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Kritik - "Im Amt für Todesangelegenheiten" in Luzern Mehrheitsfähig, aber vordergründig

Eine "Slapstick-Oper" sollte es werden, die sich Komponist Klaus von Heydenaber vorgenommen hatte. Er pflügte musikalisch durch die gesamte Operngeschichte, lässt Gott als Schlagerfuzzi auftreten, den Tod als Junkie und den Himmel als Behörde. Am 7. September war in Luzern Premiere. Peter Jungblut erlebte einen wilden Ritt durch die Musiktheater-Geschichte, voller Anspielungen, durch und durch irre. Aber gelegentlich wirkte die Suche nach dem Witz auch arg dick aufgetragen und ließ die persönliche Note vermissen.

Szenenfoto | Bildquelle: Ingo Höhn

Bildquelle: Ingo Höhn

Premierenkritik - "Im Amt für Todesangelegenheiten" in Luzern

Mehrheitsfähig, aber vordergründig

Wenn schon die Bundesregierung ihre Computerprobleme nicht in den Griff bekommt, wie dieser Tage zu lesen war, warum soll es im Himmel anders sein? Ja, auch im "Amt für Todesangelegenheiten", im ziemlich bürokratischen Jenseits, haut es die Sicherungen raus, und plötzlich wachen vier Tote wieder auf. Kein Wunder, dass der liebe Gott seine Mitarbeiter erst ziemlich verärgert durch die Lautsprecher anplärrt und dann in Leopardenhose und Glitzerbluse höchstpersönlich auftritt, um als Showstar für Ordnung zu sorgen. Die Zeit wird zurückgedreht, das hätte helfen können, aber weil gleichzeitig der berühmte rote Knopf gedrückt wird, endet alles im Chaos.

Der Junkie kennt die Nummer vom Himmel

Szenenfoto | Bildquelle: Ingo Höhn "Im Amt für Todesangelegenheiten" in Luzern - Szenenfoto | Bildquelle: Ingo Höhn Wer bis dahin nicht verstanden hatte, worum es im Luzerner Theater bei dieser Uraufführung ging, der bekam von Lukas (Lukas Darnstädt herrlich schlurfig als abgefahrener Junkie) Nachhilfe, einem "geheimnisvollen Clochard" in einer schäbigen U-Bahn-Station, der bei jedem Todesfall zufällig dabei ist: Der "Boandlkramer 4.0" sozusagen. Beunruhigenderweise hat er die ziemlich lange Telefonnummer vom Jenseits, jedenfalls drückte er am Münzfernsprecher so ungefähr fünfzig Tasten, bis er den Himmel erreichte. Höflich bat er die Zuschauer, ihre Smartphone-Taschenlampen anzuknipsen, um ihn bei seinem Monolog ins morbide Licht zu rücken: "Einige warten, andere sind schon zu spät. Einige verlieben sich hier, andere werden hier verlassen. Einige leben hier und andere sterben hier, wenn es das 'Amt für Todesangelegenheiten' so will. Die Rädchen des Systems drehen sich: ticktack, ticktack."

Ritt durch die Musiktheater-Geschichte

Eine "Slapstick-Oper" hat der Braunschweiger Klaus von Heydenaber da geschrieben, und weil er nach eigenen Worten zur Vorbereitung rund 100 Opern gelesen hat, bevor er seine eigene zu Papier brachte, kommt so ziemlich jede Stilrichtung vom Barock bis zu George Gershwin vor. Das ist ein wilder, durchaus unterhaltsamer Ritt durch die Musiktheater-Geschichte, voller Anspielungen, durch und durch irre, was perfekt zur ebenfalls durchgeknallten Handlung passt. Aber es wirkt auch alles furchtbar bemüht, wenig originell, als ob da jemand auf Biegen und Brechen witzig sein wollte, ohne zu einer eigenen Ausdrucksform zu finden.

Für die Operndiva eine Robe aus Klo-Rollen

Heydenaber ist Jazzpianist und hat schon viel für das Theater komponiert, aber noch nie eine Oper geschrieben. Das ist allzeit zu hören: Professionell ist diese Musik, auf Wirkung berechnet, mehrheitsfähig, aber viel zu vordergründig und vorhersehbar, um über zweieinhalb Stunden zu fesseln. Gleichwohl war die Uraufführung in der Inszenierung des ungarischen Teams um Regisseur Viktor Bodó ein freundlich beklatschter Erfolg, dank des realistisch-satirischen Bahnhofs-Bühnenbilds von Marton Ágh mit Kiosk, Foto-Automat, Schlüsseldienst-Filiale, Friseur und Hygiene-Center und der aberwitzigen Kostüme von Fruzsina Nagy, die aus Klo-Rollen die Robe einer Operndiva zauberte.

Sendung: "Allegro" am 10. September 2018 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Mehr Informationen

"Im Amt für Todesangelegenheiten"
Eine Slapstick-Oper von Klaus von Heydenaber für das 21st Century Orchestra

Luzerner Theater

Deatails zu Terminen und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage des Theaters.

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