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Musikfestspiele
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Salzburger Pfingstfestspiele
18.05.2018 - 21.05.2018

La Périchole

Opéra-bouffe in zwei Akten
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach der Komödie La Carosse du Saint-Sacrement (1829) von Prosper Mérimée
Musik von Jacques Offenbach

in französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 10' (eine Pause)

Konzertante Aufführung im Haus für Mozart am 19. Mai 2018

 

 

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Triumph der Liebe

Von Thomas Molke / Fotos folgen

Neben der szenischen Opernproduktion, die jeweils im Mittelpunkt der Salzburger Pfingstfestspiele steht, gibt es in der Regel auch noch eine konzertante Oper zu erleben. Wenn man dafür das Bühnenbild des anderen Stückes nutzen kann, braucht man eigentlich nur noch ein paar Requisiten hinzuzufügen und die Solisten ohne Textbücher auftreten zu lassen. Schon wird aus einer konzertanten Aufführung zumindest das, was andernorts bereits als semi-stage bezeichnet wird. In diesem Jahr scheint das Bühnenbild für Rossinis L'Italiana in Algeri wie gemacht dafür zu sein, auch Offenbachs Opéra-bouffe La Périchole darin spielen zu lassen. Dass erstere in Afrika, letztere in Südamerika spielt, stört dabei nicht weiter. Dramaturg Romain Gilbert, der das Stück in der kommenden Spielzeit an der Opéra de Bordeaux inszenieren wird, hat mit kleinen Regie-Einfällen hier ganze Arbeit geleistet, so dass man wirklich nichts von einer szenischen Umsetzung vermisst.

Offenbachs La Périchole wurde am Pariser Théâtre des Variétés am 6. Oktober 1868 uraufgeführt, dem Jahr, auf dem bei den diesjährigen Festspielen unter dem Motto "Zeitenbrüche ein besonderer Schwerpunkt liegt. Die Erwartungen des damaligen Publikums waren sehr hoch, da Offenbach nach seinem grandiosen Erfolg mit Orphée aux enfers 1858 in den folgenden Jahren mit La belle Hélène, Barbe-bleu, La vie parisienne und La Grande-Duchesse de Gérolstein einen Kassenschlager nach dem nächsten produziert und ein neues Genre ins Leben gerufen hatte. Die Titelpartie war mit Hortense Schneider hochkarätig besetzt,  da sie bereits Offenbachs belle Hélène und Grande-Duchesse de Gérolstein bei der Uraufführung mit überragendem Erfolg interpretiert hatte. Bis zur Mitte des ersten Aktes verlief auch alles zur besten Zufriedenheit des Komponisten. Doch als er die Titelfigur und ihren Bräutigam in der Hochzeitsszene völlig betrunken auftreten ließ, soll nach zeitgenössischen Zeitungsberichten die Stimmung im Saal gekippt sein. Was danach folgte, entsprach nicht mehr dem leicht burlesken Stil, den man als "Offenbachiade" geschätzt und gefeiert hatte. Dass die Uraufführung sich nicht zu einem Fiasko entwickelte, soll vor allem den Besuchern aus den oberen Rängen zu verdanken gewesen sein, die gemäß den Erinnerungen von Hortense Schneider unvermittelt weiter großen Applaus gespendet haben sollen. Obwohl Offenbach das Stück später in eine dreiaktige Fassung umarbeitete, konnte er damit an seine großen früheren Erfolge nicht mehr anknüpfen.

