk im Teatro Donizetti in Bergamo zur Uraufführung und führt bis heute ein absolutes Schattendasein. Erzählt wird die Geschichte des zypriotischen Königs Pygmalion, der von den Frauen enttäuscht ist und sich sein weibliches Idol in Form einer Statue aus Elfenbein erschafft. Dabei verliebt er sich so sehr in sein eigenes Kunstwerk, dass er die Götter darum bittet, die Statue zum Leben zu erwecken. Venus erfüllt seinen sehnlichsten Wunsch und verwandelt die Gestalt in Galathea, eine Frau aus Fleisch und Blut.

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Traum oder Wirklichkeit: Galathea (Lavinia Dames) erwacht zum Leben (Mitte: Pygmalion (Ovidiu Purcel)).

Volker Böhm vertraut mit seinem Regie-Team dem glücklichen Ende der Geschichte nicht und lässt den Titelhelden am Ende Zuflucht bei seinen Statuen suchen. Leif-Erik Heine hat für die Inszenierung ein antik anmutendes, halbrundes Künstlerstudio mit zahlreichen Nischen eingerichtet, in denen zahlreiche von Pygmalion geschaffene Statuen zumindest in dessen Phantasie zum Leben erwachen. Da sieht man mit großer Detailverliebtheit Figuren wie Venus, Medusa, Jupiter, den Minotaurus und Ikarus. Im Gegensatz zu Galathea sind diese Statuen dunkler gehalten, während Galathea in ihrer schneeweißen Gestaltung absolut makellos wirkt. In der Nähe der Rampe ist ein riesiges Bett aufgebaut, in dem zu Beginn eine Frau für den Künstler posiert und auch gleichzeitig deutlich macht, was Pygmalion an den realen Frauen verachtet. Bei ihrem Abgang gibt sie sich relativ gewöhnlich und fordert sehr bestimmt das Geld für die von ihr erbrachte Dienstleistung ein. Musikalisch zeigt sich in den knapp 45 Minuten bereits Donizettis großes Talent. In wunderbaren Melodiebögen zeichnet Ville Enckelmann am Pult der Duisburger Philharmoniker die Sehnsucht des Künstlers nach. Mit Ovidiu Purcel verfügt die Deutsche Oper am Rhein über einen begnadeten Tenor, der mit strahlend ausgesungenen Höhen ohne zu forcieren die Verliebtheit des Künstlers in sein Werk glaubhaft darstellt. Außerdem begeistert er durch eine enorme Kondition, da er sich die erste halbe Stunde quasi ununterbrochen von einer Kantilene in die nächste schwingt, während nur kurze Rezitative Zeit zur Erholung geben. Lavinia Dames darf als Galathea mit leuchtendem Sopran erst relativ spät in den Gesang einsteigen. Nachdem Pygmalion sie von dem Podest im Hintergrund auf das Bett umgelagert hat, erwacht sie zwar relativ schnell zum Leben, was aber wahrscheinlich eher Pygmalions Phantasie entspringt. Kurz bevor er sich nach dem glücklichen Liebesduett zu ihr auf das Bett legt, flüchtet der Künstler zu einer neuen Statue im Hintergrund.

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Ariadne (Heid Elisabeth Meier) und Theseus (Laimonas Pautienius) haben sich ineinander verliebt.

Der zweite Einakter beschäftigt sich mit dem Ariadne-Mythos und wurde von dem tschechischen Komponisten Bohuslav Martinů parallel zu seiner letzten großen Oper, der griechischen Passion, 1958 komponiert. Das große Lamento der Titelfigur am Ende der Oper war eigentlich für Maria Callas gedacht, deren Darstellungskunst ihn zur Komposition dieses Werkes nach Georges Neveux' 1942 entstandenem Drama Le voyage de Thésée angeregt haben soll. Callas selbst hat dieses Werk jedoch nie gesungen. 1961 kam es zwei Jahre nach Martinůs Tod am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen zur Uraufführung, wobei es mit Kurt Weills Mahagonny-Songspiel und Ivo Lhotka-Kalinskis Der Analphabet zu einem Triptychon erweitert wurde. In der Dichtung von Neveux liebt Ariadne eigentlich ihren Halbbruder, den Minotaurus, der sich als  Schatten des Theseus entpuppt, der mit sechs weiteren jungen Männern aus Athen nach Kreta gekommen ist, um den Minotaurus, also gewissermaßen sich selbst, zu bekämpfen. Dabei verliebt sich Theseus in Ariadne und vergisst zunächst seine Mission, bis sein Freund Burun vom Minotaurus getötet wird. Schweren Herzens entscheidet sich Ariadne, Theseus im Kampf gegen ihren Halbbruder zu unterstützen und schenkt ihm den Faden, mit dem er wieder den Weg aus dem Labyrinth herausfinden soll. Theseus tötet mit dem Minotaurus den Teil von sich, der Ariadne liebt, und beschließt, der Vernunft zu gehorchen. Siegreich segelt er nach Athen zurück, während Ariadne Selbstmord begeht.

