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Silvia Micu (Norina). Foto: Kirsten Nijhof
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Doofer Alter und dummer Diener – „Don Pasquale“ in Chemnitz

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Vor gut einem Jahr durfte das Publikum abstimmen: Welches Regieteam sollte im Chemnitzer Opernhaus „Don Pasquale“ von Gaetano Donizetti inszenieren? Mehrheitlich fielen die Stimmen auf Regisseur Nils Braun und Ausstatter Oliver Burkhardt. Beide hatten sich am „Ring-Award“ Graz beteiligt und ihr bereits erarbeitetes Konzept dieser Oper zur Diskussion gestellt.

Nach der Premiere, bei der zahlreiche Plätze des Hauses leergeblieben sind (eine Abstimmung mit den Füßen?), darf darüber gemutmaßt werden, ob diese Art Musiktheater den überwiegenden Publikumsgeschmack wiedergibt und somit mehrheitsfähig ist oder ob in solchen Arrangements nicht doch eine Menge Missverständnisse enthalten sind.

Erstaunlich genug ist es ja schon, dass aus der Fülle an Werken, die der Meister aus Bergamo hinterlassen hat, immer wieder sein Spätwerk „Don Pasquale“ auf die Bühnen geholt wird. Gut, Chemnitz hat immerhin vor zwei Jahren „Lucia di Lammermoor“, bekanntlich auch keine Entdeckung aus dem reichen Œuvre des Komponisten …

Was aber haben die Auserwählten nun im „Pasquale“ entdeckt? Dass eine Buffo-Oper auch 175 Jahre nach ihrer Uraufführung ohne einen Hauch heutigen Zeitgeschmacks abgeliefert werden kann? Dass nicht mal ein bisschen Esprit aus der Commedia del’arte ins Stück getröpfelt werden muss? Dass man den doofen Alten und den dummen Diener auch heute noch bezopft als doofen Alten und dummen Diener auf die Bühne stellen darf?

Das Bühnenbild passte zum Gesamteindruck, wirkte aber doch etwas ideenreicher als die biedere Regie-Verweigerung. Der Prospekt eines Palazzo mit Ausblick in den Garten – zunächst immerhin zweidimensional, später sogar begehbar und ein wenig beweglich, zum Schluss gar eine bunte Blumenidylle und somit immerhin was fürs Auge. Neben den reichlich angestaubten Kostümen von Pasquale und seinem Hausdiener wirkten der hintersinnige Dottore Malatesta und die von allen begehrte Norina gar edel kostümiert, während Pasquales Neffe Ernesto (der die Braut letztlich bekommt) mit der Grundausstattung einer Papageienfamilie vorliebnehmen musste.

Die liebe Liebe

Ach ja, „Don Pasquale“ wurde und wird so oft gespielt, da weiß man natürlich, dass es um die liebe Liebe geht. Der alte Titelheld ist scharf auf Norina, Malatesta soll ihm dabei helfen und denkt dabei, ganz Mann, auch an sein eigenes Vergnügen - nach einer Scheinehe, in der sich die junge Schöne als durchtriebene Xanthippe erweist, ist der blöde Alte kuriert und gibt dem trauten Paar noch eine hübsche Mitgift. Das erzählt Regisseur Nils Braun brav nach dem Libretto und setzt dann doch noch eine eigene Idee hinzu: Als stumme Rolle geistert ein weißer Amor durch die Szenen. Hätte man das mit der Liebe sonst etwa wirklich nicht mitbekommen oder geglaubt?

Zur Premiere gab Guibee Yang die Norina, eine fidele Person, agil und beweglich auch in ihrem ausdrucksvollen Sopran. Cosmin Ifrim, der geliebte Ernesto, changierte zwischen kraftvoller Leichtigkeit und angestrengten Höhen, Andreas Beinhauer als Malatesta gab eine noble Figur sowohl als verliebter Spielmacher und gewiefter Intrigant als auch mit seinem klar geführten und stets gut verständlichen Bariton ab. Noé Colín in der Titelpartie jedoch stand arg im Gegensatz dazu, bediente mimisch altbackene Rollenklischees, die er zudem mit seiner zugeknöpft wirkenden Intonation noch unterstrich.

Ein Lichtblick hingegen die Robert-Schumann-Philharmonie unter Leitung von Stefan Politzka. Leichtigkeit und Dramatik gingen da Hand in Hand, auf uneinheitliche Tempi wurde rasch reagiert, hier und da blühte der Donizetti gar in meisterlicher Italianità. Schwer vorstellbar, dass das Chemnitzer Publikum in seiner Entscheidung vor einem Jahr wirklich auf Klamotte gesetzt haben sollte.

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