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Opernpremiere in Hamburg Mozart würde sich kugeln

"Cosi fan tutte", Mozarts scheinheilige Hymne an die Liebe, drehte Trubelmacher Herbert Fritsch in seiner neuen Inszenierung durch die Kessel-Buntes-Trommel. Aber seine zupackende Regie offenbarte auch die bösen Untiefen der Werkes.
Szene aus Herbert Fritschs "Cosi fan tutte" in der Hamburger Staatsoper

Szene aus Herbert Fritschs "Cosi fan tutte" in der Hamburger Staatsoper

Foto: Hans Jörg Michel

Die Akkorde des Orchester signalisieren schon in der Ouvertüre, wie bedrohlich es in Wolfgang Amadeus Mozartes Oper "Cosi fan tutte" (So machen's alle) von Beginn an zur Liebeserforschungssache geht: Der international erfahrene französische Dirigent Sébastien Rouland, der am Premierenabend das Philharmonische Orchester an der Staatsoper Hamburg leitete, setzte sofort auf kompakte, aber filigrane Einheit.

Kein Krawall-Mozart aus dem Graben, solide Feinarbeit ohne Exaltiertes, Rokoko vom Blatt. Und keine Konkurrenz zur Bühne, wo das richtige Remmidemmi stattfand, denn der Regiemeister des Abends heißt Herbert Fritsch.

Bekannt für bunte Überraschungen, schickte Herbert Fritsch (jüngst für seine Theaterarbeiten "Murmel, Murmel", "Die spanische Fliege" und "Nora" ausgezeichnet) von Beginn an das grell bekleidete "Cosi"-Personal über die mit vielfarbigen, monströsen Kristallen bestückte Bühne und ließ sie munter - dann wieder ganz nach Librettovorschrift - an den Strippen des zynischen Marionettenspielers Don Alfonso zappeln.

Gemein, aber komisch

Der wiederum hatte sich vorgenommen, zusammen mit seiner Assistentin Despina, den beiden verliebten Männern der Gesellschaft, Guglielmo und Ferrando, die Brüchigkeit der Treue ihrer Geliebten Dorabella und Fiordiligi vorzuführen. Gemein, aber komisch. Und sicheres Komödienterrain für Fritsch, den Meister der Überzeichnung, der in diesem Vexierbild der Leidenschaften und Gefühle die tragische Komik des menschlichen Strebens in allen Farben schillern lässt. Mozart würde sich kugeln vor Lachen.

Die Guckkastenbühne mit Spiegelwänden hatte Fritsch gleich selber erdacht, aber der Witz des Ganzen lebte von der überragenden Lichtregie Carsten Sanders. Jede Arie, jedes Ensemble erfuhr durch sie eine individuelle, beinahe physikalisch-intime buchstäbliche Erleuchtung, die noch den haarsträubendsten Verästelungen der Handlung eine zwingende In-sich-Logik verpassten. Auf der Metaebene: Man sieht und erlebt, was man erleben soll oder will. Das Arrangement der Umstände gebiert die Aktion.

Yeti und Petry mit List und Tücke

Und die ist bizarr genug. Don Alfonso schickt die liebenden Ferrando und Guglielmo scheinbar in den Krieg, um sie sogleich in lächerlich karikierender Verkleidung als "bärtige Albaner" (Librettovorschrift) auftauchen zu lassen, die sich umweglos an die Verführung der zurückgelassenen Damen machen. Beider Outfit stylte Kostümkönnerin Victoria Behr in bester Comedy-Manier als schwarz-weiße Urmenschen. Der eine ein weißer Yeti, der andere eine Mixtur aus Conchita Wurst und Wolfgang Petry.

Doch genau diese Yeti- & Petry-Figuren bezaubern, durch List und Tücke geführt, die doch so überlegen scheinenden Damen. Muss man eben glauben. Ebenso wie das selige Vergeben der plötzlich zurückkehrenden Ehrenmänner aus dem Scheinkrieg. Schnell wird geheiratet, sicher ist sicher.

Pietro Spagnoli - die pure Freude

Was allein der bühnenfüllende Power-Bass Pietro Spagnoli als in teufelsrot gewandeter Höllenportier stimmlich wie darstellerisch leistet, ist die pure Freude. Irgendwie erinnert seine Person an selbige Rolle im Film "Hotel Budapest", wie seine kaum weniger präsente, wuselig dominante Intrigen-Assistentin Despina ein ganzes Repertoire an Zofen, Bauernschlauen, Spinnerinnen abspult. Sylvia Schwartz füllt mit stahlglänzendem Sopran diese scheinbare Nebenrolle beeindruckend aus. Auch das satiresatte rosenrote Flatterkostüm mit dem Metal-Lack-Stiefeln trägt nicht unwesentlich dazu bei.

Noch mehr allerdings glänzt das Quartett der Liebenden. Am meisten wohl die erst kurz vor der Premiere eingesprungene Ida Aldrian für die erkrankte Stephanie Lauricella. Wie sich die österreichische Mezzosopranistin in nur einem Tag in die doch sehr fordernde und Präzision gebietende Inszenierung fand, verdient größten Respekt.

Ida Aldrian war so die perfekte Partnerin der Sopranistin Maria Bengtsson, deren Spiel und Stimme derzeit von einem Höhepunkt zum nächsten eilen. Beide gemeinsam waren das Traumpaar des Abends. Allerdings gingen sie nur knapp vor Kartal Karagedik (Guglielmo) und Dovlet Nurgeldiyev (Ferrando) durchs Ziel, die beide Komödie und stimmliche Klasse zu böser Suggestion vertieften.

Der Dämon der Zerstörung

Die menschlichen Unzulänglichkeiten, die Mozart am Ende der "Cosi" in einer Scheinharmonie des Vergebens und Vergessens münden lässt, bleiben unhinterfragt im Raum, ebenso wie die großspurigen männlichen Absolutionsverteilungen. Die Gesellschaft der Bigotten steht auf brüchigen Füßen, unter aller Harmonie lauert der Damön der Zerstörung. Diesen Aspekt vernachlässigt Herbert Fritschs Farben- und Personenführungswirbel sehr. Es wird sehr viel an der Rampe vorgeführt, perfekt gesungen, genial ausgeleuchtet, vom opulenten Chor (Eberhard Friedrich) und topmotivierten Tänzern unterfüttert. Wie der traurige Rest vor allem bei den männlichen Parts der zerrissenen Liebhaber zuweilen aufglänzt, berührt umso mehr.

Sehr großer Premierenjubel für alle. Hoffentlich behält die Inszenierung immer so ein tolles Ensemble.


"Così fan tutte", Wolfgang Amadeus Mozart, nächste Aufführung: 12., 16., 18., 23., 26. und 29.9.2018, Staatsoper Hamburg 

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