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Theseus (Laimonas Pautienius, vorne) begegnet in dem Minotaurus (Lukasz Konieczny, hinten) seinem Schatten.

Martinů legt die Musik in dieser Oper sehr tonal an und arbeitet lautmalerisch in drei Sinfonien die jeweilige Stimmung der Protagonisten differenziert heraus. Das Regie-Team um Kinga Szilágyi findet dafür eindrucksvolle surreale Bilder. Theseus unterscheidet sich in seinem weißen Matrosenanzug kaum von den anderen Jünglingen, die gemeinsam mit ihm nach Athen segeln. Abstrakte weiße Bühnenelemente, die an kurvige Bahnschienen erinnern, zeigen Theseus mit seinen Gefährten auf dem Weg nach Kreta. Das Labyrinth wird dann von weißen schmalen Bögen angedeutet, die aus dem Schnürboden herabhängen und über die Bühne schwebend ihre Position verändern, um die Irrwege im Labyrinth anzudeuten. Ariadne tritt zunächst in einem ähnlichen Kostüm wie die Athener auf, um sich dann in eine wunderschöne Frau zu verwandeln, die mit langen blonden Haaren und einem roten Überrock fast schon sirenenhafte Züge annimmt. Wenn Theseus das erste Mal das Labyrinth betritt, wird er von zahlreichen Gestalten umgeben, die optisch an den Minotaurus erinnern. Doch hierbei handelt es sich wohl nur um Phantasievorstellungen. Wenn der Minotaurus am Ende nämlich tatsächlich auftritt, erscheint er als schwarzer Schatten, der den gleichen Faden in der Hand hält wie Theseus selbst. Der Kampf zwischen Theseus und seinem Schatten wird dann surreal in Szene gesetzt. Nachdem Theseus rationale Seite seinen emotionalen Teil in Form des Schattens besiegt hat, muss er auch noch die anderen Jünglinge auf die richtige Spur bringen, die Ariadne zunächst noch umgarnen. So bleibt Ariadne schließlich allein zurück und hat ein musikalisch bewegendes Lamento, das eng an Monteverdis Klagemusik angelehnt ist.

Heidi Elisabeth Meier begeistert als Ariadne mit klaren Höhen und einer großen Melancholie im Lamento am Ende der Oper. Laimonas Pautienius stattet Theseus mit einem dunklen, markanten Bariton aus. Beeindruckend stellt er den inneren Kampf des Helden zwischen Gefühl und Vernunft dar. Lukas Konieczny stattet den Minotaurus und den alten Mann in Kreta mit profundem Bass aus und gestaltet Theseus' Alter Ego darstellerisch sehr überzeugend. Auch die übrigen Partien sind gut besetzt. Jesse Wong lotet mit den Duisburger Philharmonikern die surrealen Klangfarben von Martinůs Musik eindrucksvoll aus, so dass es am Ende begeisterten Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Den beiden Regie-Teams gelingen beeindruckende Umsetzungen von zwei völlig unterschiedlichen Operneinaktern, die auch musikalisch auf hohem Niveau überzeugen.


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Produktionsteam

Bühne
Leif-Erik Heine

Licht
Franz-Xaver Schaffer

Dramaturgie
Hella Bartnig

 

Duisburger Philharmoniker

 

Pygmalion

Musikalische Leitung
Ville Enckelmann

Inszenierung
Volker Böhm

Kostüme
Guido Reinhold

Solisten

Pygmalion
Ovidiu Purcel

Galathea
Lavinia Dames

Statisterie
Markus Gansel
Maike Graf
Max Hytrek
Lara Kache
Simon Kaulhausen
Yale Sevis
Philipp Vorjohann

 

Ariadne

Musikalische Leitung
Jesse Wong

Inszenierung
Kinga Szilágyi

Kostüme
Ronja Reinhardt

Choreographie
Michal Matys

Solisten

*Premierenbesetzung

Ariadne
Heidi Elisabeth Meier

Theseus
Laimonas Pautienius

Burun / Wächter
Luis Fernando Piedra

Jünglinge
*Bryan Lopez Gonzalez
*Peter Aisher
*James Martin
*David Jerusalem
Gereon Grundmann
*Beniamin Pop

Minotaurus / Alter Mann
Lukasz Konieczny

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper am Rhein
(Homepage)



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