Das Libretto des Erfolgs-Duos Henri Meilhac und Ludovic Halévy greift auf eine Komödie von Prosper Mérimée zurück, die dieser bereits 1829 als Politsatire verfasste. Darin karikierte er die Beziehung zwischen dem wenige Jahre zuvor verstorbenen König Ludwig XVIII. und seiner Mätresse, Madame de Cayla. Vorlage ist eine historisch verbürgte Gestalt aus Lima, die "La Perricholi" genannt wurde und mit bürgerlichem Namen Micaela Villegas hieß. Trotz ihrer Herkunft aus bescheidenen Verhältnissen erlebte sie einen rasanten Aufstieg von einer erfolgreichen Schauspielerin zur offiziellen Geliebten des Vizekönigs von Peru, Don Manuel de Amat y Junyent, und prägte als solche jahrelang das gesellschaftliche Leben in Lima. Ihre zahlreichen Neider am Hof sollen sie als "perra chola" ("indianische Hündin") bezeichnet haben, woraus dann später "Perricholi" wurde. Bei Offenbach ist sie jedoch nicht wie bei Mérimée eine skrupellose, untreue und listige Frau, sondern eine arme Sängerin, die vergeblich versucht, mit ihrem Geliebten Piquillo über die Runden zu kommen. Der Hunger lässt sie zwar ein Angebot des Vizekönigs, hier Don Andrés de Ribeira, annehmen, zur Mätresse wird sie jedoch nicht. Stattdessen verlässt sie mit Piquillo, den sie zuvor heiraten musste, weil der König keine unverheiratete Favoritin an seinem Hof beherbergen darf, den Königshof und verdingt sich weiter mit Piquillo als Künstler, wobei sie nun allerdings über eine nicht unbeträchtliche Mitgift des Vizekönigs verfügt.

Im Bühnenbild von Rossinis L'Italiana di Algeri lässt Gilbert die Solisten und den Chor die kurzweilige Geschichte mit großem Spielwitz entwickeln. Marc Mauillon fungiert als Gouverneur Don Pedro de Hinoyosa dabei als eine Art Spielleiter, der den Chor und die drei Cousinen des peruanischen Vizekönigs als fröhlich feiernde Gesellschaft anlässlich des Namenstages des Vizekönigs in der Schenke der drei Cousinen in Stellung bringt, damit Don Andrès, der sich inkognito unter das Volk mischen will, den Eindruck hat, dass der festliche Anlass gebührend umgesetzt wird. Mauillon verleiht dem Gouverneur dabei eine komödiantische Hektik, die von Éric Huchet als Graf Miguel de Panatellas, dem Kammerdiener des Vizekönigs, amüsant aufgegriffen wird. Olivia Doray, Mélodie Ruvio und Lea Desandre gefallen als Cousinen Guadalena, Mastrilla und Berginella ebenfalls mit ausgelassenem Spiel und sauber harmonierenden Stimmen. Der von Salvatore Caputo einstudierte Chœur de L'Opéra National de Bordeaux setzt die fröhliche Stimmung musikalisch ebenfalls gut um. Aude Extrémo und Benjamin Bernheim punkten als Liebespaar Périchole und Piquillo direkt bei ihrem ersten Auftritt, wenn sie mit der Geschichte vom jungen Spanier und der Indianerin vergeblich die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf sich lenken wollen. Mit großem Spielwitz arbeiten sie die Beziehung der beiden heraus. Bernheim gibt den eifersüchtigen Mann mit stolzem Tenor, der nicht akzeptiert, dass Extrémo mit samtig gehauchtem Mezzo versucht, Geld für ihre Darbietung einzutreiben.

