Ein glänzender Ritter rettet ein Fräulein aus höchster Not, doch aus der Brautnacht wird nichts, weil das Fräulein eine verbotene Frage stellt. Das glückliche Leben bis ans selige Ende findet nicht statt, denn der Ritter verschwindet so plötzlich wie er gekommen ist. So weit, so bekannt, und trotzdem verliert man sich immer wieder gern in diesem Märchen – sogar dann, wenn Lohengrin nicht mehr als ein gepflegter Repertoireabend ist.

In der 14. Aufführung der Inszenierung von Andreas Homoki an der Wiener Staatsoper zeigte sich, dass das zur Premiere vielgeschmähte „Alpen-Wirtshaus“, das als Einheitskulisse für sämtliche Schauplätze dient, durchaus den Test der Zeit bestanden hat und die umsichtige Personenregie, in welche sich etliche Rollendebütanten tadellos fügten, immer noch funktioniert. Zwar gibt es Originelleres, als die vielen Schauplätze in Lohengrin auf einen zusammenzufassen, andererseits ist die dunkle „Holzkiste“ eine kluge Anspielung darauf, dass es in diesem Werk unter anderem um die Auseinandersetzung von Individuen mit einer Gesellschaft geht, in die sie nicht hineinpassen – die Enge des Raumes macht klar, dass man hier lieber nicht aus der Reihe tanzen sollte, zumal eine Reaktionärin wie Ortrud das Sagen hat. Immerhin bleibt Lohengrin der Rückweg nach Montsalvat, aber Elsa bleibt Gefangene dieser klaustrophobischen Welt. Stramme Waden in Wollstutzen und Dirndldekolletees (Ausstattung: Wolfgang Gussmann) machen in dieser Inszenierung optisch einiges her. Dass der glänzende Ritter seinen Erstauftritt in einem Nachthemd mit dem Sexappeal von Tennissocken hat, nimmt man (wenn auch mit Murren) in Kauf, weil es logisch dazu passt, dass sich der seiner Ehre beraubte Telramund die Blöße geben muss, in Unterwäsche zu singen.

Lohengrin ist jene Partie, die idealtypisch für den jugendlich-dramatische Heldentenor steht, der neben einer Vielfalt von Emotionen auch jugendliche Frische in der Stimme haben soll, allerdings geht das mit den Realitäten des Opernbetriebs nicht immer zusammen. Für den erkrankten Christopher Ventris sprang Robert Dean Smith ein, der diese Partie an diesem Haus zuletzt vor zehn Jahren gegeben hat, und leider machte sich bemerkbar, dass Zeit und Schwerkraft auch vor Heldentenören nicht Halt machen. Allerdings erinnerte Smiths Auftritt stark an jenes Goethe-Zitat, wonach man nicht immer ein Held, aber immer ein Mann sein könne. Man hörte, dass ihm sein Erstauftritt, halb liegend, eine Qual war, und doch kämpfte er sich tapfer durch den ersten Akt, um im Folgenden überwiegend Ordentliches abzuliefern; einiges erinnerte sogar an die guten alten Zeiten. Applaus gebührt ihm auch dafür, wie gut und schnell er sich in der doch komplexen Inszenierung zurechtgefunden hat.

Ihm zur Seite stand Annette Dasch in ihrer ersten Elsa an der Wiener Staatsoper. Auch wenn ihr Sopran im ersten Akt ein wenig sehnig klang, war ihre Leistung ansprechend. Sie ist eine gewitzte Schauspielerin, und die Erfahrung vieler Elsas gibt ihr die nötige Sicherheit. Mit dem Brustton der Überzeugung ging Elena Zhidkova ihre erste Ortrud im Haus am Ring an; bis zu ihren finalen, durch Mark und Bein gehenden Ausbrüchen, war Schöngesang zu hören.

Heiter bis wolkig gab sich der Bass von Günther Groissböck als Heinrich der Vogler, während Jukka Rasilainen seinen ersten Staatsopern-Telramund im ersten Akt mitunter im Regen stehen ließ. Überraschend war, dass der nicht umsonst so beliebte Adrian Eröd als Heerrufer bloß Solides von sich gab. Der Chor führte seine Aufgabe passabel aus, allerdings gebührt ihm für das brave Befolgen der Choreographie Extra-Lob.

Die vokale Großwetterlage klarte nach dem ersten Akt allgemein auf, doch blieben Höhepunkte aus, auch wenn die Partitur von Lohengrin nicht wenige bereithält. Am Orchester, unter der Leitung von Sebastian Weigle, lag das mitnichten. Weigle entfachte frischen Wind und ließ nur wenige Instrumentalstellen zu einem veritablen Sturm geraten. Dass er den Chor ein-, zweimal zudonnerte – sei’s drum.

Insgesamt hatte man den Eindruck, dass der Wiener Staatsoper auf dem Weg in die Sommerpause schon ein wenig die Luft ausgeht: tapfer zwar, aber beileibe nicht mehr in Hochform.

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