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Musiktheater
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Orlando paladino

Dramma eroicomico in drei Akten
Text von Nunziato Porta nach Carlo Francesco Badini

Musik von
Joseph Haydn

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 35' (eine Pause)

Premiere im Stadttheater Bielefeld am 27. April 2018


 

Logo: Theater Bielefeld

Theater Bielefeld
(Homepage)

Im Reich der Leuchtstoffröhren

 Von Thomas Molke / Fotos: © Sarah Jonek

Obwohl Joseph Haydn in seinem Opernschaffen eine große Experimentierfreude bewies, indem er Gattungsgrenzen überschritt und heitere Themen mit ernsten, heroische Elemente mit pastoralen kombinierte, so dass der berühmte österreichische Dirigent und Musikschriftsteller Nikolaus Harnoncourt ihn einmal als den "witzigsten Komponisten der Wiener Klassik" bezeichnete, stehen seine Opern heute eher selten auf den Spielplänen. Lediglich seine beiden Oratorien Die Schöpfung und Die Jahreszeiten und seine Orchesterwerke konnten sich im Konzertrepertoire halten. Da verwundert es schon, dass seine vorletzte Oper, das Dramma eroicomico Orlando paladino, in dieser Spielzeit gleich an drei deutschen Opernhäusern Premiere feiert. Nachdem das Theater Hagen im Februar eine Bearbeitung und Übersetzung des Regisseurs Dominik Wilgenbus unter dem Titel Ritter Roland präsentiert hat (siehe auch unsere Rezension), stellt nun auch das Theater Bielefeld, das sich neben dem Standardrepertoire häufig vergessenen Werken widmet, dieses Stückes auf den Spielplan, bevor dann ab Juli im Rahmen der Münchner Opernfestspiele an der Bayerischen Staatsoper München die dritte Neuproduktion in diesem Jahr zu erleben sein wird.

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Auf der Flucht vor Orlando: Angelica (Cornelie Isenbürger) und Medoro (Lianghua Gong)

Ursprünglich war die Oper für den Besuch eines russischen Großfürsten auf Schloss Esterháza geplant und erlebte ihre Uraufführung am Namenstag des Fürsten Esterházy. Mit der Verbindung von Elementen der Commedia dell'arte, der Opera seria, der Zauberoper und des Ritterepos gehörte das Werk schnell zu Haydns erfolgreichsten Opern. Das Libretto von Nunziato Porta, der ab 1781 als Operndirektor in Esterháza tätig war, geht zurück auf das berühmte Versepos Orlando furioso von Ludovico Ariosto aus dem 16. Jahrhundert, das mit seinen insgesamt 46 Gesängen als Vorlage für zahlreiche Opern diente. Die bekanntesten dürften heute noch Vivaldis gleichnamige Oper und Händels Alcina sein. Erzählt wird die Geschichte des Kreuzritters Orlando (Roland), der sich in die schöne Königin von Katai, Angelica, verliebt hat. Diese ist jedoch mit Medoro liiert, was Orlando in den Wahnsinn treibt und zum "Orlando furioso" (rasenden Roland) macht. Auf der Flucht vor Orlando verstecken sich Angelica und Medoro in einem Turm und bitten die Zauberin Alcina um Hilfe. Diese schafft es zunächst, Orlando zu bändigen. Angelica und Medoro fliehen auf einem Boot über das Meer. Orlando verfolgt sie erneut, wird jedoch von Alcina zum Eingang der Unterwelt geführt. Dort trifft er auf den Fährmann Caronte, der ihn mit dem Wasser aus dem Fluss des Vergessens von seinem Wahnsinn heilt. So vergisst er Angelica und kann sich erneut seinen Aufgaben als Kreuzritter widmen. Angelica ist nun glücklich mit ihrem Medoro vereint, und Orlandos Knappe Pasquale bekommt die Schäferin Eurilla zur Frau.

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Rodomonte (Caio Monteiro, Mitte) ist auf der Such nach Orlando, um sich mit ihm zu duellieren, und befragt Licone (Yoshiaki Kimura, links) und Eurilla (Nienke Otten).

Das Regie-Team um Felicitas Brucker verzichtet im Gegensatz zur Hagener Inszenierung auf eine Karikatur mit Fantasy-Elementen und siedelt die Geschichte in einer Art Labor an, in der Alcina die weiteren Protagonisten durch zahlreiche Turbulenzen zu einem friedlichen Miteinander in eine innerliche Leere führt. Den anderen Figuren sind dabei zunächst die Augen verbunden, um ihre Orientierungslosigkeit anzudeuten. Orlando sitzt mit einer E-Gitarre an der Bühnenrampe auf der linken Seite und wird als Ritter mit Schwert und Helm ausstaffiert, um im weiteren Verlauf die anderen Figuren durch Alcinas abstrakt gehaltenes Reich zu jagen. Marlene Lockemann hat dafür ein Bühnenbild mit zahlreichen Leuchtstoffröhren entwickelt, das durch Einsatz der Drehbühne und verschiedene Lichteinstellungen blitzschnelle Szenenwechsel ermöglicht. So sieht man in der ersten Szene die Schäferin Eurilla mit zwei Leuchtschafen und pink gefärbten Hügeln im Hintergrund, während sie mit einer Laubsäge üppige grüne Leuchtbüsche zu geometrisch hochragenden Rechtecken zurechtstutzt. Angelica versteckt sich derweil mit Medoro in einem Turm, in dem in einem Fenster im Hintergrund die pink gefärbten Hügel wieder aufgegriffen werden. Nicht alle Leuchtbilder erschließen sich. So bleibt unklar, was der große aufgerissene gelbe Mund bedeuten soll oder wieso Rodomonto, der die ganze Zeit auf der Suche nach Orlando ist, um sich mit ihm zu duellieren, auf ein Skelett eines Dinosauriers trifft. Die ständigen Szenenwechsel verleihen der Inszenierung allerdings enormes Tempo.

