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Kritik - "Salome" in Salzburg Strauss mit einem Hauch von Kafka

Seine "Salome" spickt Regisseur Romeo Castellucci mit viel Symbolik und starken Bildern. In diesem Setting agiert ein glänzendes Sängeraufgebot, das von einer weit überstrahlt wird: der litauischen Sopranistin Asmik Grigorian in der Titelrolle. Am 28. Juli war Premiere in der Salzburger Felsenreitschule.

Szenenfoto aus "Salome" 2018 - Strauß Oper - Salzburger Festspiele | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Ruth Walz

Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Ruth Walz

Die Kritik zum Anhören

Sie ist einfach wahnsinnig gut: Asmik Grigorian singt, verkörpert, ist Salome. Ihr gleißend heller Sopran überstrahlt alle Strauss’schen Orchesterexzesse. Im Piano hat ihre Stimme verführerische Leichtigkeit. Aber wenn sie dann im tiefsten Register den Kopf des Jochanaan fordert, geht das durch Mark und Bein. Im weißen Kleid, texttreu mit scharlachrotem Fleck, bewegt sie sich über den riesigen, fast leeren, goldenen Bühnenboden und beherrscht den Abend: mit Gesten, Schritten, Blicken – und atemberaubenden stimmlichen Kraftreserven.

Oper mit Beipackzettel

Regisseur Romeo Castellucci lässt seine Arbeiten gern von hochintellektuellen Texten kommentieren. Und so findet man auch bei dieser Salzburger Salome eine Art Beipack-Zettel des Dramaturgen im Programmheft – samt Fußnoten zu Heidegger. Schade wär’s, wenn irgendjemand sich davon abschrecken ließe. Natürlich schadet es nichts, wenn man weiß, dass Castellucci sich intensiv mit Psychoanalyse beschäftigt hat. Aber sein Rätseltheater funktioniert an diesem Abend auch unmittelbar sinnlich. Zumal es eng auf den Ort der Aufführung bezogen ist, die ins Gestein des Mönchsbergs hineingehauene Felsenreitschule.

Die Inszenierung in Bildern

Szenenfoto aus "Salome" 2018 - Strauß Oper - Salzburger Festspiele | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Ruth Walz Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Ruth Walz Die männlichen Figuren tragen schwarze Mäntel und Hüte. Ein Hauch von Kafka liegt in der Luft, eine beklemmende Atmosphäre. In strengen, stilisierten Bewegungen gruppieren sich die Darsteller auf dem goldglänzenden Bühnenboden. Alle Männer haben riesige Münder, das halbe Gesicht ist rot geschminkt. Die goldene Welt des Königs Herodes hat Löcher, schwarze Löcher, etwa das Verlies des Propheten Jochanaan. Ein schwarzes Pferd taucht daraus auf, Leichen in Plastiksäcken, ein erstarrter Boxkampf: immer wieder surreale und optisch starke Bilder. Den Schleiertanz verkehrt Castellucci radikal ins Gegenteil: kein Bewegungsrausch, sondern tödliche Erstarrung. Salome, gefesselt wie ein Opfertier, wird buchstäblich von einem Stein verschluckt.

Kopfkino des Begehrens

Noch eindrucksvoller wirkt diese Form der Umkehrung ins Negativ bei dem perversen Kuss, den Salome dem abgeschlagenen Haupt des Jochanaan gibt: Nicht der abgetrennte Kopf ist zu sehen, sondern das Gegenstück, der kopflose Rumpfkörper des Enthaupteten. Salome küsst die Luft – der Gegenstand ihres Begehrens ist abwesend. Und doch sieht man den nicht vorhandenen Kopf, den sie phantasiert – und die Zuschauer mit ihr: ein verblüffender Kunstgriff. Castelluccis Theater ist ästhetisch und unheimlich, pervers und diskret, verrätselt und sinnlich. Eine Art Kopfkino des Begehrens, das virtuos mit Sichtbarem und Unsichtbarem, Träumen und verschobenen Symbolen jongliert.

Triumph für Asmik Grigorian

Dirigent Franz Welser-Möst setzt auf funkelnde Details. Statt des sonst oft zu hörenden pauschalen Klangstrudels, in den sich technisch schwächere Orchester retten müssen, fächern die Wiener Philharmoniker präzise und lustvoll die Wunder dieser irrwitzigen Partitur auf. Und Welser-Möst bringt, entgegen dem hartnäckigen Vorurteil, er sei ein braver Klangverwalter, den Orchesterklang genau an den richtigen Stellen zur Weißglut.

John Daszak ist ein angemessen neurotischer, eher zuverlässiger als faszinierender Herodes. Gábor Bretz gibt dem Jochanaan nachtschwarze Basspower. Und Julian Prégardien schickt den Narraboth stimmschön ins Verderben. Sie und die andern durchweg stark besetzten Sänger überragt Asmik Grigorian in der Titelrolle – ein Triumph.

Sendung: "Allegro" am 30. Juli 2018 ab 06:05 Uhr in BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Sonntag, 12.August, 22:38 Uhr

Kunstbüro Hamburg

Salome Inszinierung

Unglaublich alle Sänger , doch Salome in einer Tiefe und Variante der Figur und mit einer Stimme ......einfach.umwerfend.

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