„Zauberflöte“ in Salzburg : Ein üppiger Maschinenzauber
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Aritsten in der Zirkuskuppel: „Die Zauberflöte“ in Salzburg Bild: dpa
Goethes Wunsch war hier Befehl: Lydia Steiers „Zauberflöte“ spart in Salzburg nicht an technischem Budenzauber. Der Regieeinfall mit Klaus Maria Brandauer als Märchenonkel hat hingegen seine Tücken.
Auf der Bühne geht es turbulent zu während der Ouvertüre zu Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“, die in diesem Jahr von den Salzburger Festspielen zum achtzehnten Mal seit 1928 neu herausgebracht wird, inszeniert von der amerikanischen Regisseurin Lydia Steier. In einem großbürgerlichen Esszimmer kommt es zu einem Familienzwist, bei dem der Vater aus der Tür stürmt und die Mutter voller Wut das Geschirr vom Tisch fegt. So muss der Großvater die drei Kinder kalmieren, indem er ein Buch aufschlägt und eine Gutenachtgeschichte vorliest, die mit der Rettung des Prinzen Tamino beginnt.
Nicht minder turbulent geht es im Orchestergraben zu. Nach den fünfzehn Adagio-Takten treibt der Dirigent Constantinos Carydis den Allegro-Abschnitt zur wilden Presto-prestissimo-Jagd. Danach öffnet sich das Fenster zum Kinderzimmer, und für die drei Knaben verwandelt sich das Märchen, das Klaus Maria Brandauer als Großvater bedeutungsschwer vorliest, in ein phantasmagorisches Geschehen. Auf der Flucht vor einem Ungeheuer springt Tamino, gewandet wie ein k.u.k.-Offzier mit extrabreitem schwarzem Schnurrbart, durchs Fenster. Dann knallt es von der anderen Seite: Die drei Damen haben Tamino gerettet. Die Knaben erleben das Geschehen zwar als unmittelbar beteiligte Dramatis Personae, werden aber in den „Kapiteln“ immer wieder aus dem Geschehen dadurch zurückgeholt, dass der Großvater sie mit Erklärungen oder Maximen zur Lebensweisheit versorgt.
Das führt zu anfänglich kaum bemerkbaren Eingriffen in die dialogischen Texte – so lang, wie es nur um die märchenhafte Handlung geht. Und es ändert sich in dem Moment, da Tamino in die Welt Sarastros eintritt, in der, wie er wähnt, „Klugheit und Arbeit und Künste hier weilen“. Nur betritt er eine dystopische Gegenwelt, eine Welt von Akrobaten, Artisten und Gauklern – von Ausgegrenzten, bei deren Anblick die Knaben den Großvater fragen, warum diese Menschen „so komisch aussehen und nicht wie wir?“. Und der Großvater antwortet, aus dem Gedächtnis zitierend, die berühmten Verse aus Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“: „Wenn wir sie stechen, bluten sie nicht? Wenn wir sie vergiften, sterben sie nicht?“ Dies aber ist nur, politisch à la mode, eine andere Proklamation: Kritik an der vermeintlichen Ideologie des Werks.
Reich versprühtes Augenpulver
Der zweite Aufzug spielt denn auch nicht in der solaren Welt jenes Sarastro, sondern in der Tollhauswelt eines Zirkusdirektors, zu dem die Rolle eines Zwingherrn von Moral und Vernunft nicht passen würde. Für die technizistische bombastische Maschinenwelt (Bühne von Katharina Schlipf) torkeln fellineske Figuren (Kostüme von Ursula Kudrna) wie die sprichwörtlich ratlosen Artisten unter der Zirkuskuppel. Dazu hat sich Lydia Steier, wie aus einem im Programmheft gedruckten Gespräch mit der Dramaturgin Ina Karr zu erfahren ist, durch „die üppige Bilderwelt der Comics von Little Nemo in Slumberland“ inspirieren lassen.