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Alcina (Hasti Molavian, oben) setzt mit ihrer Zauberkraft Orlando (Daniel Pataky, Mitte unten) außer Gefecht (links: Eurilla (Nienke Otten), auf der rechten Seite von links: Licone (Yoshiaki Kimura) und Pasquale (Lorin Wey)).

Für komische Momente sorgt vor allem Lorin Wey als Orlandos Knappe Pasquale, für den Haydn großartige Buffo-Arien komponiert hat, die ihn wie eine Vorlage für Mozarts Leporello erscheinen lassen. So erinnert seine große Arie "Ho viaggiato", in der er aufzählt, welche Orte er mit seinem Herrn schon alles bereist hat, wie ein Vorläufer der berühmten Register-Arie aus Don Giovanni. Einen weiteren Höhepunkt stellt seine "Orchester-Arie" "Ecco spiano" dar, in der er Eurilla verführt und auf ihr wie auf diversen Instrumenten spielt. Nienke Otten begeistert dabei als Schäferin Eurilla mit mädchenhaftem Sopran und keckem Spiel. Caio Monteiro setzt als Rodomonte, dessen Lebenstraum ein Kampf mit dem als unbesiegbar geltenden Orlando ist, ebenfalls komische Akzente. Mit kräftigem Bariton zeichnet er den etwas einfach gestrickten Kämpfer recht grobschlächtig und macht durch ständiges Zucken und Schläge gegen den eigenen Kopf deutlich, dass er seine Aggressionen auch nötigenfalls gegen sich selbst richtet. Stimmlich trumpft er vor allem zu Beginn des zweiten Aktes auf, wenn er erneut den Zweikampf gegen Orlando verpasst hat und ihm nur ein Leucht-Skelett bleibt, an dem er seine Wut auslassen kann. Im Gegensatz zu den komischen Figuren steht das stets leidende Liebespaar Angelica und Medoro. Cornelie Isenbürger stattet die schöne Angelica mit leuchtenden Höhen und sauberen Koloraturen aus und bringt ihre ständige Sorge um ihren Geliebten Medoro und die Angst vor Orlando überzeugend zum Ausdruck. Lianghua Gong verfügt als Medoro über einen weichen Tenor, der den Leiden des ständig suizidgefährdeten jungen Mannes mehr als gerecht wird. Nur bei einer Arie im zweiten Akt hat er in der Premiere noch leichte Probleme bei den Tempi in der Abstimmung mit den Bielefelder Symphonikern. Da müsste noch ein bisschen nachgebessert werden.

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Alcina (Hasti Molavian, Mitte) verabreicht Orlando (Daniel Pataky, Mitte) mit Carontes (Yoshiaki Kimura, rechts) und Eurillas (Nienke Otten, hinten) Hilfe das Wasser des Flusses Lethe.

Hasti Molavian punktet als Zauberin Alcina mit einem satten Mezzosopran. Optisch wirkt sie mit ihren weißen hochtoupierten Haaren in dem sterilen Anzug wie ein Wesen aus der Zukunft. Daniel Pataky stattet die Titelpartie mit kräftigem Tenor und genügend Strahlkraft in den Höhen aus. Szenisch gut umgesetzt wird sein Wahnsinn, wenn er auf sich selbst in Form eines Statisten trifft, der von Angelica so besessen ist, dass sie ihm in Gestalt von fünf Statistinnen begegnet. Während seine Versteinerung und Fesselung auf der mit Leuchtstoffröhren ausgestatteten Bühne erfolgt, wird am Schluss, wenn Alcina klar ist, dass diese ganzen Versuche nicht reichen, um Orlandos Wahn zu bremsen, die Drehbühne nach hinten gezogen. Aus dem Bühnenboden steigt ein weißer Nebel empor, der wohl für den Fluss Lethe steht, durch den Orlando in die Unterwelt schreitet. Doch das allein reicht immer noch nicht, um ihn von seinem Wahnsinn zu heilen. Alcina, Eurilla und Caronte treten nun als Ärzte auf und spritzen ihm das Wasser des Vergessens in den Mund. Die Bühne wird von weißen sterilen Vorhängen eingerahmt, die für die Leere stehen. Hier kommt es dann zur "glücklichen" Auflösung. Welchen Preis die Figuren dafür zahlen müssen, bleibt fraglich. Merijn van Driesten arbeitet mit den Bielefelder Philharmonikern den frischen Klang der Musik differenziert heraus, so dass es am Ende verdienten Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Die Bielefelder Inszenierung setzt weniger auf Klamauk als die Umsetzung in Hagen und überzeugt durch beeindruckende Leuchtstoffröhrenbilder.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Merijn van Driesten   

Inszenierung
Felicitas Brucker   

Bühne
Marlene Lockemann

Kostüme
Viva Schudt

Licht
Ralf Scholz

Dramaturgie
Anne Christine Oppermann

 

Bielefelder Philharmoniker

Statisterie des Theaters Bielefeld


Solisten

Orlando
Daniel Pataky

Angelica
Cornelie Isenbürger

Medoro
Lianghua Gong

Eurilla
Nienke Otten

Pasquale
Lorin Wey

Alcina
Hasti Molavian

Rodomonte
Caio Monteiro

Licone / Caronte
Yoshiaki Kimura

 

Weitere Informationen
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Theater Bielefeld
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