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Opernkritik

Opernkritik: „Orlando Paladino“

München / Lesedauer: 3 min

Axel Ranisch inszeniert Haydns „Orlando Paladino“ bei den Münchner Opernfestspielen
Veröffentlicht:25.07.2018, 17:47

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In ein Kleinstadtkino hat der aus Berlin stammende Filmregisseur Axel Ranisch im Rahmen der Münchner Opernfestspiele jetzt die turbulente Handlung von Joseph Haydns selten gespieltem Dreiakter „Orlando Paladino“ verlegt. Die von Ivor Bolton souverän dirigierte Produktion mit exzellenten Gesangssolisten und dem Münchner Kammerorchester wurde im Prinzregententheater vom Premierenpublikum stürmisch gefeiert. Einige Buhrufe für das Regieteam hatten gegen den allgemeinen Bravo-Jubel keine Chance.

Haydns heroisch-komisches Musikdrama über den Paladin Roland wurde 1782 im Schloss Eszterháza uraufgeführt. Das Libretto von Nunziato Porta basiert sehr frei auf einer Episode aus Ariosts berühmter Versdichtung „Orlando furioso“ (1532) und erzählt eine krude Geschichte mit bunt zusammengewürfeltem Personal. Nach vielen grotesken Verwicklungen wird der von Eifersucht in den Wahnsinn getriebene Titelheld durch einen Vergessenstrank geheilt.

Pingpong mit Bühne und Film

Ranisch hat sich beim Inszenieren der wild wuchernden Story ganz an seine Maxime gehalten, gutes Musiktheater solle „Pingpong mit Bühne und Film“ spielen, sich selbst nie zu ernst nehmen und das „Hirn im Bauch“ haben. Eine Filmsequenz zur Ouvertüre führt in das „Herzkino“ der Eheleute Gabi und Heiko Herz, die mit cineastischer Liebhaberei das provinzielle „Neue Rex“ betreiben. Ihre hinzuerfundenen Rollen werden von dem Schauspielerpaar Gabi Herz und Heiko Pinkowski grandios verkörpert.

Zu Beginn sehen wir auf großer Leinwand, wie Heiko sich im Vorführraum heimlich mit einem Fotokalender seines Lieblingshelden in Stimmung bringt, während Gabi es in einer Besenkammer mit dem Hausmeister Licone (Guy de Mey) treibt und dessen Tochter Eurilla (Elena Sancho Pereg) als Putzkraft die Gänge staubsaugt (bei Haydn ist sie eine Schäferin). Quasi nahtlos treten diese Figuren dann von der Leinwand heraus und erscheinen leibhaftig im Zuschauerraum des Kinos (Bühne und Kostüme: Falko Herold) – einem magischen Bereich zwischen realistischem Alltag und Fantasie.

Gabi verzieht sich links in ihr Kassenkabuff. Kitschige Filmplakate hängen an den Wänden. In der Mitte sind Sitzreihen für das Kinopublikum von hinten zu sehen. Rechts an der Theke verkauft die rothaarige Alcina (Tara Erraught) Getränke, Kaugummi und Popcorn. Später verwandelt sie sich in die Zauberin der Oper, eine Art Königin der Nacht mit langen Klauen und schwarzem Blumenkleid. Gezeigt wird zunächst der Schwarz-Weiß-Stummfilm „Medoro und Angelica“.

Nach und nach mischen sich weitere Typen unter die Zuschauer. Die exotische Prinzessin Angelica (Adela Zaharia) und ihr sarazenischer Märchenprinz Medoro (Dovlet Nurgeldiyev) schmachten sich als Paar an und werden ständig bedroht von dem Rambo-Rabauken Rodomonte (Edwin Crossley-Mercer als mittelalterlicher Terminator mit knarzendem Bass) und vom liebestollen Orlando (Mathias Vidal).

Wie in einem Comic wird das dramaturgisch haltlos wabernde Geschehen als Haydn-Spaß entfaltet. Orlando zerdeppert in seiner Wut die Popcorn-Maschine. Tänzer mit Masken toter Riesenvögel mischen sich choreografisch brillant (Magdalena Padrosa) in das Chaos. Über all das hat der oft unterschätzte Musikdramatiker Haydn ein Füllhorn schönster Melodien ausgegossen. Bolton lässt farbig und vital musizieren, modelliert jede Phrase und spornt die Mitwirkenden zu Höchstleistungen an.