Einen großartigen Auftritt hat dann Alexandre Duhamel als peruanischer Vizekönig Don Andrès. Um inkognito zu bleiben, hat er sich als Frau verkleidet. Dabei reicht es wohl, abgewandt vom Publikum seinen Rock zu heben, damit die Cousinen ihn erkennen. Als er auf die schlafende Périchole trifft, ist er sofort begeistert, was Duhamel mit ganzem Körpereinsatz zum Ausdruck bringt. So wirft er sich derart leidenschaftlich auf den Boden, dass man im Publikum schon beinahe fürchtet, er könne sich verletzt haben. Auch im weiteren Verlauf des Abends punktet Duhamel mit überbordender Komik. Absolut rührend gestaltet Extrémo mit dunklem Mezzo die anschließende Briefarie, in der sie Piquillo mitteilt, dass sie dem Vizekönig an den Hof folgen wird, da sie den Hunger nicht länger erträgt. Die zarte Melodie macht dabei deutlich, dass sie dennoch ihrem Piquillo die Treue halten will. Von daher lehnt sie zunächst ab, als man ihr verkündet, dass sie vermählt werden müsse, um am Hof bleiben zu können. Bernheim gibt mit höhensicherem Tenor den Leidenden und will sich das Leben nehmen. Da kommt er dem Gouverneur und dem Kammerdiener auf der Suche nach einem geeigneten Bräutigam für Périchole gerade recht. Wie Piquillo und Périchole dann vom Alkohol abgefüllt einander das Ja-Wort geben sollen, wird musikalisch und szenisch mit großartiger Komik umgesetzt. Die Musiciens du Louvre lassen unter der Leitung von Marc Minkowski im ersten Finale gemeinsam mit den Solisten und dem Chor den ganzen Offenbach'schen Charme nur so sprühen.

Auch nach der Pause gibt es noch zahlreiche musikalische Höhepunkte. Zu nennen sind hier das Couplet "Les femmes, il n'y a qu'ça", in dem Bernheim, Huchet und Mauillon die Macht des weiblichen Geschlechtes besingen, und das Couplet der vier Edeldamen, die die Braut und ihren Bräutigam verspotten. Doray, Ruvio und Desandre werden hierbei von Adriana Bignagni Lesca unterstützt, die den drei übrigen Frauenstimmen noch eine samtige Nuance hinzufügt. Großartig gelingt auch das "Rondo der widerspenstigen Ehemänner" mit dem witzigen Wortspiel "Aux maris ré-, aux maris cal-, aux maris ci, aux maris trants, aux maris récalcitrants", das Duhamel anstimmt, nachdem Piquillo seine Braut aufs Äußerste gedemütigt und beleidigt hat. Extrémo mag mit Péricholes Erkenntnis "Mon dieu! Que les hommes sont bêtes!" ("Mein Gott, wie dumm die Männer doch sind!") in ihrer Darbietung vielen Leuten im Zuschauerraum aus der Seele sprechen. Durch das beherzte Spiel der Solisten entstehen auch bei den zahlreichen Dialogen keinerlei Länge, so dass sich das Publikum bestens unterhalten fühlt, und beim Verlassen des Saals dürfte sich das immer wieder aufgegriffene "Il grandira, car il est Espagnol" ("Er wird es weit bringen, denn er ist Spanier") sicherlich als Ohrwurm festgesetzt haben. Das Publikum belohnt die Aufführung zu Recht mit frenetischem Applaus.

FAZIT

Wenn man wie an diesem Abend über ein durchweg spielfreudiges Ensemble verfügt, kann man auch in einem anderen Bühnenbild aus einer konzertanten Aufführung ein gelungenes szenisches Opernerlebnis machen.

Weitere Rezensionen zu den Salzburger Pfingstfestspielen 2018

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marc Minkowski

Choreinstudierung
Salvatore Caputo

Dramaturgie
Romain Gilbert

 

Les Musiciens du Louvre

Le Chœur de L'Opéra National de Bordeaux

 

Solisten

La Périchole
Aude Extrémo

Piquillo
Benjamin Bernheim

Don Andrès de Ribeira, Vizekönig von Peru
Alexandre Duhamel

Graf Miguel de Panatellas
Éric Huchet

Don Pedro de Hinoyosa
Marc Mauillon

Erster Notar / Marquis de Tarapote
Rémy Mathieu

Zweiter Notar
François Pardailhé

Guadalena / Manuelita
Olivia Doray

Mastrilla / Ninetta
Mélodie Ruvio

Berginella / Frasquinella
Lea Desandre

Brambilla
Adriana Bignagni Lesca

 

 

Weitere
Informationen

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